Ein Jahr Einsatz auf Chios

„Wir kämpfen einen ungleichen Kampf!“

Alexander Schafigh
Vor einem Jahr starteten wir – das Dental Emergency Team (Dental-EMT) – unsere Arbeit im Geflüchtetenlager Vial auf der griechischen Insel Chios. Inzwischen konnten wir dort fast 1.200 Menschen zahnärztlich versorgen. Diese Arbeit können wir aber nur fortsetzen, wenn Freiwillige zur Hilfe kommen. Die Versorgungslage ist hier immer wieder prekär. Die Sicherheit der Geflüchteten aufgrund der Pushbacks auch.

Der Strom der Geflüchteten reißt nicht ab. Empfingen wir zu Beginn unseres Einsatzes im letzten Sommer vor allem Menschen und Familien aus Syrien, dem Iran, Afghanistan und vereinzelte Geflüchtete aus Afrika in unserer Zahnstation auf Chios, so waren es zwischenzeitlich mehr Patienten aus Palästina und dem Gazastreifen. Momentan kommen besonders viele junge Männer und Frauen aus Somalia, Eritrea, Dschibuti und dem Senegal, aus Burkina Faso und dem Jemen. Die Lage verändert sich ständig – das haben wir gelernt.

Irgendwann in der ersten Jahreshälfte hatten wir sogar den Eindruck, dass es weniger Camp-Bewohner wurden. Wir überlegten schon, ob wir unsere Arbeit einstellen sollen. Doch dann erfuhren wir, dass ein Teil von ihnen auf das Festland übergesiedelt wurde, und dass leider auch wieder vermehrt Pushbacks, also das Zurückdrängen der Flüchtlingsboote in türkisches Hoheitsgebiet, der eigentliche Grund für den Rückgang waren. Gerade steigt die Anzahl der ankommenden Boote mit Geflüchteten aus der Türkei wieder enorm. 

Die Menschen haben Angst vor den Pushbacks

Wir suchen daher für die Versorgung auf Chios weiter dringend freiwillige Helfer – Zahnärztinnen und Zahnärzte, ZFA und medizinische Assistenten und auch Studierende. Bei der Organisation der Reise stehen wir selbstverständlich helfend zur Seite. Die Fotos zeigen ja, wie wir hier vor Ort zusammenwachsen angesichts der schwierigen Bedingungen und der Schicksale auf dem Behandlungsstuhl. Für ZFA können wir übrigens auf Antrag einen Zuschuss leisten, um die Anreise möglich zu machen. Sprecht uns an! Denn nur mit der Hilfe eines starken Teams schaffen wir das hier.


Zuletzt reiste ich Ende Juli zusammen mit der ZFA Anne Täger aus Senden zu einem Arbeitseinsatz auf die Insel – ein Jubiläumseinsatz sozusagen. Allein in dieser Woche trafen mindestens drei Boote mit circa 80 Menschen aus der Türkei ein. Aus Angst vor den Pushbacks verstecken sich die Männer, Frauen und Kinder nach ihrer Ankunft oftmals in den Bergen und Wäldern der Insel. Dort werden sie dann erst nach Tagen des Ausharrens gefunden und in ein Quarantänelager gebracht. Nach Ausschluss von Infektionskrankheiten kommen sie ins eigentliche Lager – nach Vial und auch zu uns.

Im Wald und am Strand wurden Tote gefunden

Leider kommt es immer wieder zu Todesfällen, sei es bei der Überfahrt übers Meer oder durch Erschöpfung und mangelnde Versorgung mit Essen und Trinken in den Verstecken auf der Insel. Erst kürzlich wurden am Strand und in den Wäldern Tote entdeckt. Das geht einem natürlich unheimlich nah – und ja: Es gibt Momente, die sind sehr schwer. Wir kämpfen da einen ungleichen Kampf.

Hier können Sie helfen

Dental Emergency Team e. V.

Dr. Alexander SchafighKönigstr. 59,

53332 Bornheim

Tel.: 02222/989060

dental-emt@web.de

https://dental-emt.org/

Spendenkonto:

Dental Emergency Team apoBank

IBAN: DE35 3006 0601 0007 6168 41

BIC: DAAEDEDDXXX

Für die Spendenquittung bitte Name und Adresse im Feld „Verwendungszweck“ angeben.

Aber ganz ehrlich: Jedes noch so zaghafte, aber von Herzen kommende, erleichterte Lächeln von den Patienten unserer Zahnstation gibt uns immer wieder die Kraft weiterzumachen. Ich versuche mich von den Todesmeldungen abzugrenzen, soweit ich es schaffe. Aber oft beschäftigt es mich doch, sogar bis zurück in meiner Praxis in Deutschland.

Große Abszesse sind inzwischen selten

Die Zahnmedizin ist in den Lagern leider nach wie vor immer noch unterrepräsentiert beziehungsweise wird gänzlich vergessen. Projekte wie das unsere sind die absolute Ausnahme. Nach einem Jahr zeigt sich aber, wie wichtig es ist, die Menschen im Geflüchtetenlager zahnärztlich zu betreuen. Durch die regelmäßige Präsenz von Zahnmedizinern, die kontinuierliche Betreuung und vor allen Dingen auch die Prophylaxe-Aufklärung und die Versorgung der Menschen mit Mundhygieneartikeln hat sich deren Zahngesundheit doch stark verbessert. Schwere Infektionen wie große Abszesse gehören mittlerweile deshalb zu den eher seltenen Behandlungen!


Diese erfreuliche Entwicklung können wir allerdings nur fortsetzen, wenn weiterhin Kolleginnen und Kollegen sich für einen Einsatz zur Verfügung stellen. Das Dental EMT sucht für die Fortsetzung der Arbeit auf Chios daher weiter und ständig helfende Hände, die mindestens eine Woche im Einsatz vor Ort sein können. Die Unterkunft und ein Fahrzeug werden in aller Regel gestellt. Daneben sind auch Material- und Geldspenden aller Art herzlich willkommen. 

Dr. Alexander Schafigh

1. Vorsitzender Dental EMT

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