Obwohl deren Prävalenz in den vergangenen Dekaden offenbar gesunken ist [Holtfreter et al., 2014], gilt die chronische Parodontitis noch immer als eine weltweit hochprävalente Erkrankung [Kassebaum et al., 2014; Holtfreter et al., 2014]. Allein in Deutschland sind über 50 Prozent der 35- bis 44-Jährigen und fast zwei Drittel der 65- bis 74-Jährigen von einer moderaten oder schweren Parodontitis (nach der Definition der Centers for Disease Control / American Academy of Periodontology (CDC/AAP) [Page and Eke, 2007] betroffen [Jordan/Micheelis, 2016].
Der Parodontitis-Risiko-Score – ein Selbsttest
Parodontitis eine der häufigsten chronischen Erkrankungen weltweit. Viele Menschen merken aber nicht, dass sie davon betroffen sind, weil Parodontitis zumeist nicht schmerzhaft ist und erste Anzeichen der Krankheit nicht ernst genug genommen werden. Unbehandelt kann Parodontitis zu Zahnverlust führen und hat damit weitreichende Folgen. Dabei ist Parodontitis gut behandelbar, vor allem wenn die Krankheit frühzeitig erkannt wird. Die DG PARO hat zusammen mit der Universität Greifswald einen Selbsttest entwickelt und validiert, mit dem Sie Ihr eigenes Risiko für das Vorliegen einer Parodontitis einfach einschätzen können.
Die aktuellen DMS-V-Daten weisen in diesem Zusammenhang auf die eigentliche Problematik hin: Zumindest in Deutschland werden präventive Maßnahmen und Parodontalbehandlungen augenscheinlich nur unzureichend in Anspruch genommen [Jordan/Micheelis, 2016; Mund et al., 2016]. Demnach wurde bei 21,8 Prozent der 35- bis 44-Jährigen und bei 22,8 Prozent der 65- bis 74-Jährigen mindestens eine professionelle Zahnreinigung (PZR) innerhalb der vergangenen fünf Jahre durchgeführt. Eine Parodontalbehandlung fand in diesem Zeitraum dagegen bei nur 14,2 Prozent der 35- bis 44-Jährigen und bei 24,5 Prozent der 65- bis 74-Jährigen statt. Eine mögliche Ursache für die mangelnde Inanspruchnahme präventiver und therapeutischer Maßnahmen könnte eine unzureichende Wahrnehmung der eigenen parodontalen Situation seitens der Patienten und damit ein mangelndes Problembewusstsein sein.
Klinische Prädiktionsmodelle und punkte-basierte Risiko-Score-Systeme sind beliebte statistische Mittel, um den Zusammenhang zwischen einem Set aus Risikofaktoren und der Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen beziehungsweise Neuauftreten einer Erkrankung oder unerwünschter Ereignisse darzustellen. Sie erlauben eine objektive Quantifizierung der Erkrankungswahrscheinlichkeit anstelle einer subjektiven, eher intuitiven klinischen Einschätzung auf Basis der vorliegenden Risikofaktoren.
In der kardiovaskulären Medizin werden Prädiktionsmodelle und Risiko-Score-Systeme bereits seit über 50 Jahren verwendet, wobei der Framingham-Risk-Score [Kannel et al., 1961] zur Vorhersage des kardiovaskulären Risikos sicherlich eines der ältesten und am besten weiterentwickelten punktebasierten Risiko-Score-Systeme ist.
Auch in der parodontalen Zahnmedizin wurden jüngst verschiedene Prädiktionsmodelle entwickelt. Die Oral Health Information Suite (OHIS) [Page/Martin, 2007] ist eine Kombination aus einem Disease Score und einem Risk Score, mit der der Verlauf des Parodontalstatus bewertet werden kann. Das Periodontal Risk Assessment (PRA) Tool (die sogenannte „Spinne“) [Lang/Tonetti, 2003] dient der Einschätzung des Risikos eines Rezidivs der Parodontitis und hilft bei der Bestimmung der Recallintervalllänge. Der Dental Risk Score (DRS) ist ein webbasiertes Analysetool, das eine aktuelle Risikobewertung auf Probandenebene sowie eine Voraussage der parodontalen Progression auf Zahnebene ermöglicht [Lindskog et al., 2010].
Neben der Risikoeinschätzung für ein zukünftiges Erkrankungs- oder Rezidivrisiko können solche Modelle auch der Einschätzung einer (gegenwärtigen) Erkrankungswahrscheinlichkeit dienen. In der Inneren Medizin werden sie etwa zur Risikoeinschätzung für Diabetes beziehungsweise Prä-Diabetes genutzt. (Deutscher Diabetes-Risiko-Test [Paprott et al., 2016]).
Basierend auf dem von Zhan et al. 2014 entwickelten und umfangreich validierten Diagnose-Modell für eine moderate oder schwere Parodontitis (nach der CDC/AAP-Definition [Page/Eke, 2007]) stellen wir hier ein punktebasiertes Risiko-Score-System vor, das die Patienten unabhängig von der Erhebung klinischer Befunddaten anwenden können. Sowohl die interne als auch die externe Validierung des Parodontitis-Risiko-Scores erfolgt anschließend anhand der populationsbasierten Studies of Health in Pomerania (SHIP-0 und SHIP-Trend-0). Patienten können so ihr Risiko einer aktuellen moderaten oder schweren Parodontitis selbst berechnen. Mithilfe einer Farbcodierung (von blau zu rot) können sie dann selbst entscheiden, ob ein Besuch beim Zahnarzt oder Parodontologen notwendig ist.
Darstellung
Das Risiko-Score-System ist in Tabelle 2 ausführlich dargestellt. Für die einzelnen Variablen sind die möglichen Kategorien und die entsprechenden Score-Werte aufgelistet. Für die SHIP-0-Daten ergab sich eine annähernde Normalverteilung der Score-Werte (Abbildung 1). Die minimale Gesamtpunktzahl ist null, die maximale Gesamtpunktzahl ist 20, der Median liegt bei sieben (Q25-Prozent = fünf; Q75-Prozent = zehn).
Die Wahrscheinlichkeit einer Parodontitis in Abhängigkeit vom Risiko-Score ist in Abbildung 2 dargestellt. Mit einem steigenden Risiko-Score nimmt auch die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Parodontitis zu (moderat oder schwer, nach CDC/AAP-Definition). Für einen Probanden mit einem Risiko-Score von null liegt die Wahrscheinlichkeit bei 3,8 Prozent, mit einem Risiko-Score von sieben bei 57,5 Prozent. Das höchste Risiko hätte ein Proband mit einem Risiko-Score von 20 (99,9 Prozent).
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