Die häufigste Ursache für das Versagen von Restaurationen im Seitenzahnbereich ist Sekundärkaries, gefolgt von Frakturen der Zahnsubstanz beziehungsweise des Restaurationsmaterials; bei Füllungen im Frontzahnbereich stehen Frakturen und ästhetische Mängel im Vordergrund [Opdam et al., 2007; Demarco et al., 2017; Eltahlah et al., 2018]. Defekte treten oft lokalisiert auf, während der Großteil der Restauration noch intakt ist. Deshalb sollte bei jeder defekten Restauration geprüft werden, ob sie komplett erneuert werden muss oder durch eine Reparatur, Erweiterung oder Korrektur erhalten werden kann. Von Patienten wird diese Herangehensweise sehr geschätzt [Kanzow et al., 2017]. Der Anteil der Ausbildungsstätten, an denen die Reparatur von Restaurationen Teil des Lehrplans ist, hat sich in Deutschland zwischen 2000 und 2018 von 50 auf 90 Prozent erhöht [Kanzow et al., 2018].
Abb. 1: Kronenrandreparatur mit einem selbstadhäsiven Komposit bei einem 85-jährigen Patienten | Bernd Haller
Reparaturen verlängern die Liegedauer von Restaurationen [Opdam et al., 2012; Fernàndez et al., 2015; Casagrande et al., 2017]. Bei einer Befragung von Zahnärzten in Deutschland war dies das wichtigste Argument (81,4 Prozent) bei der Entscheidung für eine Reparatur; die Schonung von Zahnsubstanz und Pulpa folgte mit einigem Abstand (65,8 Prozent) an zweiter Stelle [Kanzow et al., 2017]. Möglicherweise wird dieser Aspekt, der in der Lehre stärker im Vordergrund steht [Kanzow et al., 2018], in der Praxis unterschätzt. Die Substanzschonung spielt vor allem bei defekten Restaurationen aus Komposit oder Keramik eine Rolle, weil die komplette Entfernung zahnfarbener Restaurationsmaterialien eine erhebliche Ausweitung der ursprünglichen Kavität und eine Reduktion der Restdentinschicht mit sich bringen kann [Krejci et al., 1995]. Die Reparatur einer defekten Restauration ist für Patienten in der Regel kostengünstiger als eine Neuversorgung. Dies war in der erwähnten Umfrage für 58,4 Prozent der befragten Zahnärzte ein Argument für die Reparatur. Der Kostenaspekt dürfte aus Patientensicht noch schwerer wiegen, vor allem, wenn es um Defekte an Inlays, Teilkronen oder Kronen geht.
Abb. 2: Günstiges Aufwand-Nutzen-Verhältnis: Erhalt eines sehr ausgedehnten Goldinlays mit mäßigem Aufwand bei sehr guter Langzeitprognose: a: Zustand nach Eröffnung des okklusalen Randdefekts und Kariesexkavation. | Bernd Haller
Abb. 2: Günstiges Aufwand-Nutzen-Verhältnis: Erhalt eines sehr ausgedehnten Goldinlays mit mäßigem Aufwand bei sehr guter Langzeitprognose: b: fertige Reparaturfüllung. | Bernd Haller
Der Einfachheit halber wird im Folgenden der Begriff „Reparatur“ für alle Korrektur-, Erweiterungs-, Ergänzungs- und Reparaturmaßnahmen verwendet, bei denen ein Reparaturmaterial in Kontakt mit der defekten Primärrestauration gebracht wird. In aller Regel handelt es sich dabei um ein Komposit in Verbindung mit einem geeigneten Haftvermittler. Je nach Ausgangssituation muss entweder nur der Verbund zwischen dem Reparaturkomposit und der Primärrestauration berücksichtigt werden oder zusätzlich die Haftung an Schmelz und Dentin.
Zur Reparatur von Restaurationen gibt es umfangreiche Literatur. Allerdings werden manche Reparaturprozeduren je nach Studie sehr unterschiedlich beurteilt. Verunsicherung herrscht oft auch bezüglich der Frage, ob die adhäsive Vorbehandlung keramischer und metallischer Werkstoffe sich negativ auf die Schmelz- und Dentinhaftung auswirken kann.
Im Vordergrund dieses zweiteiligen Beitrags steht die Reparatur von Restaurationen im Sinne der dauerhaften Wiederherstellung von Form und Funktion. Beim „Reparieren“ wird etwas, das nicht mehr funktioniert, entzweigegangen oder schadhaft geworden ist, wieder in den früheren intakten, gebrauchsfähigen Zustand gebracht [Duden, 2019]. Damit grenzt sich das Reparieren qualitativ vom „Ausbessern“ ab – wird etwas nur ausgebessert (durch Aufsetzen eines Flickens), spricht man von „Flicken“ [Duden, 2019]. Bezogen auf den Umgang mit defekten Restaurationen ist beim Reparieren in der Regel eine differenzierte, auf die Besonderheiten der beteiligten Substrate (Schmelz, Dentin, Silikatkeramik, Oxidkeramik, Edelmetall- und NEM-Legierungen) abgestimmte Vorgehensweise erforderlich. Darauf liegt der Fokus dieses Beitrags. Es gibt jedoch Situationen, beispielsweise in der Behandlung stark kompromittierter Patienten oder beim notfallmäßigen, temporären Ausbessern von Defekten, in denen Kompromisse bezüglich Indikationsstellung und Komplexität des Reparaturprozederes unumgänglich sind.
Entscheidungskriterien
Reparaturen sind grundsätzlich nur sinnvoll, wenn die erforderliche Adhäsivtechnik machbar ist, Funktion und Ästhetik nicht beeinträchtigt werden und ein dauerhaftes Ergebnis erwartet werden kann [Frankenberger, 2012]. Dagegen sollte auf eine Reparatur zugunsten einer Neuanfertigung verzichtet werden, wenn dem Defekt ein systematischer Fehler zugrunde liegt, von dem die gesamte Restauration betroffen ist, wenn die fragliche Restauration multiple Defekte aufweist, wenn Bruxismus die Ursache des Defekts ist oder wenn voraussichtlich keine zufriedenstellenden Approximalkontakte hergestellt werden können [Frankenberger, 2012]. Darüber hinaus gibt es weitere Entscheidungskriterien.
Abb. 3: Akzeptables Aufwand-Nutzen-Verhältnis: Erhalt einer Goldteilkrone mit hohem Aufwand bei guter bis leicht unsicherer Langzeitprognose: a: Zustand nach Darstellung des Defekts am distal-zervikalen Rand durch Entfernung des distalen Restaurationsteils und Kariesexkavation. | Bernd Haller
Abb. 3: Akzeptables Aufwand-Nutzen-Verhältnis: Erhalt einer Goldteilkrone mit hohem Aufwand bei guter bis leicht unsicherer Langzeitprognose: b: fertige Reparaturfüllung.| Bernd Haller
Abb. 4: Potenziell ungünstiges Aufwand-Nutzen-Verhältnis: Erhalt eines MOD-Goldinlays nach Fraktur des palatinalen Höckers mit sehr hohem Aufwand bei unsicherer Langzeitprognose: Mit geringem Mehraufwand hätte nach Entfernung des Inlays der gesamte Defekt mit einer direkten Kompositrestauration mit Höckerersatz versorgt werden können. a: Ausgangssituation. | Bernd Haller
Abb. 4: Potenziell ungünstiges Aufwand-Nutzen-Verhältnis: Erhalt eines MOD-Goldinlays nach Fraktur des palatinalen Höckers mit sehr hohem Aufwand bei unsicherer Langzeitprognose: Mit geringem Mehraufwand hätte nach Entfernung des Inlays der gesamte Defekt mit einer direkten Kompositrestauration mit Höckerersatz versorgt werden können. b: Ersatz des frakturierten Höckers mit Komposit. | Bernd Haller
- Die Defektgröße stellte in einer Umfrage unter deutschen Zahnärzten mit gut 90 Prozent den wichtigsten Faktor bei der Entscheidungsfindung dar [Kanzow et al., 2017]. Grundsätzlich gilt: Je größer der Defekt und damit die Ausdehnung der Reparaturrestauration, desto höher die Anforderungen an die Festigkeit und Beständigkeit der Haftverbunds.
- Die Art der Primärrestauration war in der genannten Studie mit gut 80 Prozent das zweitwichtigste Entscheidungskriterium. Dass Kompositfüllungen von allen Restaurationen mit Abstand am häufigsten repariert werden, liegt vermutlich an der relativ unkomplizierten Durchführung (siehe unten), bedingt durch die Gleichartigkeit von Primär- und Reparaturmaterial. Deutlich seltener werden Reparaturen an Amalgamfüllungen und anderen Metallrestaurationen sowie an Keramikrestaurationen und Kronen durchgeführt. Diese Zurückhaltung könnte in Unsicherheiten bezüglich der Vorbehandlung des jeweiligen Werkstoffs begründet sein. Der zweite Teil dieses Beitrags (zm 4/2020) wird sich daher ausführlich mit den werkstoffspezifischen Vorbehandlungen bei der Reparatur indirekter Restaurationen beschäftigen.
- Die Art der beteiligten Substrate bestimmt die Arbeitsschritte im Rahmen der Adhäsivtechnik. Entscheidend ist, ob an der Reparatur außer dem Restaurationsmaterial auch Zahnsubstanz beteiligt ist. In diesem Fall ist sicherzustellen, dass die Schmelz- und Dentinhaftung durch die Vorbehandlung der Primärrestauration nicht in Mitleidenschaft gezogen wird.
- Einfluss auf die Therapieentscheidung hat auch die Ursache für den Reparaturbedarf. Die Indikation für Reparaturen wird häufiger aufgrund von Frakturen der Zahnhartsubstanz oder der Restauration gestellt als aufgrund von Sekundärkaries [Kanzow et al., 2017]. Dabei haben Reparaturen aufgrund von Sekundärkaries eine bessere Prognose als Reparaturen aufgrund von Frakturen [Opdam et al., 2012].
- Die Lage des Defekts ist zunächst ausschlaggebend dafür, ob die gesamte Reparaturprozedur einschließlich Exkavation, adhäsiver Vorbehandlung und Applikation, Aushärtung und Ausarbeitung des Reparaturkomposits überhaupt machbar ist. Sie bestimmt darüber hinaus, wie stark die Reparaturrestauration durch Kaukräfte belastet wird (okklusale Inlayränder versus bukkale oder linguale Teilkronenränder). Trotzdem nannten nur gut 50 Prozent der befragten Zahnärzte die Lage des Defekts als Entscheidungskriterium [Kanzow et al., 2017]. Sind an der Reparaturstelle auch Schmelz und Dentin beteiligt, stellt sich die Frage, ob die Schmelz- und Dentinhaftung des Reparaturkomposits ausreicht oder ob darüber hinaus ein maximaler Verbund mit der Primärrestauration erforderlich ist.
- Ästhetische Aspekte sind vor allem bei Reparaturen im sichtbaren Bereich zu beachten. Unter Umständen muss ein aufwendigeres Reparaturprozedere gewählt werden, um Verfärbungen entlang des Interface zwischen Primär- und Reparaturrestauration zu vermeiden.
- Für Patienten mit eingeschränkter zeitlicher und körperlicher Belastbarkeit, zum Beispiel aufgrund hohen Alters oder einer Behinderung, ist eine Reparatur oft die bessere Alternative als die komplette Erneuerung, vor allem bei Defekten an Teilkronen und Kronen. Weniger komplexe Verfahren wie Universaladhäsive im Self-Etch-Modus, Glasionomerzemente oder selbstadhäsive Komposite (Abbildung 1) können in solchen Fällen ein akzeptabler Kompromiss sein.
- Die Patientenerwartungen bezüglich Haltbarkeit und Kosten müssen sowohl bei der prinzipiellen Therapieentscheidung als auch bei der Wahl der Reparaturmethode berücksichtigt werden. Je komplexer und aufwendiger das Prozedere, desto höher naturgemäß die Kosten. Das Aufwand-Nutzen-Verhältnis einer Reparatur sollte immer mit dem einer Neuanfertigung verglichen werden, damit nicht mit hohem Aufwand eine kompromissbehaftete Reparatur mit von vornherein ungünstiger Prognose durchgeführt wird (Abbildungen 2 bis 4).
Reparatur von Komposit
Indikationen
Bei defekten Kompositrestaurationen ist die Reparatur gegenüber einer kompletten Erneuerung oft vorteilhaft. Denn entweder gelingt das Herausschleifen des Komposits aus der Kavität nur unvollständig, wodurch an den betreffenden Stellen im Grunde eine Reparatursituation entsteht, oder es wird gesunde Zahnhartsubstanz mit entfernt.
Abb. 5: Korrektur eines zu schwachen Approximalkontakts: a: Ausgangssituation. | Bernd Haller
Abb. 5: Korrektur eines zu schwachen Approximalkontakts: b: Präparation eines Slots in die vorhandene Kompositfüllung mit einem Diamantschleifer (Korngröße mittel oder grob). | Bernd Haller
Abb. 5: Korrektur eines zu schwachen Approximalkontakts: c: Sandstrahlen mit Aluminiumoxidpulver (Korngröße 50 µm), Schutz des Nachbarzahns mit einem Metallstreifen. | Bernd Haller
Abb. 5: Korrektur eines zu schwachen Approximalkontakts: d: Ätzung und Reinigung mit Phosphorsäure. | Bernd Haller
Abb. 5: Korrektur eines zu schwachen Approximalkontakts: e: Applikation des Primers. | Bernd Haller
Abb. 5: Korrektur eines zu schwachen Approximalkontakts: f: Applikation des Adhäsivs. | Bernd Haller
Abb. 5: Korrektur eines zu schwachen Approximalkontakts: g: fertige Reparaturfüllung mit Approximalkontakt.Wir danken dem Thieme Verlag für die Druckgenehmigung dieser Fotos. | Bernd Haller
Für die Reparatur von Kompositrestaurationen gibt es zahlreiche Indikationen:
- fehlende beziehungsweise zu schwache Approximalkontakte (Abbildung 5)
- Erweiterung einer Restauration um eine zusätzliche Fläche
- Sekundärkaries und andere Randdefekte (Abbildung 6)
- Frakturen, Teilfrakturen (Abbildung 7)
- störende Randverfärbungen
- „Re-surfacing” von Frontzahnrestaurationen, zum Beispiel bei Abnutzung, Farbveränderung oder Verlust der Oberflächentextur
- Sofortkorrektur von Mängeln direkt nach dem Legen einer Füllung, zum Beispiel Blasen, Unterschüsse, fehlerhafte Primäradaptation, fehlende oder schwache Approximalkontakte, mangelhafte Ästhetik (Farbe, Transluzenz, Opazität) bei Restaurationen im sichtbaren Bereich.
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