Nachhaltigkeit

Weg mit dem Plastikschrott

Dr. Manina Knobloch aus Potsdam will sich im Februar 2022 erstmals niederlassen – in einer nachhaltigen Praxis. Wie sie das angeht, was sie alles ausprobiert und wofür sie sich entscheidet, erzählt sie hier. Denn: „Ich brenne für Umweltschutz und möchte auch in anderen ein Feuer entfachen!“

Karteikarten, Röntgenaufnahmen, Abformungen, Bilder: Für Knobloch stand von Anfang an fest, dass sie ihre Praxis komplett durchdigitalisiert. Papier soll nur noch zum Einsatz kommen, wenn es unbedingt sein muss. Die Digitalisierung ist für sie Voraussetzung für eine nachhaltige Praxis. Es geht ihr darum, den „ganzen Plastikschrott“ zu reduzieren, insbesondere das Einwegplastik. „Ich möchte die Praxis so nachhaltig, wie nur möglich gestalten“, betont sie. Momentan befindet sich die 37-Jährige in Elternzeit. Nebenbei plant und organisiert sie den Umbau ihrer Potsdamer Praxis und testet nachhaltige Produkte auf ihre Qualität.

Nachhaltige Produkte im Test

Speichelzieher aus Zuckerrohr

Ein Beispiel wäre der Austausch der Einmalsaugschläuche gegen Speichelzieher aus alternativen Materialien. Eine schwedische Firma macht Saugschläuche aus biobasiertem Polyethylen auf Zuckerrohrbasis – im Unterschied zu den üblichen Produkten, die aus Rohstoffen wie Öl und Erdgas hergestellt werden. „Das Besondere an den Schläuchen ist, dass man sie sogar ohne Assistenz verwenden kann. Die Form des Speichelsaugers ist so konzipiert, dass er als Zungenhalter benutzbar ist. Optimal, um alleine zu arbeiten“, berichtet Knobloch. 

Nachhaltige Handschuhe 

Die herkömmlichen Handschuhe würde sie gern durch Handschuhe aus Naturkautschuklatex ersetzen. Diese sind hochgradig reißfest und bieten auch bei Feuchtigkeit einen sicheren Griff. Zudem sind sie puderfrei und verringern dadurch eine handschuhbedingte Latexprotein-Sensibilisierung. Obendrein haben sie einen sehr hohen Tragekomfort und sind in allen Größen erhältlich. Nachteil: Sie sind teurer und die Packungen kleiner. Ob die Handschuhe im täglichen Gebrauch wirklich funktionieren, will Knobloch jetzt herausfinden. 

Zahnseidesticks aus Maisstärke

Die Zahnseidesticks sind zu 40 Prozent aus Maisstärke und zu 60 Prozent aus Polypropylen-Materialen. Knobloch ist noch auf der Suche nach vollständig kompostierbaren Artikeln oder solchen aus Rezyklat. Bei Rezyklat handelt es sich um einen Sekundärrohstoff, der beim Recycling von Kunststoffabfällen entsteht. So lassen sich Kunststoffe so lange wie möglich nutzen. Zudem können aus dem Rezyklat neue Produkte hergestellt werden. Die Zahnseidesticks werden auch gerne in der Kinderzahnheilkunde angewandt. 

Die eigene Zahnbürste oder es gibt eine aus Bambus

Zu Einmalzahnbürsten hat sie eine klare Meinung: Entweder bringt der Patient seine eigene Zahnbürste mit oder er kriegt eine Bambuszahnbürste.

Desinfektionsmittel auf Roggen-Alkohol-Basis 

Für die Desinfektion von Händen und Oberflächen hat Knobloch ein Berliner Unternehmen gefunden, dass ein 100-prozentiges pflanzliches Desinfektionsmittel auf Roggen-Alkohol-Basis anbietet. Zusatzstoffe sind Thymian, Lavendel und Ingwer. Es bietet ausreichend Schutz im medizinischen Gebrauch – das Robert Koch-Institut (RKI) hat dessen Wirksamkeit bestätigt. Darüber hinaus ist es zu 100 Prozent biologisch abbaubar, hautverträglich, rückfettend und mild. Die Verpackung wurde auf Rezyklatbasis hergestellt und ist wiederverwendbar. Wenn sie leer ist, kann sie zum Hersteller zurückgesandt, gereinigt und neu aufgefüllt werden. Das Händedesinfektionsmittel wirkt auch gegen Coronaviren. „Es riecht nicht stechend, brennt nicht und verbreitet dazu eine angenehme Ingwernote“, erzählt Knobloch. Außerdem trocknet es die Hände und Oberflächen nicht aus. Die Oberflächendesinfektion wird als fertige Mischung im Kanister angeliefert. Man kann sie auch für die Reinigung der Fließtücher zusammenmischen. 

Drei Fragen an Dr. Manina Knobloch 

Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit bei Ihrem Praxisumbau?

Dr. Manina Knobloch: Beim Praxisumbau arbeite ich ausschließlich mit Fachleuten aus der Region Potsdam zusammen. Auf diese Weise kann ich die jeweiligen Gewerke vor Ort unterstützen und alle haben kurze Anfahrtswege. Bisher besteht die Praxis noch aus zwei Arbeitszimmern, ein drittes ist geplant. Die Räumlichkeiten umfassen insgesamt 120 Quadratmeter. Eine 30 Quadratmeter große Wohnung, die sich ebenfalls auf der Etage befindet, wird die Praxis noch vergrößern. Drei ZFA und eine Mitarbeiterin am Empfang werden mich künftig bei meiner Arbeit unterstützen. Die Abrechnung lagere ich aus. Als Mutter von zwei Kleinkindern rechne ich mit einer Arbeitszeit von maximal 37 Stunden in der Woche.

Wieso eine nachhaltige Praxis?

Heutzutage braucht eine Zahnarztpraxis ein Alleinstellungsmerkmal, um am Markt bestehen zu können: „Be different or die“ – „Sei anders oder stirb“. Nachdem ich für einen Post auf Instagram zu Bambuszahnbürsten sehr viel Resonanz erfahren habe, war mir klar: Nachhaltigkeit wird noch zu wenig in den deutschen Zahnarztpraxen gelebt. Alles in meiner Praxis soll digital stattfinden. Papier wird eingespart, wo es geht. Ich sehe den Kern von Nachhaltigkeit darin, Plastik zu verringern, regionaler zu arbeiten und auf so viel Einwegprodukte wie möglich zu verzichten. Dennoch bin ich mir bewusst, dass die vollständige Umsetzung sehr idealistisch ist und es in kleinen Schritten vorwärts geht.

Warum lassen Sie die Öffentlichkeit daran teilhaben?

Meinen Social-Media-Auftritt bei Instagram betrachte ich als Tagebuch und Erinnerung an meine Gründungszeit. Unter Zahnärzten ist die Community in den sozialen Medien noch relativ klein, aber sie wächst stetig. Dadurch findet dort ein sehr intensiver Austausch statt. Viele finden die Idee der Nachhaltigkeit toll, stellen mir Fragen und wollen mehr wissen. Bisher entstand bei mir aber der Eindruck, dass in der Zahnmedizin viele nachhaltige Elemente umsetzen. Seit Anfang Juni bin ich bei Instagram und habe mittlerweile mehr als 600 Follower. Aus dem Austausch sind einige Kooperationen entstanden. Firmen, die sich auf nachhaltige Produkte spezialisiert haben, sind sofort bereit, mich zu unterstützen und bieten mir ihre Hilfe an. Man eignet sich so schneller Wissen an als durch eigene Recherche. Die meisten sind offen und stellen bereitwillig nützliche Informationen zur Verfügung.

Dr. Manina Knobloch hat eine Ausbildung zur Zahntechnikerin absolviert, bevor sie in Kiel Zahnmedizin studierte und 2014 ihr Studium erfolgreich abschloss. Im Anschluss promovierte sie an der Berliner Charité und arbeitete sechs Jahre in einer Zahnarztpraxis im brandenburgischen Caputh. Im Februar 2022 übernimmt sie die Praxis von Dr. Ariane Zibell am Neuen Garten in Potsdam. 

Bomben und Murmeln für die Bienenwiese

Knobloch hat sich überlegt, plastikfreie Zugabeartikel an Kinder zu verschenken. Zum Beispiel Samenbomben, Blumenmurmeln, Holzspielzeug und nachhaltiges – regional hergestelltes – Konfetti. Die Blumenmurmeln bestehen aus Saatgut, Erde und Ton. Auch die Verpackung ist ökologisch abbaubar. Das Konfetti enthält Samen, die die Kinder in der Natur ausstreuen können. „Die Idee dahinter ist, schon den Kleinsten von Anfang an zu zeigen, dass es auch anders geht und schön sein kann, etwas für unsere Natur und Umwelt zu tun“, sagt die Zahnärztin. Sie kann sich vorstellen, später einen Wettbewerb auf ihrer Homepage zu veranstalten, bei dem die Kinder Fotos von ihrer aus den Murmeln entstandenen Blumenwiese einreichen. 

Von der Anfahrt bis zum Pappbecher ohne Folie

Darüber hinaus möchte sie entweder Gläser oder Pappbecher ohne Folierung im Inneren einkaufen. Auch zertifizierter Ökostrom soll es sein. Sie möchte auf Amalgam verzichten und mehr biokompatible Materialien benutzen, wie Keramik. Sie überlegt, Prophylaxeringe aus Metall anstatt aus Plastik zu verwenden, da diese immer wiederaufbereitet werden können. Im Ideallfall nimmt sie zusätzlich noch mikroplastikfreie Polierpasten. Auch Anamnesebögen wird es nur in digitaler Form geben. Patientenumhänge will sie bei Eingangsuntersuchungen und Nachkontrollen sparsamer einsetzen oder komplett darauf verzichten.

Da Nachhaltigkeit schon bei der Bestellung und Anlieferung der Produkte beginnt, ist für sie wichtig, möglichst viel aus der näheren Umgebung zu beziehen. Für den Umbau arbeitet Knobloch mit regionalen Baufirmen aus Potsdam zusammen. Ihre Visitenkarten werden in einer Potsdamer Druckerei hergestellt und ihre Teamkleidung wird von einer kleinen Näherei in der Potsdamer Innenstadt bestickt.

Den Arbeitsweg will sie zu Fuß oder mit dem Fahrrad bestreiten. Ebenso kann sie sich vorstellen, ihren Mitarbeiterinnen Leasing-Fahrräder zur Verfügung zu stellen. Hinzu kommt, dass der öffentliche Nahverkehr in Potsdam sehr gut aufgestellt ist, so dass man die Praxis auch gut mit Bus und Bahn erreichen kann. Ein Spaziergang durchs Weltkulturerbe, den Neuen Garten am Heiligen See, wo sich die Praxis befindet, ist eine weitere Möglichkeit.

Alles plastikfrei? 

Knoblochs Zwischenbilanz: „Leider kann man nicht komplett auf Plastik verzichten. Das funktioniert noch nicht. Noch gibt es viele kleine Teile in einer Zahnarztpraxis, die aus Plastik bestehen. Für mich ist es aber wichtig, für die Dinge, die man tagtäglich benutzt und die man ersetzen kann, eine bessere plastikfreie Variante zu finden.“

Gerade arbeitet sie an einer Übersicht aller Kosten, um herauszufinden, wie wirtschaftlich eine nachhaltige Praxis tatsächlich sein kann. Was wirklich funktioniert und praktikabel ist, lässt sich aber erst im täglichen Doing feststellen. Sie geht schon jetzt davon aus, dass die nachhaltigen Produkte teurer als die herkömmlichen Varianten sind. „Aber das sollte uns unsere Umwelt wert sein.“

Knobloch ist es wichtig, die Dentalbranche für mehr Nachhaltigkeit zu sensibilisieren: „Ich brenne für dieses Thema und möchte damit auch in anderen ein Feuer entfachen. Es geht nicht darum, sofort alles komplett nachhaltig zu gestalten. Es ist ein Prozess und jeder Schritt in diese Richtung ist ein Fortschritt.“

ak

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