100 Jahre Zahnärztliche Aus- und Fortbildung in Karlsruhe

Wegbereiter zur Einheit des Berufsstands

Vom Dentistischen Lehrinstitut zum ersten Fortbildungsinstitut der Deutschen Zahnärzteschaft: Die Akademie für Zahnärztliche Fortbildung in Karlsruhe wird in diesem Jahr 100 Jahre alt. Anlass für einen Blick in die wechselvolle Geschichte des Instituts, das die Fortbildungslandschaft des Berufsstands auch bundesweit entscheidend mitgeprägt hat. In Teil I einer insgesamt dreiteiligen Berichterstattung geht es um die ersten 40 Jahre – und um die Rolle bei der Ausbildung der Dentisten. Bis 1960 durchlaufen 4.000 Absolventen die Ausbildung, die für „Staatlich geprüfte Dentisten“ vorgesehen ist.

Das Dentistische Lehr- und Fortbildungsinstitut Karlsruhe feierte am 14. Oktober 1920 seine Einweihung (Abbildung 1). Der erste Direktor des Lehr- und Fortbildungsinstituts Karlsruhe ist Emil Kimmich (Abb. 2). Er ist Dentist und schildert 1919 in einem Schreiben an den Stadtrat die Ausgangssituation für die Gründung des neuen Lehrinstituts: „Es bestanden vor Kriegsbeginn als gleichartige Institute des Verbandes der Dentisten im deutschen Reich eines in Straßburg und eines in Berlin. Nachdem das erstere dem Reich verloren ging, und das Berliner bei weitem dem vorliegenden Bedürfnis nicht genügt, haben die daraufhin einsetzenden Verhandlungen zu dem Entschluss geführt, ein gleiches Institut in Karlsruhe ins Leben zu rufen“ [Stadtarchiv H-Reg. A 2099].

Die Stadt ist hilfreich. Es werden geeignete Räume gefunden. Ein Stockwerk in einem ehemaligen Verfügungsgebäude des Städtischen Klinikums wird freigemacht. Dort ist Platz für eine große Lehrklinik, ein zahntechnisches Labor und einen Unterrichtsraum.

Dreiteilige zm-Reihe

Im Jahr der Gründung des Lehrinstituts führt das Land Baden als erstes Land des Deutschen Reiches eine staatliche Prüfung für Dentisten ein. Für die Dentisten, die seit 1880 in einem Berufsverband organisiert waren, bedeutete diese staatliche Anerkennung einen Durchbruch. Sie hatten jetzt eine eigene „kleine Approbation“. Das Karlsruher Institut wurde von den Zeitgenossen deswegen auch als „bahnbrechendes“ Institut bezeichnet (Abbildungen 3 und 4). Andere Länder folgten dem Beispiel Badens. Der Lehrbetrieb weitet sich schnell aus. Im Juli 1929 bezieht das Institut neue Räume in der Sophienstraße. Dieses Haus sollte für 85 Jahre die Heimstatt für zahnärztliche Aus- und Fortbildung bleiben.

Sonderweg mit zwei Berufsständen

Die erste staatliche Prüfungsordnung für Dentisten umfasste 17 Paragrafen. Es sind dort die Zusammensetzung der Prüfungskommission, Prüfungsvoraussetzungen, Fristen und Gebühren speziell geregelt. Zur Prüfung wird beispielsweise nur zugelassen, wer eine dreijährige abgeschlossene Lehrzeit bei einem in der Zahntechnik und operativen Zahnheilkunde ausgebildeten Lehrherrn und dann eine dreijährige Tätigkeit als Gehilfe eines Zahnarztes oder eines Dentisten aufweisen kann. Die Ausbildungszeit am Lehrinstitut kann bis zu einem Jahr angerechnet werden. Zusätzlich ist der Nachweis über eine zweijährige Tätigkeit als Dentist zu erbringen (Badisches Gesetz- und Verordnungs-Blatt vom 15. April 1920).

Warum bestand 1920 überhaupt der Wunsch, ein Dentistisches Lehrinstitut in Karlsruhe zu gründen? Selbstverständlich gab es schon Zahnkliniken, also universitäre Einrichtungen, die Zahnärzte ausbildeten. Der Hintergrund der Institutsgründung in Karlsruhe erklärt sich aus der Geschichte der Zahnmedizin im Deutschen Reich. Deutschland beschritt hierbei einen Sonderweg, der dazu führte, dass zwei Berufsstände, nämlich Zahnärzte und Dentisten, die Zahnheilkunde ausübten. Dominik Groß gibt in seinem 2019 erschienenen Lehrwerk „Die Geschichte des Zahnarztberufs in Deutschland“ [Groß, 2019] einen Überblick über diese Entwicklung.

Als Geburtsstunde des Dentistenstands gilt die Einführung der Kurierfreiheit in den Ländern des Norddeutschen Bundes im Jahr 1868, die drei Jahre später im gesamten neu gegründeten Deutschen Reich Gültigkeit erlangte. Es war aufgrund dieser neuen Regelung jedem gestattet, Heilkunde gewerblich auszuüben. Somit war es legal, sich um die Zahnprobleme der leidenden Menschen zu kümmern, auch ohne über eine Ausbildung zu verfügen. Zahnärzte gab es zu dieser Zeit nur wenige, sodass ein immenser Bedarf hinsichtlich der zahnmedizinischen Versorgung bestand.

Schon bald organisierten sich die nicht-akademischen Zahnbehandler in eigenen Berufsverbänden. 1880 kam es zur Gründung des „Vereins deutscher Zahnkünstler“. Dieser Verband erwies sich als sehr effektiv in der Durchsetzung eigener Interessen und in der Abwehr von Angriffen, die durch die Zahnärzteschaft geführt wurden. Auch die Zahl der Mitglieder stieg rasant. Im Jahre 1909 gab es im Deutschen Reich über 6.000 Dentisten, während nur 2.600 Zahnärzte gezählt wurden. Der neue Heilberuf war sehr daran interessiert, sich auch gesellschaftlich zu etablieren. Bereits 1903 beschloss er eine eigene Prüfungsordnung, die jedoch nicht staatlich anerkannt war. Erst 1920, zeitgleich mit der Gründung des Karlsruher Instituts, kam es zum oben beschriebenen Erlass einer staatlichen Zulassungsprüfung für Dentisten.

Diese neue Regelung im Badischen Musterländle war für den Berufsstand der Dentisten also in hohem Maße erfreulich, bedeutete sie doch einen großen Schritt in Richtung einer gesellschaftlichen Etablierung ihrer Profession. Es war die Epoche des „Dualismus“ – zwei Berufsverbände, die von den Versicherungen auch durchaus gegeneinander ausgespielt werden konnten, waren für die zahnmedizinische Versorgung tätig. Dass schon 32 Jahre später der Berufsstand der Dentisten durch den Erlass des „Zahnheilkundegesetzes“ in der Zahnärzteschaft aufgehen würde, sah 1920 noch keiner voraus.

Zahnheilkundegesetz und Ende des Dualismus

Schon in der Zeit der Weimarer Republik hatten einzelne Standespolitiker die Absicht, den „Dualismus“ zu überwinden. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden solche Bestrebungen unterbunden. Erst nach Krieg und Niederlage änderte sich die Haltung der Berufsverbände. Im Jahr 1948 kam es zum „Bonner Abkommen“ der Standesvertretungen von Zahnärzten und Dentisten. Sie einigten sich darauf, Verhandlungen über die Beseitigung des Dualismus zu führen. Eine einheitliche und bessere Studienordnung sollte entstehen und die Stände vereinigt werden. Dadurch war der politische Weg frei, eine gesetzliche Grundlage für dieses Vorhaben zu verabschieden.

Am 14. Februar 1952 beschloss der Deutsche Bundestag einstimmig das „Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde“. Die Kurierfreiheit im Bereich der Zahnheilkunde war abgeschafft. In den Paragrafen 8 bis 11 wurde festgelegt, wie den Dentisten die Bestallung als Zahnarzt zugänglich gemacht werden sollte. Für alle dentistischen Berufsanwärter, die bereits mit der Ausbildung begonnen hatten, galt eine Übergangsregelung. Festgelegt wurde, dass diese eine viersemestrige Ausbildung an einem zugelassenen Institut zu absolvieren hatten, bevor sie geprüft wurden. Für die Institute bedeutete das eine Steigerung der Lehranforderungen, da vorher nur eine zweisemestrige Ausbildung üblich war.

Im Jahr 1960 verließen die letzten Absolventen die dentistischen Lehrinstitute, die sich zu diesem Zeitpunkt bereits im Besitz des BdZ (Bund deutscher Zahnärzte) befanden. Ihre Leistung für die Vereinigung der Berufsstände wurden in einer Festrede von Dr. Erich Müller, Präsident des BdZ, in hohen Tönen gelobt. In einer Rede anlässlich der letzten Institutsschließung in München stellte er fest, „dass die Lehrinstitute einen ganz erheblichen – wenn nicht den wesentlichsten – Teil dazu beigetragen haben, den Dualismus zu überwinden, weil die Steigerung der Anforderungen an die Hörer sowohl während der Ausbildung als auch in der Prüfung schließlich dazu führte, dass die Absolventen der Lehrinstitute in den gleichen Fächern und in gleichem Umfang ihr Können und Wissen nachweisen mussten wie die Studierenden der Zahnheilkunde auf den deutschen Universitäten“.

Alle dentistischen Lehrinstitute, es waren in der Bundesrepublik insgesamt fünf, wurden 1960 geschlossen. Nur Karlsruhe machte weiter. Der Direktor, Walther Engel, wollte sein Institut nicht schließen, sondern als Fortbildungsinstitut weiterführen (Abbildung 5). Diesen Plan verfolgte er sehr zielstrebig. Zunächst einmal immatrikulierte er sich an der Universität Heidelberg, machte das zahnärztliche Staatsexamen und schließlich auch seine Promotion. Der Respekt der Zahnärzte war ihm somit sicher.

Wann genau der Plan entstand, aus dem Lehrinstitut ein Fortbildungsinstitut zu machen, ist heute nicht mehr genau zu bestimmen. Den ersten Hinweis fanden wir in einem Brief aus dem Jahr 1954. Direktor Engel setzt die Stadt Karlsruhe in Kenntnis, er habe mit dem Präsidenten des BdZ gesprochen und es sei beiderseitig der Wunsch ausgedrückt worden, aus dem Karlsruher Institut eine „großzügige Fortbildungsstätte für die deutschen Zahnärzte zu schaffen“.

Das erste zahnärztliche Fortbildungsinstitut

Es gab wohl auch andere Pläne. Ein Zeitungsbericht aus dem Jahr 1958 berichtet darüber, man beabsichtige, Anwärtern auf das Zahnmedizinstudium ein Vorbereitungsjahr vor Studienbeginn im Institut zu ermöglichen. Die Idee, ein Fortbildungsinstitut zu gründen, setzte sich durch. Im Juni 1959 berichtete Walter Engel der Delegiertenversammlung der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg von seinen Plänen. Das neue Institut sollte ein Haus für praktische Fortbildung werden, die Lerngruppen sollten klein sein und die Poliklinik erhalten werden, um auch sie für die Fortbildung einzusetzen.

Eine durchaus kontroverse Diskussion entspann sich, denn einige Kollegen waren skeptisch. So wurde infrage gestellt, ob die Kollegenschaft überhaupt einen entsprechenden Bedarf habe und ob das Ganze zu finanzieren sei. Am Ende kam es zu dem Beschluss „Das Lehrinstitut des BdZ in Karlsruhe wird nach Beendigung seiner Tätigkeit als Ausbildungsstätte im März 1960 als Fortbildungsinstitut weitergeführt.“

Dieser Beschluss ließ jedoch die Details offen. Walther Engel musste noch viele Probleme aus dem Weg räumen, bevor seine Vision Wirklichkeit werden konnte. Am 24. März 1960 gab es eine Feier im Restaurant Erbprinz, in der Walther Engel die Umwidmung des Lehrinstituts in ein Fortbildungsinstitut bekannt gab. Die zm-Ausgabe 9/1960 überschrieb ihren Bericht mit „Im Zeichen der Wiedergeburt“. Das erste Kursprogramm des Sommerhalbjahres 1960 umfasste zwölf Fortbildungskurse.

In den Zahnärztlichen Mitteilungen erschien 1966 eine Bilanz der ersten sechs Jahre des neuen Karlsruher Instituts. Im Berichtszeitraum wurden 274 Kurse abgehalten an denen insgesamt 7.043 Zahnärzte teilnahmen. Davon kamen 41 Prozent aus Gebieten außerhalb von Baden-Württemberg. Die Botschaft war klar: Dieses Institut war keine Totgeburt – die Kollegenschaft nahm das das Angebot eines umfassenden Fortbildungsprogramms an. Direktor Engel war es gelungen, ein neues Kapitel der zahnärztlichen Fortbildung aufzuschlagen.

Dr. med. dent. Dr. phil. Hans Ulrich Brauer, M.A.

Zahnarzt, Fachzahnarzt für Oralchirurgie

Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe

Lorenzstr. 7, 76135 Karlsruhe E-mail:Prof. Dr. med. dent. Winfried Walther

Direktor

Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe

Lorenzstr. 7, 76135 Karlsruhe E-mail:

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