Erscheinungsbild der Mitarbeitenden

Wie individuell darf es sein?

Das Erscheinungsbild des Teams ist Teil der Praxisidentität. Einheitlichkeit vermittelt Geschlossenheit. Doch wo sind die Grenzen zwischen Hygienevorschrift und Arbeitsschutz, Praxisidentität und dem eigenen Persönlichkeitsrecht? Was Mitarbeitende tragen dürfen und was nicht, wird im Folgenden mit der Unterstützung von Arbeitsrechtler Dr. Christopher Rinckhoff und aktuellen Urteilen erklärt.

Grundsätzlich gilt: Vereinbarungen für ein einheitliches Erscheinungsbild können im Arbeitsvertrag festgehalten werden. Der Arbeitgeber könne aber auch entsprechend § 106 Gewerbeordnung nach billigem Ermessen das äußere Erscheinungsbild festlegen, erklärte Arbeitsrechtler Dr. Christopher Rinckhoff aus Berlin. Dabei ist insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers zu beachten. Letztlich sind drei Faktoren zu unterscheiden: Zunächst ist der Arbeitgeber gehalten, bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes die arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse einzuhalten. Das heißt, Bekleidungs- oder Verhaltensvorschriften dienen dem Schutz der Mitarbeitenden. Sie sind auch verpflichtet, diesen aus Gründen des Arbeitsschutzes ergehenden Weisungen Folge zu tragen (§ 15 ArbSchG), erläutert Rinckhoff.

Abwägung im Einzelfall notwendig

Weiterhin gilt: Immer dort, wo medizinische Eingriffe eine spezielle Schutzkleidung oder ein bestimmtes Erscheinungsbild etwa bei Haaren oder Nägeln vorschreiben, müssen Angestellte sich daran halten. Denn hier geht es um Patientenschutz. Dann muss das allgemeine Persönlichkeitsrecht zurückstecken.

Schließlich kann die Praxisinhaberin oder der Praxisinhaber auch ein berechtigtes Interesse an einer bestimmten einheitlichen „Optik“ seiner Angestellten haben, um die Erwartungen der Patienten zu erfüllen und um einen positiven Eindruck zu hinterlassen. Hier bedarf es immer einer Abwägung im Einzelfall – je nach Standort und Zielgruppe der Praxis können sich die zulässigen Anforderungen unterscheiden.

Bis hin zur Farbe der Unterwäsche

Wenn das Tragen der Praxiskleidung dem äußeren Erscheinungsbild zugutekommt und die Würde des Arbeitnehmers nicht beeinträchtigt, darf sie grundsätzlich vorgegeben werden. Mit einem Kittel oder Shirt in Weiß oder der Farbe der Praxis, wahlweise mit Namen und Logo, und ergänzt durch eine weiße Hose, so ist das Outfit schon fast komplett. Tatsächlich dürfen – zumindest nach einem nicht unumstrittenen Beschluss des Landesarbeitsgerichts Köln zu Sicherheitspersonal am Flughafen (Beschluss vom 18.8. 2010 – 3 TaBV 15/10), bei heller Dienstkleidung auch Farben für die Unterwäsche vorgeschrieben werden (weiß oder hautfarben). Bei dunkler Oberbekleidung ist das hingegen irrelevant und auch dann, wenn die Mitarbeiter im Backoffice tätig sind.

Doch wie sieht es bei den Schuhen aus? Müssen diese geschlossen sein, um bei Arbeitsunfällen Schutz zu bieten oder dürfen sie offen sein, weil das an langen Tagen bequemer ist? Und müssen auch die Schuhe hygienische Kriterien erfüllen? Unzulässig dürfte es sein, so Rinckhoff, wenn der Praxisinhaber den Kauf bestimmter Schuhe vorschreibt. Bei den Schuhen geht es neben der Einheitlichkeit auch um Arbeitssicherheit und Hygiene. Daher darf der Arbeitgeber in der Arztpraxis geschlossenes und abwischbares Schuhwerk verlangen. Dies entspreche den Erkenntnissen von Arbeitswissenschaft und Praxishygiene, so der Arbeitsrechtler.

Und wer trägt die Kosten?

Vorgeschriebene einheitliche Praxiskleidung wie Hosen, Schuhe und Shirts muss dagegen der Praxisbetreiber bezahlen. Die Ausgaben kann er aber grundsätzlich steuerlich geltend machen, denn es handelt sich um Betriebsausgaben. Tragen Mitarbeitende in der Praxis die Arbeitskleidung aus eigenem Interesse, um beispielsweise ihre Privatkleidung zu schonen, müssen sie diese grundsätzlich selbst bezahlen. Wenn die Kleidung außerhalb der Arbeitszeit getragen werden kann, ist eine Beteiligung an den Kosten möglich.

Tattoos, Piercings und Schmuck

Tattoos, die während des Patientenkontakts sichtbar sind, dürfen Praxisinhaber in bestimmten Fällen verbieten oder verlangen, dass sie während der Arbeitszeit verdeckt werden. Ob der konkrete Patientenstamm sich aber durch Tattoos tatsächlich gestört fühlt und der Praxisinhaber infolgedessen ein berechtigtes Interesse an seiner Weisung geltend machen kann, bleibe aber eine Einzelfallfrage, gibt Arbeitsrechtsexperte Rinckhoff zu bedenken. Insoweit spielen auch Größe und Inhalt des Tattoos eine Rolle. Ähnliches gilt für Piercings. Tattoos und Piercings, die man nicht sieht, stören keinen und dürfen daher auch nicht verboten werden. Schmuck und Uhren, die bei den konkreten Verrichtungen nicht stören und nach ihrer Beschaffenheit keine besonderen Irritationen auslösen, werde der Praxisinhaber ebenfalls nicht untersagen dürfen, stellt der Arbeitsrechtler klar.

Während des Patientenkontakts kann das Zusammenbinden der Haare verlangt werden. Die Länge und Farbe der Frisur darf die Chefin oder der Chef jedoch nicht vorschreiben. Aus hygienischen Aspekten darf der Praxisinhaber von den Mitarbeitenden auch verlangen, die Fingernägel beim Kontakt mit dem Patienten kurz und ohne Nagellack zu tragen, ebenfalls möglich ist das Verbot künstlicher Nägel (ArbG Aachen, Urteil vom 21.2.2019 – 1 Ca 1909/18).

Schwierige Rechtslage bei religiösen Zeichen

Deutlich schwieriger ist die Rechtslage hinsichtlich religiöser Zeichen wie etwa dem Kopftuch bei muslimischen Mitarbeitenden oder eine Kreuzkette bei Christen. Hier entscheidet meist der Einzelfall. Die Rechtsprechung bis hin zum europäischen Gerichtshof hält entsprechende Vorgaben im Grundsatz durchaus für möglich (EuGH vom 15.7.2021 – C-804/18, C-341/19, zm berichtete online dazu im August 2021). Unter anderem misst der EuGH den „berechtigten Erwartungen“ von Kunden und Nutzern Relevanz zu, was aber unkonkret bleibt. Ob in einer (Zahn-)Arztpraxis tatsächlich zwingend eine religiöse Neutralität angezeigt ist, bleibe sehr ungewiss, ergänzt der Rechtsexperte. Grundvoraussetzung für einschränkende Weisungen wäre auf jeden Fall, dass die Regelungen dann für alle Mitarbeitenden gleichermaßen gelten, es darf also keine bestimmte Religion benachteiligt werden.

Dr. Christopher Rinckhoff ist Rechtsanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei MEYER-KÖRING Berlin, Spezialisten für Medizin- und Arbeitsrecht.

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