Leitartikel

Quo vadis zahnärztliche Versorgung?

Wolfgang Eßer

Deutschland hat gewählt. Vieles, was im Vorfeld prognostiziert wurde, ist eingetreten, anderes glücklicherweise nicht. Dazu gehört sicherlich der befürchtete Linksruck, der ausgeblieben ist. Rot-Rot-Grün ist keine Option im Parteiengefüge, da es die LINKE nur mittels dreier Direktmandate überhaupt noch in den Bundestag geschafft hat. Sie spielt somit keine entscheidende Rolle mehr.

Die Bundestagswahl hat gezeigt, dass alte Gewissheiten der bundesrepublikanischen Parteiengeschichte nicht mehr gelten. Die ehemals großen Volksparteien, die in der Vergangenheit immer den Kanzler oder die Kanzlerin gestellt haben, werden nur noch jeweils von einem Viertel der Wählerinnen und Wähler gewählt. Die Stammwählerschaften sind reihenweise zu anderen Parteien gewechselt. Auffallend ist, dass sich insbesondere junge Menschen sehr oft für die Grünen und die FDP entschieden haben. Am anderen Ende der Altersskala haben sich Wählerinnen und Wähler von der Union abgewandt und SPD gewählt. Das wäre früher undenkbar gewesen.

Wir stehen somit auf Bundesebene erstmals vor einem Dreierbündnis, was eine Regierungsbildung – und in der Folge die Konsensbildung in der Regierung – alles andere als einfach macht. Dazu kommt, dass sich die Abstände zwischen den potenziellen Regierungsparteien nur noch im Bereich weniger Prozentpunkte bewegen. Groß und Klein oder „Koch und Kellner“, wie es Gerhard Schröder einst formulierte, gibt es nicht mehr. Bezeichnend ist, dass sich zunächst Grüne und FDP zu einer sogenannten Vor-Sondierung getroffen haben. Die beiden kleineren Parteien bestimmen also, wer künftig Kanzler wird. Dessen Einfluss und Macht sind damit ebenso wie der seiner Partei deutlich geschrumpft. Dass die Kanzler-Partei aufgrund ihrer Größe Themen einfach durchdrücken kann, wird in Zukunft nicht mehr funktionieren.

Aktuell scheinen sogenannte „Zukunftsthemen“ wie Klimawandel, Verkehrswende und soziale Gerechtigkeit im Vordergrund der Gespräche zu stehen. Welche Rolle die Gesundheitspolitik spielen wird, muss sich noch zeigen. Das Reizthema Bürgerversicherung soll offenbar nicht zum Stolperstein zwischen SPD, Grünen und FDP werden, heißt es. Es besteht also die Hoffnung, dass in der neuen Legislaturperiode unglückselige Experimente mit der Finanzierung unseres Gesundheitswesens ausbleiben werden. Gleichwohl könnten andere zentrale gesundheitspolitische Themen auf die politische Agenda rücken. Dazu gehören die Bedeutung und der Wert der Freiberuflichkeit sowie der Fortbestand unserer Versorgungswerke. Dabei wird viel davon abhängen, welche Partei mit welcher Person das Gesundheitsressort übernehmen wird. Namen kursieren bereits, aber Spekulationen bringen diesbezüglich wenig.

Doch egal, wer das Gesundheitsministerium führen wird, die KZBV hat ihre Hausaufgaben gemacht. In der Agenda Mundgesundheit 2021–2025 haben wir klar und deutlich formuliert, welche Themen wir voranbringen wollen und wie wir die konkret formulierten Ziele erreichen können. Eines unserer zentralen Anliegen ist es, die zunehmende Vergewerblichung der zahnärztlichen Versorgung einzudämmen und zugleich die Niederlassung in eigener Praxis zu fördern. Unser besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Sicherstellung der wohnortnahen, flächendeckenden Versorgung. Dafür benötigen wir natürlich politische Rahmenbedingungen, die dem Stellenwert der zahnmedizinischen Versorgung als festem Bestandteil der Daseinsvorsorge und der ambulanten medizinischen Versorgung Rechnung tragen.

Angesichts dieser politisch eher unsicheren Gemengelage wird es künftig wichtiger denn je sein, dass der zahnärztliche Berufsstand mit einer Stimme spricht und geschlossen auftritt. Sie können sich sicher sein, dass die KZBV gemeinsam mit den KZVen auch weiterhin die Interessen des Berufsstands engagiert vertreten und sich für ein freiberuflich getragenes Gesundheitssystem mit einer starken Selbstverwaltung einsetzen wird.

Dr. Wolfgang Eßer,

Vorsitzender des Vorstands der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung

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