Zahnmedizinische Prävention in der Pflege

Kein Erfolg ohne die richtige Schulung

Die jahrelangen Bemühungen der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) und der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), Politik und Krankenkassen vom dringenden Handlungsbedarf der zahnmedizinischen Prävention und Behandlung von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen zu überzeugen, hatten Erfolg: Ihr Anspruch auf zahnmedizinische Prävention und Aufklärung ist in 22a SGB V gesetzlich verankert, seit dem 1. Juli 2018 gültig und schließt Menschen in Pflegeheimen oder in häuslicher Pflege ebenso ein wie von ambulanten Pflegediensten oder in der Zahnarztpraxis betreute Menschen.

Nachdem 2013 die „aufsuchende zahnärztliche Betreuung“ für sozialversicherte Patienten eingeführt und 2014 durch das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz (PNG) der Kreis der Anspruchsberechtigten um Menschen mit Demenz und psychischen Erkrankungen oder mit einem Pflegegrad nach § 15 SGB XI erweitert wurde, hat sich die Anzahl Pflegebedürftiger bereits auf über 2,9 Millionen erhöht. Dazu zählen aber auch Versicherte, die Eingliederungshilfen nach § 53 SGB XII erhalten, so dass die Gesamtzahl der Anspruchsberechtigten auf zahnärztliche Prävention nunmehr circa 3,8 Millionen beträgt. 

Nicht nur Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen sollen mit den präventiven Maßnahmen vertraut gemacht werden, sondern auch alle Pflegekräfte (einschließlich der pflegenden Angehörigen und der Mitarbeiter ambulanter Pflegedienste). Ohne deren aktive tägliche Mithilfe ist ein nachhaltiger Erfolg, das heißt eine verbesserte Mundgesundheit der Anspruchsberechtigten, kaum denkbar. 

Um es vorweg zu sagen: Das Ziel, mehr Mundgesundheit bei Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen zu erreichen, ist kein fachlich-wissenschaftliches, sondern ein organisatorisch-finanzielles Problem. 

Es ist davon auszugehen, dass weder die Pflegekräfte in Alten- und Pflegeheimen oder der ambulanten Pflegedienste noch die pflegenden Angehörigen über Kenntnisse der angestrebten zahnmedizinischen Prävention zur Vermeidung von Karies und Parodontopathien sowie zur notwendigen Pflege von herausnehmbarem, kombiniertem oder herausnehmbar/festsitzendem Zahnersatz haben. Unter diesem Gesichtspunkt sind nicht nur Schulungen der Pflegekräfte notwendig, sondern gleichzeitig die Bereitstellung entsprechender Schulungsunterlagen. Darüber hinaus sind für die „Mundgesundheitsaufklärung“ und Motivation zur Eigenhilfe der Pflegebedürftigen ebenfalls Pflegemittel erforderlich, die zur Mund-, Zahn- und Prothesenpflege besonders geeignet sind und die tägliche Arbeit der Pflegekräfte entlasten. 

Die Initiative Handicap 

Unter dem Namen „Initiative Handicap“ und basierend auf den Erfahrungen bei der Einführung von Schulungen und Materialien zur Gruppenprophylaxe in Westfalen-Lippe wurden zur notwendigen Mundhygiene und Prothesenpflege Schulungsmaterialien für die Pflegekräfte entwickelt, die längst überfällig sind, da ein Großteil der Pflegebedürftigen auf die Mithilfe oder gar auf die völlige Übernahme der Mund- und Prothesenpflege durch Pflegepersonal angewiesen ist. Auf die vorgeschlagene verbesserte Ausbildung der Pflegekräfte im Rahmen einer seit 2013 in Aussicht gestellten „Pflegereform“ zu warten, ist momentan weder zielführend noch hilfreich. Selbst wenn bei einer dreijährigen Ausbildung an drei Tagen das Thema Zahnmedizin in die Lehrpläne aufgenommen wird, ist erst nach über einem Jahrzehnt mit einer möglichen Verbesserung zu rechnen, um in allen Stufen und für alle Beteiligten die Einführung der Prävention für Pflegebedürftige zu unterstützen und zu erleichtern. 

Dabei ist die Forderung zur notwendigen Schulung von Pflegekräften beileibe nicht neu – und ihre positive Wirkung hinreichend belegt: In einer Pilotstudie des Departments für Pflegewissenschaften der Universität Witten/Herdecke wurde festgestellt, dass eine Schulung des Pflegepersonals zur Mundgesundheit bereits nach mehreren Wochen zu einem deutlich verbesserten Pflegezustand im Mundbereich führte und Zahnbeläge erheblich reduziert waren. Auch die Prothesen der Bewohner waren besser gepflegt als bei der nicht geschulten Vergleichsgruppe. 2005 wurde eine Studie der Münchner Zahnärzte und der AOK Bayern zur Verbesserung der Versorgung in Pflegeheimen durchgeführt. Im Fazit der Studienergebnisse heißt es: „[...] in enger Kooperation mit dem Pflegepersonal ist dieses in die Lage zu versetzen, die tägliche Zahn-, Mund- und Prothesenpflege durchzuführen. Voraussetzung dafür seien Schulungsmaßnahmen, Sensibilisierung und praktische Anleitung.“ 

Auch K. D. Bastendorf hält eine generelle Schulung der Pflegekräfte mit zwei Grundseminaren zu den Themen „Allgemeine Zahnerkrankungen“, „Zahnerkrankungen im Alter“ und „Altersgerechte häusliche und professionelle Prävention“ für geeignet, die Mundgesundheit der Pflegebedürftigen nachhaltig zu verbessern. Für Menschen mit Behinderungen wurde 2005 in Berlin ein Mundgesundheitsprogramm initiiert und durchgeführt, um Betreuer von Wohneinrichtungen zu motivieren und fortzubilden. Die Wirksamkeit des Programms wurde 2008/09 und 2013/14 untersucht – und festgestellt, dass nachhaltige positive Verhaltensänderungen der Mundhygienemaßnahmen bei Erwachsenen mit Behinderungen eingetreten waren, was gleichzeitig auch ihre Lebensqualität verbesserte. 

Die Mundgesundheitsaufklärung kann nach dem Zahnheilkundegesetz (ZHG) an qualifizierte Mitarbeiterinnen, wie an eine ZMP, eine ZMF oder eine DH delegiert werden (nicht an Auszubildende!). Das hat auch Kollege Elsäßer, Referent für Behindertenzahnheilkunde erkannt und stellt mit Recht fest: „Da es sich bei den neuen Leistungen teilweise um delegierbare Leistungen handelt, müssen wir auch unbedingt unsere Mitarbeiterinnen schulen.“

Fazit 

Die Einbeziehung der Pflegekräfte zur verbesserten Mundgesundheitsförderung nach entsprechender Schulung und Motivation hat einen hohen Stellenwert. Das von der Initiative Handicap entwickelte Schulungsmaterial und Hilfsmittel wie die vorgestellte für Pflegebedürftige geeignete Pflegezahnbürste sollen den Einsatz in Pflegeheimen vereinfachen und vor allem praktikabler machen, um der großen Anzahl von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen zu mehr Zahngesundheit zu verhelfen und ihren gesetzlichen Anspruch auf Prävention und Aufklärung zu erfüllen. 

Prof. Dr. med. dent. Rolf HinzKörnerstr. 23, 44623 Herneprof.hinz@praxis-hinz.de 

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