foodwatch-Report 2021

So verführen Junkfluencer Kinder zu Fehlernährung!

Lebensmittelkonzerne setzen auf Influencer, um ungesunde Nahrungsmittel gezielt Kindern und Jugendlichen schmackhaft zu machen. Wie perfide sie dabei vorgehen, zeigt die Verbraucherorganisation foodwatch.

Fettig, süß und wenig nährstoffreich – solche Nahrungsmittel preisen einflussreiche Social-Media-Stars im Netz. Über YouTube, TikTok oder Instagram erreichen die Influencer mühelos ein Millionen-Publikum, sie sind extrem glaubwürdig und wirken auf ihre Fans wie Freunde. Genau deshalb sind sie interessante Partner und Testimonials für Lebensmittelkonzerne, die sich das Vertrauen der Follower zunutze machen. Influencer als Markenbotschafter sind inzwischen fester Bestandteil des Food-Marketings geworden.

Das sei deutlich preiswerter und bei der jungen Zielgruppe sehr effektiv, berichtet foodwatch in seinem neuen Bericht. Die Organisation hat 20 der Reichweiten-stärksten Influencer Deutschlands analysiert und fünf besonders auffällige herausgepickt. Alle wurden von Unternehmen als Werbegesichter rekrutiert und versehen – anders als beim herkömmlichen Marketing – ihre Beiträge und Posts immer mit der Aufforderung, zu verlinken, zu liken und zu kommentieren.

„Die Lebensmittelindustrie macht mit übergriffigen Marketingmethoden Geschäfte auf Kosten der Kindergesundheit. Mithilfe von Influencern senden die Unternehmen ihre Werbebotschaften an den Eltern vorbei direkt ins Kinderzimmer und auf die Handys junger Menschen“, sagt Luise Molling von foodwatch.

Geschäfte auf Kosten der Kindergesundheit

„Etwa 390 Milliarden Euro Kosten entstehen als Folge der Fehlernährung, die die Gesellschaft tragen muss“, berichtet Prof. Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit an der Kinderklinik der Universität München. Er findet das nicht kontrollierbare Influencer-Marketing für Junkfood und Süßes perfide und forderte an der Seite von Kindermedizinern eine Beschränkung. „Wir Kinder- und Jugendärzte fordern seit langer Zeit, die an Kinder und Jugendliche gerichtete Werbung, darunter auch die subtile und oft schwer durchschaubare Werbung über soziale Medien, zu beschränken. Denn die allermeisten Produkte sind unausgewogen und fördern ernährungsbedingte Krankheiten wie Typ-2-Diabetes.“

Tatsächlich führt ungesundes Essen in Deutschland zu 180.000 Todesfällen pro Jahr und damit zu deutlich mehr als durch Tabakkonsum mit 140.000 und Alkoholkonsum mit 50.000 – Tendenz steigend. Wie aktuelle Daten des Robert Koch-Instituts offenlegen, essen Kinder im Alter von sechs bis elf Jahren nicht einmal die Hälfte der täglich empfohlenen Menge von Obst und Gemüse, dafür mehr als doppelt so viele Süßigkeiten.

Junkfluencer sind eine große Gefahr

Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) unterstreicht die Kritik von foodwatch und bezeichnet „Junkfluencer“ als große Gefahr: „Sie bewerben ungesunde Lebensmittel mit fatalen Folgen: Schlechte Ernährung ist bei Kindern und Jugendlichen weit verbreitet. Die Strategien der Lebensmittelindustrie, die den Konsum gesundheitsschädlicher Produkte forcieren, ähneln denen der Hersteller gesundheitsschädlicher Produkte wie Tabak und Alkohol.“

Burger, Pizza und Torte bis zum Erbrechen – doch kein Wort über die Folgen. Die beiden Influencerinnen Viktoria und Sarina erreichen mit einem Kooperationsvideo mit Coppenrath & Wiese für eine Torte rund eine halbe Millionen Klicks und 100.000 Likes. Oder Simon Desue, der mit 4,3 Millionen Followern zu den erfolgreichsten Influencern in Deutschland gehört: Er kommt mit seiner „IssmirWurstChallenge“ für McDonalds ebenfalls auf bis zu eine halbe Million Zuschauer auf TikTok. Reichweiten, von denen andere Medien, wie etwa die Bravo, nur träumen können, merkt Molling an.

Neben internationalen Unternehmen ködern auch deutsche Familienkonzerne wie Haribo gezielt mithilfe von Social-Media-Persönlichkeiten Kinder und Jugendliche. Laut der Recherche von foodwatch gibt die Lebensmittelindustrie 900 Millionen Euro jährlich für Werbung von Süßigkeiten aus. Bei der jungen Zielgruppe lässt sich hier das meiste Geld verdienen, so Molling. Gerade einmal 15 bis 20 Millionen werden für das Marketing von Obst und Gemüse ausgegeben.

900 Millionen Euro alleine für Werbung

Das Robert Koch-Institut (RKI) empfiehlt im Forschungsbericht EsKiMo II, die Bewerbung von ernährungsphysiologisch oft fragwürdigen Kinderlebensmitteln zu verringern und zu kontrollieren: „Insbesondere Werbung, die sich direkt an Kinder richtet, sollte stärker reglementiert werden.“ foodwatch fordert konkret, dass Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) diese Art von Werbung beschränkt. Jene setzt indes darauf, dass die Industrie freiwillig tätig wird. Erfolgreich ist dieser Kurs bislang nicht.

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