Verhaltensauffälligkeiten bei der Demenz

Unruhe, Misstrauen und Halluzinationen

Schlaflosigkeit, Unruhe, Misstrauen und Aggressionen, solche Symptome bahnen oft den Weg in die Demenz. Denn zum Teil treten schon Jahre bevor eine deutliche Einbuße der geistigen Leistungsfähigkeit erkennbar wird, Wesensveränderungen auf. Beim Vollbild der Demenz sind Verhaltensstörungen schon eher die Regel als die Ausnahme.

Die Palette des Verhaltensmusters reicht bei Demenz-Kranken vom sozialen Rückzug über eine starke Agitiertheit oder auch eine ausgeprägte Antriebslosigkeit bis hin zu massiven Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus, zu Wahnvorstellungen und Halluzinationen. „Für die pflegenden Angehörigen sind solche Begleitsymptome oft schwieriger zu ertragen, als die kognitiven Leistungsdefizite“, erläuterte Professor Dr. Rolf Hirsch von den Rheinischen Kliniken in Bonn bei einem Pressegespräch in einem Altenheim in Brandis bei Leipzig.

Wenn die Pflege zur Tortur wird

Die Angehörigen erleben das unangepasste Verhalten der Demenz-Patienten, deren Feindseligkeit oder sogar körperliche Aggressionen als regelrechte Kränkung, und es kommt nicht selten vor, dass Demenz-Kranke in ein Pflegeheim eingewiesen werden, beispielsweise weil sie die langjährige, sie nun pflegende Ehefrau nicht mehr erkennen. „Solche Verkennungen treten bei 20 bis sogar 40 Prozent der Patienten auf“, sagte Hirsch. Häufig reagieren Demenz-Patienten zudem mit Depressionen und mit unerklärlichen Ängsten. Die Schlaflosigkeit, die meist ein rastloses Umhergehen im Haus zur Folge hat, aber auch wiederholtes Rufen oder lang anhaltendes Schreien, kann schließlich die Betreuung in der häuslichen Umgebung zur Tortur für die Bezugspersonen machen. Dann folgen vermehrte Krankenhauseinweisungen und schließlich nicht selten die Heimweisung, so der Mediziner.

Rechtzeitig therapieren

Soweit muss es nicht kommen, wenn die Verhaltensauffälligkeiten frühzeitig adäquat behandelt werden. Dazu gehören nach Hirsch nicht-pharmakologische wie auch pharmakologische Maßnahmen. So ist eine sozio- und psychotherapeutische Intervention ratsam, dazu Gedächtnistraining sowie eine gezielte Ergo-, Milieu- und Verhaltenstherapie. Hinzu kommen sollte eine gezielte medikamentöse Behandlung, welche die Gabe von Antidementiva und Nootropika, die primär auf den Erhalt der geistigen Leistungsfähigkeit abzielen, sowie von Neuroleptika, welche die Verhaltensstörungen beeinflussen, umfasst. Bei den Neuroleptika empfehlen die Fachgesellschaften einen der modernen atypischen Wirkstoffe wie das Risperidon, welches zudem als einzige Substanz für die Behandlung von Verhaltensauffälligkeiten bei Demenz-Patienten offiziell zugelassen ist.

Die atypischen Neuroleptika haben nach Hirsch den Vorteil, dass sie keine Tagesmüdigkeit und keine anticholinergen Wirkungen vermitteln und somit deutlich verträglicher sind als die konventionellen Substanzen. Die beste Studienlage liegt für das Risperidon vor, welches in einer Dosierung von 0,5 bis 1 Milligramm täglich gegeben wird. Hirsch: „Es ist die Substanz, die bei der niedrigsten Dosierung die höchste Potenz bietet“.

Gute Wirksamkeit, gute Verträglichkeit

Die gute klinische Wirksamkeit des Risperidon wurde unter anderem in einer Studie bei 89 Demenz-Patienten dokumentiert. Diese wurden vier Wochen lang mit dem modernen Atypikum oder dem konventionellen, niedrig potenten Neuroleptikum Melperon behandelt. Die Verhaltensauffälligkeiten der Patienten wurden durch die behandelnden Ärzte, aber auch durch die Angehörigen beurteilt und es zeigte sich, dass sie durch die Einnahme von Risperidon deutlich stärker reduziert werden. Vor allem Symptome wie Misstrauen und Aggressivität wurden besser gelindert ebenso wie Wahnvorstellungen und Halluzinationen.

Erhebliche Unterschiede zeigten sich nach Angaben von Privatdozentin Dr. Gabriela Stoppe aus Göttingen beim gestörten Schlaf-Wachrhythmus: Während die Patienten unter Melperon häufig am Tage einschlummerten, geschah dies unter dem Atypikum signifikant seltener. Dafür war das nächtliche Erwachen unter Risperidon signifikant seltener, berichtete die Referentin bei der Veranstaltung von Janssen-Cilag. Gleichzeitig wurden unter Risperidon nach ihren Worten Symptome wie Schwindel und Gangunsicherheiten signifikant gebessert.

Unerwünschte Nebenwirkungen waren in beiden Behandlungsgruppen nach Stoppe selten, wobei auch in diesem Punkt das Atypikum infolge der fehlenden anticholinergen Effekte besser abschnitt. Es brachen nur sieben Prozent gegenüber 13 Prozent der Patienten unter Melperon die Therapie ab, und sowohl die Ärzte als auch die allgemeinen Betreuungspersonen der Patienten beurteilten die Behandlungsergebnisse unter Risperidon als deutlich besser.

Die Behandlung hat, so Dr. Rainer A. Richter, Leipzig, auch ökonomische Implikationen. Denn wenn es gelingt, durch eine medikamentöse Therapie den Pflegeaufwand zu minimieren und möglicherweise sogar die Heimeinweisung abzuwenden, so erspart das der öffentlichen Hand zum Teil erhebliche Pflegekosten. Richter: „Wir haben somit zugleich eine moralische wie auch eine ökonomische Pflicht, Verhaltensstörungen bei Demenz-Patienten effektiv zu behandeln.“

Christine VetterMerkenicherstrasse 22450735 Köln

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