Die warme Hand ist besser
Wenn beide Vertragsparteien sich nicht auf eine Übernahme „auf den letzten Drücker“ einlassen wollen, sondern entspannt mit Vorlauf Klarheit für die Zukunft schaffen wollen, bietet es sich an, schon heute die Praxisübernahme für in ein bis zwei Jahren endgültig bindend zu vereinbaren. Dies sichert dem Praxisabgeber die Verwertung seiner Praxis(beteiligung) und eröffnet dem Praxisübernehmer die Möglichkeit, in der Zwischenzeit durch eine gemeinsame Tätigkeit in der Praxis (ob auf Anstellungs- oder auf Gesellschafterbasis) zu arbeiten.
Die warme Hand
Häufig ist es so, dass der Praxisabgeber seinen Praxisübernehmer im Kreis der bisherigen angestellten Zahnärzte in der Praxis findet. Dann gibt es eine gemeinsame Zeit in zwei unterschiedlichen Ausprägungen: zunächst ein klares Über-Unterordnungsverhältnis (Chef – Angestellter) und anschließend ein rechtlich – nicht immer auch tatsächlich – gleichrangiges Verhältnis (zwei Gesellschafter).
Eine dritte Konstellation tritt auf, wenn der Abgeber sich zwar kurzfristig den Kaufpreis sichern und die Verantwortung abgeben, aber gleichwohl noch eine gewisse Zeit zahnärztlich tätig sein möchte. Dann wechselt er die Rolle vom Chef (Praxisinhaber und vielleicht auch Chef des Übernehmers) zum Praxispartner oder Angestellten des Praxisübernehmers. Die rechtliche Umsetzung einer gemeinsamen Zeit in der Praxis erfolgt mittels drei Modellen:
Der Abgeber stellt den Übernehmer vor der Übernahme an oder
der Übernehmer stellt den Abgeber nach der Übernahme an oder
die beiden arbeiten auf Basis eines Gesellschaftsvertrags für einen Übergangszeitraum zusammen.
Manchmal verträgt sich das Selbstbild des Abgebers nicht mit der Stellung eines Angestellten, dann kommt in Ausnahmefällen eine Dienstleistung auf selbstständiger Basis in Betracht; dies bedarf gerade beim Abgeber zwingend der intensiven steuer-/steuerrechtlichen Prüfung. Die Nutzung mehrerer Modelle in der zeitlichen Abfolge ist denkbar.
Vorteile in der Praxis:
Die Vorteile einer warmen Praxisübernahme liegen für den Übernehmer auf der Hand. Durch die gemeinsame Zeit der beiden Behandler in der Praxis, kann der Übernehmer sukzessiv den Patientenstamm kennenlernen und übernehmen. Es verbessert die Patientenbindung, vom Abgeber als (Wunsch-)Nachfolger vorgestellt zu werden. Der Übernehmer kann zudem beim Abgeber Ratschläge einholen und sich in die bestehenden und bewährten Praxisabläufe einweisen lassen. Wenn die „warme Hand“ funktioniert, ist der Abgeber ein idealer Praxisvertreter (Urlaub, Krankheit).
Der Abgeber hat oft ein persönliches Interesse daran, die Praxis und seine Patienten in gute Hände zu übergeben. Dies betrifft einerseits die Weiterführung seines Lebenswerks und andererseits den Wunsch, die Patienten gut versorgt zu wissen und dabei den Nachfolger zu unterstützen. Abgeber möchten zudem vielfach nicht abrupt die zahnärztliche Tätigkeit einstellen. Sie kann mit einer gemeinsamen Zeit – auch mit flexiblem Ende oder in sich vermindernder Teilzeit – fortgesetzt werden, ohne dass der Abgeber weiterhin die wirtschaftliche Verantwortung der Praxis tragen muss. Schließlich kann er auf diesem Weg am einfachsten für noch von ihm abgerechnete Leistungen Nacharbeiten oder Neuanfertigungen ausführen.
Die kalte Übergabe
Es gibt jedoch Konstellationen, in denen eine warme Übergabe nicht von Interesse ist. Dies betrifft Fälle, in denen der Übernehmer nur am Standort (etwa wegen einer besonderen Lage) interessiert ist oder der Abgeber seine zahnärztliche Tätigkeit nicht mehr fortsetzen kann oder will. Manchmal wird erkennbar, dass die Parteien einen schlechten persönlichen Draht zueinander haben. In solchen Fällen macht es wenig Sinn, eine gemeinsame Praxiszeit durchzuführen.
Schwierigkeiten in der Praxis:
In der alltäglichen Umsetzung zeigen sich mitunter Probleme einer Zusammenarbeit. So kann es für Abgeber ein schwieriger Schritt sein, die Stellung als Chef aufzugeben und die Rolle eines Angestellten einzunehmen. Umgekehrt kann die Entwicklung des Übernehmers von einem Angestellten zu einem allverantwortlichen Chef genauso schwierig sein. Hier müssen beide Seiten bereit sein, sich in die jeweils neue Rolle angemessen einzufinden und sich wechselseitig zu unterstützen. Im Idealfall werden die neuen Rollen gemeinsam dem Personal vermittelt. Gelingt dies nicht, treten Reibereien auf, die bisweilen nicht nur den Mitarbeitern, sondern auch dem Patientenstamm bekannt werden. In diesem Fall hat die gemeinsame Zeit nicht nur ihr Ziel verfehlt, sondern es ins Gegenteil verkehrt.
Fazit
Die größten Schwierigkeiten respektive Argumente gegen eine gemeinsame Praxiszeit liegen in den persönlichen Strukturen der Beteiligten und deren etwaiger Inkompatibilität. Da sich beide Seiten ihre Position schon zu einem Zeitpunkt rechtsverbindlich sichern wollen und müssen, an dem die Phase der „warmen Hand“ noch nicht einmal begonnen hat, ist es unerlässlich, vertragliche Regelungen für den Fall des Scheiterns zu treffen.
Beide Seiten müssen wissen, dass die „warme Hand“ lediglich ein Versuch ist, die immateriellen Praxiswerte optimal zu übertragen. Das klappt nicht immer. Zumeist lohnt es sich aber, den Versuch anzugehen. Wenn die warme Hand gelingt, stellt dies meines Erachtens die ideale Umsetzung der Praxisübergabe für den Abgeber, für den Übernehmer und regelmäßig auch für die Patienten dar.
Carsten Wiedey, Fachanwalt für Medizinrecht,www.arztanwalt.com