Dental International Aid

Referent in einer völlig anderen Welt

In vielen Ländern haben Zahnärzte keine Möglichkeiten, ihr Fachwissen zu erweitern. Tobias Bauer von der Organisation DIANO erzählt, warum es sich lohnt, in Kuba Hilfe zu leisten - als Fortbildungsreferent!

Besonders zur Universitätszahnklinik in Manzanillo - genauer zur Universidad de Ciencias Médicas de Granma Celia Sánchez Manduley - haben wir in den letzten Jahren sehr intensive Kontakte aufgebaut, unter für alle Beteiligten sehr positiven Vorzeichen.

Allein die Fahrt ins wirklich sehr abseits gelegene Manzanillo in der Provinz Granma benannt nach dem Schiff, mit dem einst die kubanischen Revolutionäre vor über 60 Jahren gelandet waren, ist bereits ein Abenteuer. Gut und gerne vier Stunden ist man vom Flughafen Holguin über holprige Landstraßen durch endlose Zuckerrohrfelder unterwegs, bis man am Ziel ankommt.

Noch immer beherrschen die Kutschen das Straßenbild

Es ist wahrlich eine Zeitreise, denn hier sind die Uhren vor über 100 Jahren stehengeblieben. Noch immer beherrschen die Kutschen das Straßenbild: hochrädrige Planwagen oder offene Chaisen mit breiten Ledersitzen: Erwachsene zahlen für eine Wegstrecke 8 Cent, Schüler und Studenten die Hälfte. Nicht fehlen dürfen die kubanischen Oldtimer, auch wenn sie in diesem Zipfel eher nicht ganz so häufig vorkommen. Statt auf Gegenverkehr trifft man bei einer Überlandfahrt eher auf Ziegen. Die Eindrücke, die uns für die Mühen entlohnen, sind einzigartig.

Die Wertschätzung ist mit den Händen zu greifen

Auch die Freundlichkeit, mit der man empfangen wird, hat eine besondere Note. Es ist mit den Händen zu greifen, dass man als ausländischer Referent eine besondere Wertschätzung erfährt, und dies wirkt sehr motivierend. Fortbildungsveranstaltungen finden in Kuba in der Regel mitten in der Woche statt, und nicht wie bei uns eher am Wochenende, schließlich ist den so gut wie ausnahmslos angestellten Zahnärzten das Wochenende heilig, was bei der nicht gerade üppigen Entlohnung nur zu gut nachvollziehbar ist.

So haben wir die Einladung für die "Mediteces", zum "V. Simposio de las Ciencas Médicas de Granma" gerne angenommen. Gleich zwei Referenten aus Deutschland beteiligt: Dr. Holger Gerlach aus Öhringen, der eine gut dokumentierten Fallvorstellung parodontal stark geschwächter Zähne präsentierte und ich mit Einsteigerkonzepten für Implantatversorgungen.

Beeindruckend: eine Weisheitszahnoperation nur unter Hypnose

Für den Gasthörer ist die Themenvielfalt eine sehr interessante Abwechslung. Die bei uns üblichen Vorträge findet man in Kuba weniger, dafür wird fachübergreifend referiert. Besonders als Gast freut man sich über Beiträge, die auch Themen wie Sexualmedizin oder die Innere streifen. Besonders interessant sind aber Vorträge zur Naturmedizin in der Zahnheilkunde - in Kuba durch die Blockade ein wichtiges Thema, das auch unsere Neugier weckt.

Beeindruckend war der Livebericht von einer Weisheitszahnoperation, die nur unter Hypnose und ohne Anästhesie durchgeführt wurde. Dagegen wirkten unsere Beiträge eher profan: Erhaltung von kompromittierten Zähne und Aufbau eines zweckmäßigen Implantatkonzepts.

Sehr angenehm ist das reichhaltige Kulturprogramm: Für jeden Abend hatten sich die Gastgeber etwas anderes ausgedacht und immer stand die Musik im Mittelpunkt. Wer sich für karibische Klänge im Stil des Buena Vista Social Club begeistert, bekam hier ein Highlight nach dem anderen serviert. Insgesamt geben sich die Gastgeber jedes Mal viel Mühe, ihren Besuchern so viel wie möglich vom Land zu zeigen.

Einmalhandschuhe hängen zum Trocknen an der Leine 

Neben den kulturellen Sehenswürdigkeiten stehen die Besuche in Gesundheitseinrichtungen im Vordergrund. Auch diese Führungen waren auf ihre Art beeindruckend und so manches mal ertappt man sich beim Gedanken, was wohl bei einer Begehung nach deutschen Maßstäben in Kuba festgestellt werden würde ... Ohne Improvisationstalent wird man hier den Klinikalltag nicht überstehen. Die Kontraste sind immens, wenn man etwa die zum Trocknen an der Leine hängenden Einmalhandschuhe sieht, oder den Sterilisator, der mehr an einen russischen Panzermotor erinnert ...

Ein Besuch in einer ganz anderen Welt

Die Klinikführungen stellen sich als Besuch in einer ganz anderen Welt dar und man empfindet sehr viel Respekt, und genau deshalb verdienen die Kolleginnen und Kollegen, die dort unter erschwerten Bedingungen arbeiten, unsere uneingeschränkte Solidarität.

Die nächsten Teilnehmer an Kongressen in Kuba stehen bereits fest, doch weitere Veranstaltungen sind bereits in Planung, so dass Referenten, die sich für einen ehrenamtlichen Einsatz begeistern können, immer wieder die Möglichkeit haben, international Erfahrungen zu sammeln. 

Zuhören ist gefragt, und dies sehr genau!

Zuhören ist gefragt, und dies sehr genau!

Genauso unterschiedlich wie die Länder sind die Bedürfnisse an Unterstützung. Zahnärztliche Hilfe kann durchaus auch bedeuten, die einheimischen Kolleginnen und Kollegen vor Ort zu unterstützen und eigene Bedürfnisse und Herausforderungen in der Form einer flinken Zange auch mal zurückzustellen.

Jeder wissenschaftliche Beitrag, jeder Vortrag  ist ein Highlight

Selten ist die Ausbildung, die einheimische Zahnärzte vor Ort erfahren, der unsrigen ebenbürtig. Zudem fehlt es oftmals an Möglichkeiten zur Weiterqualifikation, vom Besuch eines internationalen Fachkongresses gar ganz zu schweigen, denn die Kosten dafür verschlingen oft mehrere Monatsgehälter. Deshalb ist jeder wissenschaftliche Beitrag, jeder Vortrag und jedes Symposium ein Highlight in dem jeweiligen Land. Diese Form der Gastgeschenke und werden sehr geschätzt!

Dank der guten Kontakte in verschiedenen Länder kann das Dental International Aid Network (DIANO) nun schon seit einigen Jahren Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland als Referenten gewinnen für gemeinsame Symposien, Einzelvorträge, aber auch für die Teilnahme an Kongressen.

Zuhörer und Referenten profitieren von der Initiative

Für die Zuhörer sind Beiträge von ausländischen Gästen etwas ganz Besonderes, doch auch die Referenten selber profitieren von dieser Initiative, sind sie doch ausnahmslos von der gastfreundlichen Atmosphäre sehr angetan und kommen zudem mit einer Vielfalt neuer Eindrücke zurück. Die Vorbereitungszeit ist gut investiert, wobei der persönliche Lerneffekt für die Referenten selbst nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, erlebt man doch in jedem Fall eine völlig neue Atmosphäre.

Einen großen Bedarf an internationalen Gastdozenten hat Jamaika, denn die zahnmedizinische Ausbildung im Lande ist mehr oder weniger aus einer Privatinitiative entstanden und auch heute noch weitgehend auf sich selbst gestellt. Dabei kommt die Landessprache Englisch den Gästen sehr entgegen.

Überraschenderweise ist auch Kuba ein begeisterungsfähiges Vortragsland: Die Referenten sind ausgesprochen angetan von den vorgefundenen Bedingungen im Land, wobei die überaus großzügige Gastfreundschaft zum Gesamteindruck beiträgt. Vorgetragen wird meist in Englisch, aber für Deutsch gibt es Dolmetscher und einige haben sich auch schon an einen Vortrag in der Landessprache Spanisch gewagt.

Tobias Bauer, Singen

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