Editorial

(Des-)Informationswege

Manche (Des-)Informationen nehmen seltsame Wege. Anfang August riet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in einer sogenannten Interim Guidance dazu, solange von nicht dringenden Zahnbehandlungen abzusehen, bis die Übertragungsrate von COVID-19 „ausreichend“ gesunken sei. Beibehalten werden sollten nur dringende Zahnbehandlungen etwa bei starken Zahnschmerzen und solche, „die der Bewahrung der Oralfunktionen und der Lebensqualität von Patienten dienen“. Diese Empfehlung galt global und differenzierte die höchst unterschiedlichen Versorgungssituationen weltweit nicht. Jenes Papier blieb aber zunächst relativ unbeachtet, bis rund eine Woche später Medien diese Aussagen aufgriffen und teilweise verkürzt wiedergaben. Kernaussage: „Jetzt besser nicht zum Zahnarzt gehen!“

Dies brachte uns zu der Diskussion zurück, die wir in Deutschland im April hatten und die sehr schnell und eindeutig zum Ergebnis geführt hatte: Der Zahnarztbesuch ist auch in der Corona-Pandemie sicher – sowohl für Patienten als auch für Zahnärzte und ihr Personal. Dass diese klare Botschaft fruchtete, zeigt die Tatsache, dass die Patientinnen und Patienten sehr schnell wieder den Weg in die Praxen fanden. Das Vertrauen ist also ungebrochen. Und bis dato ist kein Fall bekannt, dass es in Deutschland im Rahmen einer zahnmedizinischen Behandlung zu einer SARS-CoV-2-Infektion gekommen wäre.

Nun hätte man die oben genannte Botschaft verhallen lassen können, wenn die Leitlinien nicht von der WHO – ob missinterpretiert oder nicht – gekommen wären. Konsequenterweise hat die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) unmittelbar und in aller Deutlichkeit auf die gänzlich andere Versorgungssituation hierzulande hingewiesen und die Aussagen richtiggestellt. Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und die Landeszahnärztekammern äußerten sich in derselben Art und Weise. Der Weltzahnärzteverband FDI machte auf Betreiben der BZÄK ebenfalls klar, dass die WHO-Veröffentlichung eine Leitlinie und nicht eine Richt-linie mit „Einheitslösung“ sei. Offizielle Richtlinien auf nationaler, subnationaler oder lokaler Ebene könnten daher variieren und sollten befolgt werden, so die FDI. Und schließlich präzisierte die WHO selbst ihre Äußerungen dahingehend, dass sie ausschließlich auf ein intensives, unkontrolliertes Übertragungsszenario abzielten, was aber nicht auf die aktuelle Situation der meisten europäischen Länder und insbesondere nicht auf Deutschland zutreffe.

Glücklicherweise fand das verunglückte WHO-Statement kaum Niederschlag in der Publikumspresse. Andernfalls hätte dies zu erheblicher Verunsicherung der Bevölkerung und nachhaltigen Schäden führen können. Daher war es richtig und wichtig, sofort nach Bekanntwerden der Desinformation entsprechend öffentlichkeitswirksam und massiv gegenzuhalten. Ungleich schwerer ist es, falsche Botschaften – so sie erst einmal flächendeckend verbreitet sind – wieder einzufangen und zu korrigieren. Sofern das überhaupt möglich ist.

Apropos klare Botschaften: Diese sollten in aller Regel auf einer soliden Faktenlage aufbauen. Dies gilt in besonderem Maß im berufspolitischen Kontext. Das Zahnärzte-Praxis-Panel (ZäPP) geht im September in die dritte Runde. Die Erhebung der KZBV zur Kosten- und Versorgungsstruktur der vertragszahnärztlichen Praxen war in den Jahren 2018 und 2019 ein voller Erfolg. ZäPP liefert wertvolle Ergebnisse, die die vertragszahnärztliche Versorgung valide abbilden. Diese substanzielle Datenbasis wird im Sinne der Vertragszahnärzteschaft für die Verhandlungen mit den Krankenkassen und der Politik genutzt. In diesem Jahr kommt ein zusätzlicher Fragebogen zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie hinzu. Die Befragung ist also wichtiger denn je. Daher der dringende Appell: Nehmen auch Sie teil, wenn Sie angeschrieben werden. Es ist in Ihrem Interesse.

Sascha Rudat

Chefredakteur

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