Liquiditätsprobleme in der Zahnarztpraxis

Den Überziehungskredit nicht überreizen

Michael Vetter
Eine scheinbar bequeme „Lösung“ bei finanziellen Engpässen ist die Ausdehnung des Überziehungskredits. In absehbarer Zeit sollte es aber gelingen, zum Normalbetrieb zurückzufinden – sonst kann es sehr ungemütlich werden.

Es war eine äußerst langwierige und knifflige Angelegenheit, die sowohl bei Gerhard M., einem Zahnarzt aus Hessen, als auch bei seiner Hausbank, der örtlichen Volksbank, ein hohes Maß an Zugeständnissen erforderte. Die wesentliche Ursache dieser Entwicklung war die Inanspruchnahme des Überziehungskredits von M., die sich von 30.000 Euro vor etwa zwei Jahren auf ein zwischenzeitliches Niveau von rund 70.000 Euro erhöht hatte. Waren es zunächst „vorübergehende Liquiditätsprobleme“, wie M. dem damals für ihn zuständigen Bankmitarbeiter versicherte, wurden bis vor Kurzem sogar Praxisinvestitionen mithilfe des Überziehungskredits zwischenfinanziert.

Wäre es nicht zu einem Beraterwechsel in der Bank gekommen, hätte sich der Kreditbetrag vermutlich noch weiter erhöht. Da der Beraterwechsel offenbar aber auch zu einer sorgfältigen Prüfung des gesamten Kreditengagements von M. führte, kam es daraufhin vor nunmehr knapp zwei Jahren zu diversen – für M. unerfreulichen – Bankgesprächen.

Im Ergebnis räumten die Bankvertreter zwar ein, dass sie durchaus eine Mitverantwortung an dieser Kreditausweitung tragen. Immerhin hatten sie den jeweiligen Kontoüberziehungen zugestimmt. Doch sie ließen keinen Zweifel daran, dass sie einer Umschuldung des Überziehungskredits in ein weitaus zinsgünstigeres Darlehen – der in dieser Situation zweifellos sinnvollsten Lösung – nur unter einer Bedingung zustimmen. M. müsse in den kommenden fünf Jahren Sondertilgungen von jährlich 10.000 Euro leisten. Dieser Punkt wurde vertraglich festgelegt.

Mit diesem Ergebnis war M. zunächst sehr zufrieden. Immerhin konnte er unangenehme Kreditkürzungen ebenso wie eine im Raum stehende Kreditkündigung erst einmal vermeiden. Die sicherlich ambitionierten Sondertilgungen sah er als machbar an, da sowohl die Umsatz- als auch die Ertragsentwicklung der Praxis zum damaligen Zeitpunkt diese Sondertilgungen durchaus zuließen. Die diesbezügliche Zurückhaltung seines Steuerberaters, der die Liquiditätsentwicklung der kommenden Jahre keineswegs so optimistisch einschätzte wie er selbst, beeindruckte M. offenbar nicht. Ebenso wenig sah er sich, wie er heute kleinlaut einräumt, die Formulierungen in seinem neuen Kreditvertrag an, in dem die mit seiner Bank getroffene Vereinbarung wie erwähnt fixiert worden war. Die außerordentliche jährliche Tilgungsrate von 10.000 Euro sollte danach in vierteljährlichen Raten von 2.500 Euro auf ein Sonderkonto verbucht und zum jeweiligen Jahresende dem neu eingerichteten Darlehenskonto von M. gutgeschrieben werden.

Die Existenz der Praxis stand auf dem Spiel

Ging die Rechnung von M. im ersten Jahr noch auf, so gibt es nun im Jahresverlauf des zweiten Tilgungsjahres erneut finanzielle Schwierigkeiten. M. ist wegen zurückgehender Umsätze – vor allem verursacht durch einen Rückgang von Privatpatienten – nicht in der Lage, die vereinbarten Sondertilgungen zu leisten. Umso unangenehmer wurde die Situation, als die Bank um eine Unterredung bat.

Checkliste

  • Dieser Fall zeigt, wie wichtig bei erkennbaren betriebswirtschaftlichen Problemen frühzeitige Gespräche mit dem jeweiligen Kreditgeber sind. Zu diesem Zeitpunkt sind nämlich meist noch konstruktive Lösungen möglich.

  • Verpflichtet sich der Praxisinhaber beispielsweise zu Sondertilgungen seiner Kredite, sollte auch über eine beidseitige und regelmäßige Prüfung und möglicherweise Anpassung einer solchen Vereinbarung nachgedacht und diese gegebenenfalls auch formuliert werden.

  • Ratsam ist ebenfalls, die Bank zu bitten, rechtzeitig zu intervenieren, wenn aus ihrer Sicht Probleme auch nur im Ansatz erkennbar werden.

M. wurde mehr oder weniger deutlich mit einer möglichen Kündigung aller Kreditverträge gedroht, die sogar die Existenz seiner gesamten Praxis infrage gestellt hätte. Diese – durchaus realistische – Konsequenz einschließlich des damit verbundenen Verlusts von Arbeitsplätzen (M. beschäftigt vier Mitarbeiterinnen) führten schließlich doch noch zu einem Vergleich zwischen den Vertrags- und Geschäftspartnern: Während M. eine Bürgschaft in Höhe seiner Gesamtverbindlichkeiten bei sämtlichen Darlehen einschließlich einer Erhöhung des Zinssatzes um immerhin drei Prozent seines inzwischen auf 50.000 Euro reduzierten Überziehungskredits akzeptierte, stimmte die Bank einer Aussetzung der Sondertilgungen für zwei Jahre zu. Danach erwartet sie die Wiederaufnahme dieser Zahlungen von jährlich 10.000 Euro. Ob diese Lösung M. lediglich einen Zeitgewinn oder doch eine nachhaltige Konsolidierung seiner Finanzen bringt, muss sich erst noch zeigen.

Michael Vetter,
Fachjournalist für Finanzen

Michael Vetter

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