Interview mit Prof. Ralph Luthardt

„Es macht über alles Sinn, dieses Thema jetzt anzugehen!“

Im Koalitionsvertrag steht die zahnärztliche Approbationsordnung (ZApprO) wieder drin, aber nicht alle sind mit der 15 Jahre alten Novelle glücklich. Prof. Ralph Luthardt ist Präsident der Vereinigung der Hochschullehrer für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (VHZMK) – und für die Umsetzung.

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Der im vergangenen Jahr in der entscheidenden Sitzung des Bundesrats zurückgestellte Entwurf der zahnärztlichen Approbationsordnung, wurde im Kreis der Hochschullehrer durchaus sehr kritisch diskutiert. Dennoch hat sich die VHZMK schlussendlich für den Entwurf ausgesprochen. Was waren aus Ihrer Sicht die Gründe dafür?

 

Prof. Ralph Luthardt:Der Beschluss der Vereinigung der Hochschullehrer für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde ist auf der einen Seite ein klares Bekenntnis zur Approbationsordnung. Auf der anderen Seite macht er aber noch einmal sehr deutlich, dass es ohne eine adäquate finanzielle Ausstattung nicht funktionieren kann. Es klang ja in den Diskussionen im Vorfeld durchaus so an, dass „die Hochschulen sich bitte mal nicht so haben sollen, die werden das schon hinbekommen“. Da muss man ehrlich sein: Man kann nicht erwarten, dass die Assistenten, die dann in die Praxis gehen, auf einem hohen Niveau ausgebildet werden, und andererseits sagen, dass die Universitäten die damit einhergehenden Kostensteigerungen einfach so auffangen werden. Das kann nicht aufgehen! Die Hoffnung, die Approbationsordnung nur schnell zu bekommen, ohne im Zweifelsfall finanzielle Zugeständnisse zu machen, fällt dem ganzen Berufsstand auf die Füße. Und das ist auch nicht lösbar.

 

Was sind aus Ihrer Sicht die relevanten Aspekte – positiv wie negativ – im Entwurf der neuen Approbationsordnung?

 

Ganz klar die verbesserte Betreuungsrelation für die studentische Ausbildung, insbesondere nutzbar im klinischen Studienabschnitt. Dies entspricht im Übrigen auch der vollkommen veränderten Wahrnehmung der Patienten heutzutage. Denn die Patienten erwarten auch in einem Studierendenkurs eine Betreuung, die letztlich nicht so viel anders ist als in einer guten Praxis. Das geht nicht mehr wie früher, als man sagte, ‚Sie bekommen Ihre Prothese ja günstig und dafür müssen Sie halt ein bisschen warten‘. Vielmehr erwarten die Patienten an dieser Stelle die gleiche Versorgungsqualität und sind deutlich weniger bereit als früher, Zugeständnisse zu machen. Ebenfalls positiv sind für mich persönlich die interdisziplinären Kurse.

Um den kritischen Aspekt zu thematisieren: In der vorgesehenen Einheitlichkeit von Vorklinik Medizin und Zahnmedizin sehe ich eher Nachteile. Denn das viel zitierte ‚Mehr Medizin in der Zahnmedizin‘ ist nicht im vorklinischen Studienabschnitt anzusiedeln, sondern im klinischen Studienabschnitt. Aber über alles betrachtet muss man festhalten – und dies ist ein Stück weit die politische Position –, dass wenn wir jetzt nicht weiterkommen, wir es immer schwerer haben werden, uns besser aufzustellen. Dies sage ich insbesondere vor dem Hintergrund, dass der vorliegende novellierte Entwurf auch bereits 15 Jahre alt ist.

 

Zudem steht ja die Befürchtung im Raum, dass – wenn es jetzt nicht gelingt, die neue Approbationsordnung zu verankern – die Ausbildung der Zahnärzte als Teil des Masterplans Medizinstudium 2020 geregelt werden könnte. Unterstellt, dieses Szenario würde in der Politik tatsächlich verfolgt werden, welche Auswirkung würden Sie dann für die zahnärztliche Ausbildung an den Universitäten befürchten?

 

Das ist sehr schwer vorhersagbar. Das Zeitfenster ist, glaube ich, deutlich größer als 2020 – ein Argument dafür, jetzt etwas für die novellierte Approbationsordnung zu tun. Die politische Intention der Agenda 2020 ist nachvollziehbar mehr Hausärzte, weil dort ein Versorgungsengpass besteht. Allerdings berücksichtigt der Masterplan für mich überhaupt nicht den Aspekt, dass wir in Deutschland die Situation haben, dass jeder selber darüber entscheidet, ob er Anästhesist oder Chirurg – wohlgemerkt auch immer weiblich – beziehungsweise Hausarzt wird. Diese ganze Diskussion Agenda 2020 mit der Fokussierung auf die Allgemeinmedizin bereitet mir alleine rechtlich und politisch Bauchschmerzen.

Die Fokussierung auf den versorgungspolitischen Aspekt wird die Zahnmedizin deutlich hintanstehen lassen, weil aus Sicht der Politik die Zahnmedizin erfreulicherweise kein Thema ist. Die Politik sagt ja auch: ‚Eigentlich haben wir in der Zahnmedizin versorgungstechnisch kein Problem‘ – was ja letztendlich ein Kompliment an uns alle ist. Aber in der spezifischen Situation wird’s nachteilig, denn wenn man kein Problem hat beziehungsweise nicht als Problem gesehen wird, dann gibt es auch keinen Druck, für unsere Spezifika etwas zu verändern.

 

Noch einmal zurück zur Situation unter den Hochschullehrern. Der Entwurf zur neuen Approbationsordnung hat die Gewichtung der einzelnen Lehrteile deutlich verändert. Insofern gab es in Teilen heftige Kritik, gerade aus der Prothetik. Inwieweit sind sich die Hochschullehrer doch wieder einig geworden oder gibt es noch größere Meinungsverschiedenheiten bezüglich des Entwurfs der ZApprO?

 

An der Stelle merkt man, dass der Approbationsordnungsentwurf 15 Jahre alt ist und noch sehr stark aus der Überlegung (von damals) stammt, dass man mit verbesserter Prävention weniger zahnärztlichen Therapiebedarf hat. Dies bezog sich auf den prothetischen, aber eben auch auf den parodontologischen Therapiebedarf. Ich denke aber, dass eine vernünftig funktionierende Fakultät sehr wohl in der Lage ist, dies im fairen Umgang sinnhaft auszutarieren. Das löst sich auch schlicht und einfach dahingehend, dass für Krankheitsbilder, die seltener werden, auch weniger Patienten für die Versorgung respektive Therapie gewonnen werden können. Insofern muss man sich auch die Frage stellen, ob das Ausmaß der Regulierung und der Vorgaben im Rahmen der Prüfung, die ja in der Novelle letztlich drinstehen, an allen Stellen immer sinnvoll sind – bis zu dem aus meiner Sicht auch juristisch nicht ganz einfachen Punkt, dass Kinder für Prüfungen eingeteilt werden, wo eine Zustimmung beider Elternteile vonnöten ist. Wir reden hier davon, dass letztlich nicht selbst entscheidungsberechtigte Patienten plötzlich Bestandteil einer Prüfung werden. Da habe ich persönlich ein ungutes Gefühl. So sinnvoll ich den Aspekt auch einschätze, dass Kinderbehandlung durch Studierende an der Stelle auch Bestandteil der klinischen Lehre sein muss.

Das sind natürlich zwei vollständig losgelöste Aspekte. Aber hier ist die Approbationsordnung teilweise auch eigentümlich, weil das Ausmaß der Regulierung in einzelnen Abschnitten sehr unterschiedlich ist. Gerade im Bereich der Prüfung und hier bei den Aspekten, die dezidiert geprüft werden müssen, könnte das durchaus dazu führen, dass die Vorgabe gar nicht umsetzbar ist. Daraus resultieren letztlich irgendwelche Prüfungen am Phantom, um diese Leistung pro forma zu erfüllen. Und das macht natürlich wenig Sinn.

 

Gab es bei den politischen Gesprächen, die sie führen konnten und die ja auch Ihre Kollegen geführt haben, Fragestellungen, die die Politik besonders häufig an Sie herangetragen hat? Die steigenden Ausbildungskosten für angehende Zahnmediziner waren bei den Zuständigen in den Bundesländern wie auch in der universitären Öffentlichkeit ein Thema.

 

Seitens der Politik ist ganz klar akzeptiert, befürwortet und auch als Stärke der Zahnmedizin gesehen, dass im Rahmen des Zahnmedizinstudiums am Patienten ausgebildet wird. Dass die Betreuungsrelation dafür verbessert werden muss, ist politisch akzeptiert, zumindest ganz eindeutig auf der Ebene der Kultusministerien. 

 

"Wenn man anfängt, einzelne Bausteine zu verändern, wird man das Gesamtkonstrukt nicht verbessern."

Dementsprechend spielt auf dieser Ebene der Versorgungsaspekt eine deutlich kleinere Rolle. Was politisch gut vermittelbar war, ist der Aspekt der Demografie und die daraus folgende Tatsache, dass die Approbationsordnung eben den Aspekt des älter werdenden Patienten mehr berücksichtigen muss. Das betrifft neben dem Zahnersatz auch die parodontologische Versorgung und geht bis hin zur Betreuung gehandicapter bis pflegebedürftiger Patienten.

Wir dürfen aber nicht außer Acht lassen, dass es an dieser Stelle „nur“ darum geht, die entsprechenden theoretischen Kenntnisse zu vermitteln und die ersten Erfahrungen in diesem Bereich möglich zu machen. Es kann ja kein Politiker, kein Mensch im politischen Business erwarten, dass man in einem fünfjährigen Studium dezidierte Detailerfahrungen in der Behandlung sehr betagter Patienten sammeln kann. Aber dass diese Thematiken bearbeitet werden, ist wichtig. Insofern ist der Präventionsbegriff, der – noch – in der vorliegenden Novelle greift im Vergleich zu dem, was wir heute darunter verstehen, schon lange nicht mehr deckungsgleich.

 

Sie haben mehrfach betont, dass der Entwurf der ZApprO bereits 15 Jahre alt ist. Da liegt es durchaus nahe, dass Forderungen aufkommen, das Paket wieder aufzuschnüren und zu ergänzen.

 

Es ist eine bewusste politische Entscheidung der VHZMK, im Wissen um die Schwächen des vorliegenden Entwurfs zu sagen, dass es über alles Sinn macht, dieses Thema jetzt anzugehen. Wenn man anfängt, einzelne Bausteine zu verändern, wird man damit das Gesamtkonstrukt nicht verbessern. Auch das hat die Diskussion im Kreis der VHZMK gezeigt, nämlich, dass die jung berufenen Hochschullehrer wenig Bezug zu dieser Approbationsordnung haben, weil sie aus deren Sicht gefühlt schon wieder aus der Vergangenheit stammt. Das ist fachlich und inhaltlich durchaus nachvollziehbar.

Aber ich habe politisch auch lernen müssen, dass man mit den gegebenen politischen Situationen gestaltend umgehen muss. Die Frage lautet nämlich: Was können wir tatsächlich umsetzen? Dann müssen wir versuchen, das Beste daraus zu machen. Deshalb ist die geplante Novellierung der Approbationsordnung eben ein Schritt in die richtige Richtung. Erst dann kommt die Frage, was man im Rahmen einer potenziellen Agenda Medizin 2020 tun kann. Aber jetzt erst einen Teil aufzuschnüren, dass macht keinen Sinn.

Es ist ein gefundener Kompromiss und zu dem Kompromiss stehen an der Stelle auch die Hochschullehrer der VHZMK, und deswegen werde ich da auch nicht anfangen, einzelne Bausteine herauszuziehenn

 

Prof. Ralph Luthardt ist Ärztlicher Direktor der Klinik für Zahnärztliche Prothetik des Zentrums für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde des Universitätsklinikums Ulm und Präsident der Vereinigung der Hochschullehrer für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (VHZMK).

 

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