Zukunftskongress

Start-up Zahnarztpraxis – die Gründung im Fokus

Kerstin Albrecht
Informationen einholen, Erfahrungen austauschen, netzwerken und lernen von den Älteren: Wenngleich viele Zahnärzte heute länger mit der Niederlassung warten – das Interesse an der selbstständigen Berufsausübung in eigener Praxis ist groß. Das zeigte der von der Bundeszahnärztekammer, dem Verband der Zahnärztinnen – Dentista e.V. und dem Bundesverband der Zahnmedizinischen Alumni in Deutschland e.V. veranstaltete Zukunftskongress auf dem Deutschen Zahnärztetag.

„Der zahnärztliche Nachwuchs ist zum großen Teil weiblich,so wird die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein immer wichtigeres Thema für den Berufsstand“, sagte Prof. Dr. Dietmar Österreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer, zur Eröffnung der Veranstaltung. Der Zukunftskongress könne dabei helfen, Kolleginnen und Kollegen die Entscheidungen rund um die berufliche Selbstständigkeit zu erleichtern, ergänzte Dr. Susanne Fath, Vizepräsidentin von Dentista e.V. bei ihrer Begrüßung. Durch die Veranstaltung führte Sabine Steding, Vorsitzende des BZÄK-Ausschusses Beruflicher Nachwuchs, Familie und Praxismanagement.

Zehn Schritte, die eigene Praxis zu ruinieren

Prof. Dr. Christoph Benz, Vizepräsident der BZÄK, erläuterte zunächst in einem unterhaltsamen Vortrag „Zehn Schritte, die eigene Praxis zu ruinieren“. Die falsche Standortwahl in teuren und konkurrenzstarken Innenstadtgebieten, übertriebene Investitionen in Technik könnten die Wirtschaftlichkeit einer Praxis arg strapazieren. Eine falsche Selbsteinschätzung („Kann ich Chef?“), mangelnde Teamkompetenz, etwa durch die ungerechtfertigte Bevorzugung von Mitarbeitern, oder der Drang, alles selbst zu machen und nicht delegieren zu können, könnten das Arbeitsklima belasten und den Praxisablauf nachhaltig stören. Die zentrale Rolle spielten jedoch unzufriedene Patienten, denn ein schlechter Ruf „bleibe kleben“ und führe in einen Teufelskreis aus hoher Patientenfluktuation und zunehmend notwendig werdendem Praxismarketing. Patienten sollten möglichst lebenslang individuell betreut werden – nachhaltig erfolgreich seien vor allem die Praxen, die die ethischen Grundsätze der Berufsausübung in den Vordergrund stellen und damit zufriedene Patienten haben. Wichtig sei auch ein wertschätzender Umgang mit Kollegen und Mitarbeitern, denn eine gute Patientenbehandlung gelinge nur im Team.

Trotz zahlreicher Möglichkeiten Fehler inder Praxisführung zu machen, konnte Benz die Zuhörer beruhigen: Die Zahlen zeigten, dass eine Praxis in der Realität nur sehr selten scheitert: Die äußerst geringe Insolvenzquote von 0,1 Prozent (2017) belege vielmehr, dass die Niederlassung in einer Zahnarztpraxis in 999 von 1.000 Fällen zum Erfolg führt und eine sichere berufliche Perspektive bietet.

In 999 von 1.000 Fällen ist die eigene Praxis ein Erfolg

Ideal sei es, wenn Niederlassungswillige die „dentale Quadriga“ aus handwerklichem Geschick, akademischer Kompetenz, Spaß und Talent im Umgang mit Menschen und unternehmerischer Begabung in sich vereinen. Wer sich selbstständig machen will, müsse sich allerdings im Vorfeld der Niederlassung ausreichend Zeit für die Planung nehmen, riet Benz.

Was man beim Weg in die Selbstständigkeit alles berücksichtigen muss, demonstrierte die Zahnärztin Rebecca Otto. Sie habe im Vorfeld der Neugründung ihrer Kinder-und-Jugendzahnheilkunde-Praxis einen umfangreichen Businessplan ausgearbeitet. Der sei für jedes Start-up heute selbstverständlich und werde nicht zuletzt für das Kreditgespräch mit der Bank benötigt. Deshalb sollten auch niederlassungswillige Zahnärzte – möglichst in Zusammenarbeit mit einem spezialisierten Steuerberater – einen Businessplan erstellen, riet Otto. Ungünstig dagegen sei es, sich von Vertretern der Industrie oder eines Dentaldepots einseitig beraten und zu rasch und unüberlegt zu einer Praxisgründung drängen zu lassen.

Sie selbst habe im Vorfeld ihr Praxiskonzept präzise definiert und wichtige Fragen vorab geklärt: Welche Größe soll die zukünftige Praxis haben? Wie soll die Raumaufteilung sinnvollerweise sein? Welche Standortfaktoren, zum Beispiel gute Verkehrsanbindung, vorhandene Parkplätze und Barrierefreiheit, brauche ich für meine Praxis? Auch habe sie ihre Investitionskosten im Vorfeld pro Praxisraum und technischer Einheit kalkuliert, so realistisch wie möglich, und die laufenden Betriebskosten fürs erste halbe Jahr nach der Gründung nebst finanziellem Puffer schon in ihre Kreditsumme mit eingerechnet. Denn zu Beginn müsse man nur Rechnungen bezahlen und mache überhaupt noch keinen Gewinn, referierte die heute erfolgreiche Kinderzahnärztin.

Martin Boost, Justiziar der Landeszahnärztekammer Hessen warnte ebenfalls davor, sich von Beratern aus Industrie und Depots drängen zu lassen. Er empfahl, vor der Anmietung von Praxisräumlichkeiten Freunde, die keine Zahnärzte sind, zur Besichtigung mitzunehmen. Diese könnten unbefangen die Patientenperspektive einnehmen und auf eventuelle Problemfaktoren hinweisen. Verträge wie den Kaufvertrag bei einer Praxisübernahme oder den Gesellschaftsvertrag bei Gemeinschaftspraxen sollten angehende Praxisgründer in jedem Fall von einem eigenen Rechtsanwalt prüfen lassen. Auch das Thema Ehevertrag dürften Freiberufler ihren Partnern oder Partnerinnen im Prinzip nicht ersparen, denn im Fall einer Scheidung könne die eigene Existenz von Zugewinn-Fragen abhängen. Boost ermutigte die Zuhörer, sich in Rechtsfragen zunächst an den Justiziar ihrer jeweiligen Landeszahnärztekammer zu wenden. Dieser könne unabhängig und kostenlos erste Fragen klären oder an niedergelassene Kollegen verweisen.

Um die zeitsparende Bewältigung bürokratischer Aufwände ging es beim Vortrag des Schleswig-Holsteiner Zahnarztes und Kammervorstands Dr. Kai Voß und seines Sohnes Maximilian, Weiterbildungsassistent für Oralchirurgie in Witten. In einem Frage-Antwort-Setting erkundigte sich der junge beim erfahrenen Kollegen, wie man im Dschungel der Bürokratie die Orientierung nicht verliert. Schließlich gebe es mittlerweile über 2.800 Seiten gesetzliche Regelungen, hinzu kämen zahlreiche untergesetzliche Vorschriften. Der Papierberg sei gerade für angehende Praxisgründer furchteinflößend.

Doch für fast alle Themen halten die Landeszahnärztekammern Informationsmaterial bereit. Bereits in elf Zahnärztekammern eingeführt ist eine webbasierte interaktive Plattform, das Zahnärztliche Qualitätsmanagementsystem (ZQMS). Zahnärzte können sich dort – in einigen Kammerbereichen kostenlos – registrieren und das umfangreiche Angebot an Informationen, Checklisten, Musterverträgen bis hin zu interaktiven Funktionen wie Terminerinnerungen nutzen. Das funktioniert auch für „kammerfremde“ Zahnärzte, einzige Einschränkung ist hier, dass die Inhalte nur die spezifischen Regelungen im Bereich der anbietenden Kammer abbilden. 

Bürokratie: Der Wahnsinn hat Methode

„Sie haben den ganzen Tag über nur Dinge gehört, die nichts mit Patientenbehandlung zu tun haben.“ So begann Dr. Peter Engel, BZÄK-Präsident, und fügte hinzu, der bürokratische „Wahnsinn hat Methode“. Die Rahmenbedingungen für den Berufsstand veränderten sich heute so rasch, dass es eine große Herausforderung für die Standespolitik sei, zeitnah adäquat zu reagieren. Zusätzlich gerate der Berufsstand durch das EU-Recht unter Druck, das künftig für jede neue berufsrechtliche Regelung einen Nutzennachweis fordert.

In der anschließenden Diskussion forderten etliche Teilnehmer mehr Anstrengungen, um junge Kolleginnen und Kollegen für die Standespolitik zu gewinnen. Ein Fortschritt sei sicherlich, dass der Frauenanteil in der Bundesversammlung in diesem Jahr auf über 20 Prozent gestiegen ist. Engel ermutigte ausdrücklich die Zahnärztinnen, sich standespolitisch zu engagieren.

 Zum Abschluss des Kongresses stellte die Oralchirurgin Dr. Isabel Deckwer, Vorstandsmitglied der LZK Hessen, eine Online-Umfrage des BZÄK-Ausschusses Beruflicher Nachwuchs, Familie und Praxismanagement aus dem Jahr 2018 vor. Darin hatte der Ausschuss bundesweit knapp 300 neu niedergelassene Zahnärzte und Zahnärztinnen nach ihren Erfahrungen bei der Niederlassung gefragt, um den Unterstützungsbedarf durch die Zahnärztekammern zu ermitteln: Knapp 80 Prozent wünschten sich mehr Kenntnisse über Praxisführung und Verwaltung, nahezu 60 Prozent fühlten sich in Rechtsfragen unsicher. Von den Zahnärztekammern hätten sich die Befragten einen Leitfaden zur Timeline der einzelnen Anträge gewünscht, um nicht alles einzeln bei den jeweiligen Stellen erfragen zu müssen. Trotz aller Schwierigkeiten und Anstrengungen rund um die Niederlassung zogen die Befragten ein positives Fazit und ermutigten ihre Kollegen, sich ebenfalls niederzulassen, mahnten aber, sich ausreichend Zeit zu nehmen und unabhängige Berater zu suchen.

Dr. med. dent. Kerstin Albrecht
Medizin-/Dentaljournalistin

10 Tipps junger Niedergelassener für Praxisgründer

  • Frühzeitig mit der Planung beginnen

  • Das Gespräch mit erfahrenen Kollegen suchen, in ein Netzwerk eintreten

  • Vorsicht bei Verkäufern! Nur unabhängigen Beratern vertrauen

  • Genau den Standort analysieren

  • Schon in der Assistenzzeit das ZQMS-Onlinetool durcharbeiten, um sich viele Kenntnisse über QM und Verwaltung anzueignen

  • Ein Führungskräfte-Seminar besuchen

  • Sich frühzeitig um Personal kümmern

  • Fortbildungsangebote zu Themen wie Praxis- und Personalführung, Abrechnung, Rechtsfragen, Versicherungen, QM und Hygiene nutzen

  • Sich an einen Steuerberater wenden

  • Bei Kinderwunsch besser nicht in Einzelpraxis niederlassen

Quelle: Onlineumfrage „Neu niedergelassen“, Bundeszahnärztekammer, 2018.

Dr. Kerstin Albrecht

Medizin-/ Dentaljournalistin
Reiherweg 5
40468 Düsseldorf

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