Bleaching in der Zahnarztpraxis

Zahnmedizin im Spannungsfeld zwischen Ästhetik und Kosmetik

Robert Sader
,
Roland Frankenberger
Der Wunsch nach Verbesserung der dentalen Ästhetik mittels Zahnaufhellung (Bleaching), der Korrektur von Zahnstellungen mittels Kieferorthopädie, der Zahnform mittels Veneertechnik oder nach chirurgischen Änderungen des Gingivaverlaufs und Botoxbehandlungen zur Verbesserung des oralen Umfelds wird in der zahnärztlichen Praxis immer häufiger vorgetragen. Dies betrifft nicht nur unsere jugendlichen Patienten und die im mittleren Alter, sondern immer mehr auch ältere Patienten, bei denen sich Zahnfarbe und -form ins Unansehnliche geändert haben.

Unsere Gesellschaft wird immer älter. Doch bei aller Anerkennung einer längeren Lebenserwartung ist die „quality of life“ beim Gesunden noch immer mit Abstand am größten. Gerade aber unter den sogenannten „Best Agern“ reicht Gesundbleiben allein immer weniger Menschen in unserer Gesellschaft. Sie wollen zudem auch jung bleiben, wieder jung werden beziehungsweise so jung aussehen, wie sie sich fühlen. Die Grenzen zwischen funktioneller Ästhetik und plakativ zur Schau getragener Schönheit sind dabei fließend und eröffnen ein neues, sehr interessantes Spannungsfeld in der Zahnmedizin.

Es gilt, die Balance zwischen Ästhetik und Kosmetik zu finden.

Die Rechtsprechung gibt vor, dass Bleaching nicht in Kosmetikstudios, sondern nur in der zahnärztlichen Praxis durchgeführt werden darf (Stellungnahme der BZAEK). Wenn dem Patient mit dem Wunsch nach Zahnaufhellung in der zahnärztlichen Praxis vorspricht, können wir uns diesem Wunsch nicht verschließen. 

Wenn die Seele schmerzt, ist der Arzt gefordert 

Prof. Martin Karrer, Theologe an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal, stellt fest: „Wenn die Seele schmerzt, ist der Arzt gefordert“. Das heißt, wenn für unseren Patienten Ästhetik sehr wichtig ist, dürfen wir das Selbstbestimmungsrecht des Patienten nicht negieren.

Primär ist es unsere Aufgabe, den Patienten intensiv über das Wie aufzuklären. Welche Methoden werden beim Bleachen angewandt? Welche Bleachingmethodik ist für unseren Patienten indiziert? Unterliegt diese einer zahnmedizinischen oder einer rein ästhetischen Indikation? Welche negativen Folgen kann eine Zahnaufhellung nach sich ziehen?

Indikation aus zahnmedizinischer Sicht kann zum Beispiel die Aufhellung eines nach endodontischer Behandlung verfärbten Zahnes sein. Bei einer prothetischen Rehabilitation des Kauorgans stehen Funktion und Langlebigkeit im Vordergrund, aber selbstverständlich sind Zahnform und Zahnfarbe wichtige Faktoren, die Berücksichtigung finden müssen.

Bleaching ist vor einer Restauration sinnvoll 

Bei erforderlichen neuen Restaurationen wie Füllungen, Kronen oder bei implantatgetragenem Zahnersatz kann es sinnvoll sein, mithilfe eines Bleachings die Gesamtharmonie vor allem der Zähne im sichtbaren Bereich zu verbessern. Daher werden Bleachings gerade im Vorfeld neuer restaurativer Maßnahmen oft mit großem Erfolg eingesetzt.

Ein gutes und effektives Bleaching setzt eine saubere Zahnoberfläche ohne Biofilmauflagerung voraus. Es sollte vorher eine umfassende zahnärztliche Prophylaxebehandlung durchgeführt werden. Kariöse Defekte und undichte Füllungen müssen primär versorgt werden. Der Patient muss aufgeklärt werden, dass vorhandene Füllungen und Überkronungen die Farbe beibehalten. So kann es zu Farbabweichungen zu den gebleichten Zähnen kommen. Eine fachgerechte Durchführung setzt somit voraus, dass in der zahnärztlichen Praxis gebleacht wird.

Wichtig ist die Aufklärung darüber, dass es sich bei nicht medizinisch indizierten Zahnbehandlungen um eine Verlangensleistung des Patienten handelt. Somit können die Kosten nicht von der GKV oder der PKV getragen werden.

Was wissen wir heute über Zahnaufhellung, die Erfolge, die Risiken und die Dauerhaftigkeit? 

1. Bleaching ist ein komplexes Geschehen mit Interaktion, Diffusion und Oberflächenalteration. Daher ist eine professionelle Supervision durch zahnärztliches Personal unabdingbar, schreibt z. B. das Council on Scientific Affairs der American Dental Association (ADA).

2. Bleaching ist ein sicheres und effektives Prozedere, so lange es nach Herstellerangaben durchgeführt wird. Auch die Langzeitresultate sind sehr gut.

3. Wie bei allen zahnärztlichen Maßnahmen gibt es Risiken. Sehr häufig beobachtet werden Hypersensitivitäten und Gingivairritationen. Diese klingen zwar in der Regel nach der Bleachingperiode ab, verunsichern die Patienten aber oftmals. Auch hier ist Aufklärung sehr wichtig.

Ohne weitere Studien keine Qualitätsstandards 

Welche Aufgaben kommen auf die Zahnmedizin zu? Es ist dringend notwendig, Bleaching als zahnärztliche Behandlungsmethode weiter wissenschaftlich zu unterlegen und evidenzbasierte Daten über Therapiestandards und Therapieoutcome zu gewinnen. Hier hat die Wissenschaft inzwischen auch ihre erste Pflicht erfüllt und sich des Themas angenommen. Moderne Bleachingverfahren werden teilweise schon wissenschaftlich überprüft und darauf basierend weiterentwickelt. Sie sind aus den Kinderschuhen herausgewachsen und funktionieren sicher und erfolgreich, vorausgesetzt, der behandelnde Zahnarzt weiß, was und vor allem wie er es tut. Dringend notwendig sind aber noch weitere Studien zu den notwendigen Qualitätsstandards der verschiedenen Verfahren, um zu zeigen, wie ein Bleaching korrekt durchgeführt werden muss, damit der Patient sein Ziel einer jugendlichen Zahnfarbe nachhaltig erreichen kann, ohne Schaden zu nehmen. 

Es sollte Ziel sein zu belegen, dass Bleaching in die Hand eines erfahrenen Zahnarztes gehört, der dies in Delegation durch eine spezialisierte und ausgebildete Mitarbeiterin durchführen lassen kann. Natürlich begibt sich hier der Zahnarzt quasi automatisch in das Spannungsfeld zwischen Ästhetik und Kosmetik. Aber ist dies verwerflich? Man muss sich dessen bewusst sein und aktiv mit seinem Patienten hierüber kommunizieren und versuchen ihm begreiflich zu machen, was Sinn macht und was nicht. 

Kein Bleaching ohne vorherige Prophylaxe 

Die medizinische Forderung ist, dass Bleaching ohne vorausgehende Prophylaxebehandlung und zahnärztliche Beratung nicht sein darf. Eine zahnärztliche Prophylaxebehandlung ist Voraussetzung für ein medizinisch optimales Bleaching. Dieser enge Zusammenhang von Prophylaxe und Bleaching ist für alle betroffenen Parteien interessant: Zahnärzte/-innen optimieren den Erfolg einer Prophylaxebehandlung und generieren zusätzliche Einnahmen. Der Patient erhält sich nicht nur gesunde Zähne durch die Prophylaxebehandlung, sondern sie erscheinen durch das anschließende Bleaching weiterhin jugendlich und gesund.

Der enge Zusammenhang zwischen Prophylaxe und Bleaching, gerade im Bereich der ästhetischen Zahnmedizin, zeigt damit wieder einmal die Komplexizität der Ästhetik. An einem optimalen ästhetischen Endergebnis sind meistens mehrere Faktoren beteiligt und werden im Wechselspiel miteinander eingesetzt. Die Nachhaltigkeit einer ästhetischen Behandlung der Zahnfarbe lässt sich nur durch drei Faktoren garantieren: eine qualitativ hochwertige Prophylaxebehandlung durch geschulte zahnärztliche Mitarbeiterinnen, ein technisch hochwertiges und zahnärztlich kontrolliertes Bleaching sowie die gute Mundpflege durch den Patienten als Garant jeder erfolgreichen zahnärztlichen Behandlung.

Die DGÄZ ist sich schon lange bewusst, dass erfolgreiche und hervorragende zahnärztliche Arbeit am Patienten nur gemeinsam mit sehr gut geschultem Praxispersonal gelingen kann. Bereits seit fünf Jahren gibt es deshalb Zusatzqualifikationen zur Ausbildung als DGÄZ-zertifizierte Prophylaxe-Assistentin. Die Prophylaxe-Assistentin ist nach einem kompakten Wochenkurs in der Lage, alle Patienten menschlich individuell (hinsichtlich Psyche und Motivation), risikoorientiert (durch ein Recall-System), Zahnmaterial schonend und nach dem gemeinsam festgestellten und besprochenen echten Bedarf zu behandeln. 

Die Patienten spüren diese Kompetenz und sind mit dem erzielten Endergebnis sehr zufrieden:eine nachhaltige Mundgesundheit, die sowohl Gesetzgeber als auch Krankenkassen erfreuen und die Neuerkrankungsraten senken kann. 

Conclusio:

  • Das Bleaching gehört heute zu den üblichen zahnärztlichen Behandlungstechniken. Es wird in vielen Praxen angeboten. Es wird ökonomisch immer wichtiger, denn es baut den Zugang zum sogenannten „Zweiten Gesundheitsmarkt“ weiter auf. Hier handelt es sich um Behandlungen, die der Patient aus eigener Tasche bezahlt. Dies ist für viele Praxen heutzutage essenziell wichtig, um zu überleben.

  • Die Bleaching-Technik folgt von ihrem Wesen her keinem modischen Trend, sondern bedeutet eigentlich die Wiederherstellung der ursprünglichen „jungen“ Zahnfarbe. Das unterscheidet sie von der Gesichtskosmetik, bei der die Gesichtsoberfläche verfremdet und Farbkontraste überhöht werden. Die Wiederherstellung einer jugendlichen, helleren Farbe unterliegt primär keinem Modetrend. Dessen ungeachtet muss jedoch darauf geachtet werden, dass übersteigertes Bleaching schnell in den Bereich der Kosmetik abgleiten kann. Dies darf man nicht außer Acht lassen oder falsch beschönigen.

  • Bleaching basiert auf einem zahnmedizinischen Konzept einer umfassenden Prophylaxe bezüglich Vor- und Nachsorge. Dies beinhaltet, dass es nicht in die Ecke der Kosmetik eingestellt wird.

Prof. Dr. mult. Robert Sader

Präsident der DGÄZ
Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie
Universitätsklinikum Frankfurt am Main
Theodor-Stern-Kai 7, 60596 Frankfurt
R.Sader@em.uni-frankfurt.de

Prof. Dr. Roland Frankenberger

Abteilung für Zahnerhaltungskunde
Universitätszahnklinik der Phillips Universität Marburg
Georg-Voigt-Str. 3, 35039 Marburg 
frankbg@med.uni-marburg.de

Prof. Dr. mult. Robert Sader

Präsident der DGÄZ

Prof. Dr. Roland Frankenberger

Poliklinik für Zahnerhaltungskunde, Medizinisches Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Philipps-Universität Marburg und Universitätsklinikum Gießen und Marburg
Georg-Voigt-Str. 3, 35039 Marburg

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