Die erfolgreiche Praxisabgabe

Fall 1: Kollege, Nachfolger – und Freund

Kennen Sie Markt Berolzheim? Das ist der 1.300-Seelen-Ort im fränkischen Seenland, nahe Nürnberg, in dem eine Praxisabgabe mitunter dazu führt, dass Abgeber und Übernehmer Freunde werden. So wie in diesem Fall.

Anfang der 80er-Jahre ließ sich Dr. Thomas Budny als Zahnarzt in Markt Berolzheim nieder. Er begann mit einer Assistentin, heute arbeiten für ihn zwölf ZFA plus drei Mitarbeiter im eigenen Praxislabor. Keine Frage: Das ist eine gut gehende Landpraxis mit treuen Mitarbeitern und treuen Patienten. 2012, mit 58 Jahren, fing Budny an, einen Nachfolger zu suchen. „Abgeben wollte ich die Praxis mit 60 bis 65 Jahren“, sagt er. „Mir war klar, dass es nicht einfach werden würde. Meine Preisvorstellungen wichen von dem letzten Endes gezahlten Preis sehr ab. Es mussten Dinge berücksichtigt werden, die ich nicht bedacht hatte. So sollte die Übergabe am 1. April 2016 erfolgen, aber an die Mitarbeiter mussten anteilig noch Urlaub und/oder Überstunden ausgezahlt werden, die Wartung und die Reparatur einiger Geräte waren im Übernahmepreis nicht berücksichtigt, der Einbehalt der KZV durch die Degression sollte ebenfalls nicht unterschätzt werden.“

Der Rollentausch wurde eingeleitet

Im November 2013 bewarb sich Zahnarzt Delyan Kukurinkov in der Praxis. Er kam aus Berlin und suchte eine Praxis zur Übernahme im ländlichen Raum. Für ihn stand von jeher fest, dass er sich als selbstständiger Zahnarzt niederlassen wollte. Markt Berolzheim kam ihm als Standort sehr gelegen. Kukurinkov: „Ich habe nach Praxen in Bayern gesucht, die im ländlichen Bereich liegen, eine gute Anbindung nach Nürnberg und nach München haben und dennoch in einer Gegend mit günstigen Immobilienpreisen und hoher Lebensqualität liegen. Weitere wichtige Kriterien waren für mich eine geringe Arbeitslosigkeit unter den Patienten und eine relativ niedrige Zahnarztdichte.“

Für beide stand fest, dass „der Neue“ zunächst als angestellter Zahnarzt arbeitet und sich die Praxis anschaut. Gesagt, getan: Zum 1. April 2014 nahm Kukurinkov seine Tätigkeit als Behandler in der Praxis auf. Zwar wurde über den Kaufpreis zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesprochen, doch das erste gemeinsame Jahr machten den beiden klar, dass sie an dem Plan der Abgabe respektive der Übernahme festhalten wollten. Mehr noch: Die beiden wurden Freunde. „Nach einigen Monaten versuchte ich, Delyan in Entscheidungen einzubeziehen und fragte ihn um Rat“, erinnert sich Budny. Und er holte seine damalige Lebensgefährtin und heutige Ehefrau Ines als Praxismanagerin und Mediatorin in die Praxis. „Im Lauf der Jahre bin ich wohl auch etwas betriebsblind geworden und habe die längst überfälligen zu verändernden Dinge nicht mehr wahrgenommen.“ Ein Beispiel: Die Homepage war mindestens 15 Jahre alt. Was sich im Schriftbild, in der Navigation und in den selbst aufgenommen Bildern widerspiegelte. „Delyan und Ines regten an, eine neue Homepage zu erstellen.“

Im Frühjahr 2015 begannen die Vertragsverhandlungen. „Ich hatte meine finanziellen Vorstellungen und wollte zu Beginn auch nur minimal davon abweichen“, sagt Budny. Um einen Kompromiss herzustellen, führte der Steuerberater während dieser Zeit viele Gespräche mit beiden Zahnärzten, ein externer Gutachter wurde mit der Bewertung der Praxis, ein Rechtsanwalt mit einem Vertragsentwurf beauftragt. „Ohne die empathische Arbeit unseres Steuerberaters wäre die reibungslose Übergabe nicht gelungen“, sind sich alle einig.

Allerdings: Das Wertgutachten war zwar ein Anhaltspunkt für die Preisfindung, aber nicht ausschlaggebend. Wesentlich wichtiger waren die Umsätze, der Patientenstamm, das gut ausgebildete Personal und die Praxis als solche. Im Zuge der Vertragsverhandlungen gingen beide Zahnärzte aufeinander zu. „Ende März 2016 unterzeichneten wir im Wohnzimmer von Dr. Budny den Vertrag“, sagt Delyan Kukurinkov. Seit dem 1. April 2016 arbeitet Budny als angestellter Zahnarzt in der Praxis.

Sein Fazit: „Die Praxisabgabe oder Praxisaufgabe ist tatsächlich eine Aufgabe, die – seelisch-emotional –nicht zu unterschätzen ist. Gerade wenn man in 30 Jahren ein sehr enges Verhältnis zu den Patienten aufgebaut hat. Aber schlussendlich bin ich heute froh und dankbar, dass ich einen so kompetenten Nachfolger für mein Lebenswerk gefunden habe.“ Und was sagt sein Nachfolger? „Das war die beste Entscheidung meines Lebens“, freut sich Kukurinkov, der aktuell selbst auf der Suche nach einem weiteren Behandler ist.

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sg

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