Von der Saale nach Stockholm

Ein deutscher Kaufmannssohn wird Königlicher Hofzahnarzt in Schweden

Uwe Kraus
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Der erste offizielle Hofzahnarzt am schwedischen Königshof war ein Deutscher: Joel Assur. Der jüdische Kaufmannssohn aus Bernburg an der Saale genoss einen ausgezeichneten Ruf und veröffentlichte die erste zahnmedizinische Monografie auf Schwedisch. Darin warnte er vor dem schlechten Einfluss von Zucker auf die Zähne.

Was gibt es Schöneres als einen mit schönen Zähnen geschmückten und gut ausgestatteten Mund, dessen Weiße durch die leuchtend rote Farbe des Zahnfleisches noch verstärkt wird? Macht diese Farbabstufung in Verbindung mit der Anordnung der Zähne nicht ein attraktives Objekt aus? Andersherum, wie unangenehm ist Zahnlosigkeit? Sobald ein Mund in diese schadhafte Situation geraten ist, passiert Folgendes: Die Stimme verändert sich, die Aussprache leidet, die Wangen sind hohl und hängen herab, das Kinn hebt sich und zeigt auf die Nase, die Zeichen des Alters folgen sichtbar auf diesen Verfall.“ Diese aus heutiger Sicht durchaus modernen Erkenntnisse schrieb Joel Assur, Hofzahnarzt beim Schwedenkönig Gustav IV., in seiner Arbeit „Kurze Mitteilung der häufigsten Zahnkrankheiten“ von 1799.

Assur ist ein Beispiel dafür, wie es der zukunftsorientierten jüdischen Jugend in Deutschland Mitte des 18. Jahrhunderts gelang, sich in anderen Berufen als dem traditionellen Kaufmannsberuf zu etablieren. Assur gilt als Schwedens erster zugelassener Zahnarzt im modernen Sinne – und stammt aus Bernburg an der Saale in Sachsen-Anhalt. Dort kam er als Sohn des jüdischen Kaufmanns Anschel Levin Joel Assur zur Welt.

Wo Assur ausgebildet wurde, ist bisher unklar. Aber er genoss einen guten Ruf, der ihn in den 1780er-Jahren als Zahnarzt an den Hof des Großherzogs von Mecklenburg-Strelitz führte. 1791 wanderte er – nach einer weiteren Berufsstation in Stralsund – aus Mecklenburg aus und ließ sich als Zahnarzt in Stockholm nieder. Sein medizinisches Können verschaffte ihm hohes Ansehen, so dass er ab 1792 zum „Königlicher Hofzahnarzt“ beim Schwedenkönig ernannt wurde. Er zählte zu den ersten Juden, denen die Ansiedlung in Schweden erlaubt wurde.

Der Zahnarzt sollte kein Scharlatan mehr sein

Zu dieser Zeit gab es das Berufsbild des Zahnarztes in Schweden noch nicht, abgesehen davon, dass seit 1663 für die Berufsausübung eine Genehmigung erforderlich war und dass es verboten war, andere Formen der Gesundheitsfürsorge auszuüben. Chirurgen, aber auch Quacksalber, Friseure und Bader nannten sich Dentisten, Zahnärzte oder auch Zahnkünstler. Erst 1797 stellte man klarere Regeln auf, und Assur erhielt seine Zulassung.

1799 veröffentlichte der Hofzahnarzt aus Bernburg ein Buch über die Kunst der Zahnheilkunde – die erste zahnmedizinische Monografie, die auf Schwedisch veröffentlicht wurde. In seinem Buch gab er zu, dass Zahnärzten in dieser Zeit „wenig Achtung entgegengebracht wurde“, da „sie mit Scharlatanen und Abenteurern zur selben Klasse gehören“. Es war eine bahnbrechende Schrift: Er forderte als erster in Schweden die Öffentlichkeit auf, sich die Zähne mit Zahnbürste und Zahnpasta zu putzen, und warnte vor der schlechten Wirkung von Zucker auf die Zähne.


Assur hatte eine große Familie und trotz seiner – kleinen – Pension vom König wenig Geld, was ein Grund gewesen sein kann, dass er 1821 noch einmal in die Heimat nach Bernburg zurückkehrte. Dort offerierte er interessierten Patienten stomatologische Behandlungen. In den „Anhalt-Bernburgischen Wöchentlichen Anzeigen“ vom 18. August 1821 annoncierte er auf Seite 212 seine Dienste als „Zahnoperateur“ (siehe Anzeigenausschnitt). Dazu gehörten das Einsetzen von Zähnen und eine von ihm selbst erfundene Zahnreinigung. Als temporäre Praxis nutzte er von 8 bis 19 Uhr die Wohnung seines Bruders, Hoftanzmeister Moses Assur. Joel Assur starb am 16. November 1837 in Stockholm und liegt in Kronobergsparken begraben. Auf dem Grabstein wird er „der alte gelehrte Khabern Herr Joel ben Ascher Segal“ genannt.

Sein Sohn Axel Assur wirkte später in Russland als Zahnarzt, Sohn Josua und Tochter Amalia praktizierten in Schweden. Wegen seiner Größe wurde Josua „Langer Assyrer“ genannt. Er starb 1868 und wurde auf dem jüdischen Friedhof Aronsberg in Stockholm bestattet. 

Seine Tochter war erste Zahnärztin in Schweden

Amalia ging wie ihr Vater in die schwedische Medizinhistorie ein. Sie wurde am 8. Juni 1803 in Stockholm geboren und gilt als die erste weibliche Zahnärztin in Schweden. Die anerkannte Dentalhygienikerin heiratete nie und blieb alleinstehend. Sie wurde von ihrem Vater ausgebildet und war schon früh als seine Assistentin tätig.

Amalia wurde schließlich bei den Behörden angezeigt, weil sie ohne Lizenz praktizierte. 1852 erhielt sie eine Sondergenehmigung des Königlichen Gesundheitsamtes, um unabhängig als Zahnärztin zu praktizieren. Es handelte sich dabei um eine persönliche Ausnahmegenehmigung, da der Beruf der Zahnärztin für Frauen noch nicht zugelassen war. Erst im Jahr 1861 wurde der Beruf des Zahnarztes offiziell für Frauen geöffnet. Amalia Assur war in ihrem Beruf eine Pionierin. Die erste Frau, die nach der Öffnung des Berufs in Schweden eine Approbation erhielt, war Rosalie Fougelberg, zu deren Patientinnen später die niederländische Königin Louise zählte. Amalia Assur starb mit 86 Jahren 1889 und ging in die Annalen der schwedischen Medizin ein. 

Literaturliste


Kvinnliga tandläkarklubben, 1966

Biografisches Lexikon, 1864

„Anhalt-Bernburgische Wöchentliche Anzeigen“, 1821

Stadtarchiv Bernburg

Reiner Krziskewitz: Juden in Anhalt-Bernburg im 18. Jahrhundert, 2011

Uwe Kraus

Uwe Kraus

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