Fortbildungsteil 2/2002

Auswirkungen restaurativer Werkstoffe auf die Mundschleimhaut

195707-flexible-1900

Viele Zahnärzte inkorporieren heute ihren Patienten Werkstücke, deren materialkundlichen Hintergründe sie kaum oder gar nicht kennen, obwohl sie für diese Maßnahmen die volle Verantwortung gegenüber dem Patienten und seiner Gesundheit zu tragen haben. Sie vertrauen nicht selten den Empfehlungen ihres Technikers oder den Herstellern von Grundstoffen, die in Ermangelung von brauchbaren und aktuellen Zulassungsvorschriften auch nicht über fundierte Beurteilungskriterien verfügen. Aus Überlieferungen und eigener Erfahrung weiß der Zahnarzt in der Regel, welche Werkstoffe und Materialien, insbesondere die der älteren Generation (Rosagips, Phosphatzement, Edelmetall-Legierungen und andere), seinem Patienten aus biologischer Sicht zumutbar sind. Diese Kenntnisse allein genügen heute aber nicht mehr. Der Begriff der so genannten Biokompatibilität (biologische Verträglichkeit) muss genau definiert und auch verstanden werden. Allzu schnell ist man heute als Zahnarzt versucht, eine Gingivitis, ein Schleimhautbrennen oder eine Rötung pathogenetisch einem allergischen Geschehen oder bei einer Beteiligung eines abnehmbaren Zahnersatzes den so genannten „Prothesenstomatopathien“ zuzuordnen.

Biokompatibilität

Die so genannte biologische Verträglichkeit unterteilt sich in verschiedene, zum Teil sehr komplexe Begriffe. Sie beinhaltet die Onkogenität, Mutagenität, Allergenität und Toxizität (Abbildung 1). Die ersten beiden Begriffe treten in ihrer Bedeutung etwas in den Hintergrund (mit Ausnahme der vermuteten kanzerogenen Wirkung von Abbauprodukten aus Kompositen), während die beiden letzteren im Mittelpunkt bei Unverträglichkeitsvermutungen stehen. Entscheidend ist, dass die beiden Bezeichnungen Allergenität und lokale Toxizität streng auseinandergehalten werden. Die Allergie ist ein genau definierter medizinischer Begriff für ein Krankheitsbild, der nicht mit der lokaltoxischen Reaktion leichtfertig gleichgesetzt werden darf, wie dies allzu oft von Zahnärzten und damit auch von Patienten praktiziert wird. Während wirkliche Allergien auf zahnärztliche Werkstoffe oder Teile daraus bei Patienten eher selten beobachtet werden können, handelt es sich bei werkstoffbedingten Erkrankungen in der Mundhöhle vornehmlich um lokaltoxische Reaktionen, die chronisch, aber auch akut verlaufen können. Solche Reaktionen können – müssen aber nicht – isoliert, oder mit systemisch toxischen und/oder allergischen Reaktionen gekoppelt sein. Hauptverursacher von solchen pathologischen Ereignissen sind Metalle und Legierungen von festsitzendem und abnehmbarem Zahnersatz.   

Allergien

Allergene sind zwar im Werkstoffbereich der Zahnmedizin recht häufig anzutreffen [Wichelhaus 1998]. Sie spielen aber nicht nur für den Patienten, sondern viel mehr für den Zahnarzt, sein Personal und den Zahntechniker eine bevorzugte Rolle. Die Tabelle 1 gibt eine kleine Übersicht über die wichtigsten allergisierenden Stoffe und die potentiell betroffenen Berufsgruppen. Die meist lokalisierte Kontaktallergie wird über T-Lymphozyten vermittelt und manifestiert sich mit einer juckenden Schwellung oder einer Dermatitis [Bircher1996], kaum aber mit Erscheinungen auf der Mundschleimhaut. Zurecht empfehlen Reitmeyer et al. [1998] Materialunverträglichkeitsabklärungen nicht als Allergiesprechstunden zu bezeichnen, weil der Patient oft genug – wie auch viele Zahnärzte – einen Allergieverdacht für seine Beschwerden äußert. Den Patienten dann davon zu überzeugen, dass es sich in der bei ihm vorliegenden Situation häufig nicht um eine Allergie handelt, ist sehr schwierig und zeitaufwändig. Die Fachleute sind sich heute darüber einig, dass kontaktallergische Reaktionen der Mundschleimhaut durch Dentalmaterialien selten sind, bedingt durch die strukturellen und funktionellen Besonderheiten der Mundschleimhaut [Bahmer 1996]. Es wird sogar angeraten, bei der Beurteilung von Prothesenunverträglichkeiten und ihren diagnostischen Abklärungen auf Epikutantests mit Dentalstoffen zu verzichten, weil die Mehrzahl der Reaktionen nicht allergischer Natur ist und der Epikutantest zudem die Gefahr birgt, gerade bei wiederholter Testung mit potentiellen Allergenen (zum Beispiel Acrylaten) eine iatrogene Sensibilisierung zu erzeugen [Schmidt und Wollina 1996].  

Prothesenstomatopathien

Die Prothesenstomatopathien zählen zu den Erkrankungen der Mundhöhle, die der Zahnarzt in seiner täglichen Praxis häufig antrifft. Die Ursachenermittlung ist oft sehr schwierig und komplex, so dass nicht selten Therapien eingeleitet werden, die auf einer Verdachtsdiagnose und nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen [Wirz 1993 a und b; Coca et al. 1997 und 1998; Wirz et al. 1998]. Die Symptome der Prothesenstomatopathie können einzeln oder kombiniert auftreten und lassen sich folgendermaßen umschreiben:  

• Erythem (Abbildung 2)

• Schleimhautbrennen

• Schmerz (lokal, oberflächlich oder diffuse dumpf und zum Teil ausstrahlend)

• Geschmacksirritationen

Differentialdiagnostisch lassen sich die ätiologischen Faktoren der Prothesenunverträglichkeit fünf Hauptgruppen zuteilen [Wirz et al. 1998]:

1.

Werkstoffe (Toxizität, Allergie)

2.

Mechanische Irritation (Druckstelle, scharfe Kanten)

3.

Mikrobielle Reize (Bakterien, Pilze)

4.

Immunsuppression (Alter, physischer Stress, HIV) (Abbildung 3)

5.

Stoffwechselerkrankungen (Diabetes, Hepatitis)

6.

Psychogene Faktoren (psychischer Stress, Ablehnung des Zahnersatzes)

Während der Zahnarzt für Diagnose und Therapie der drei ersten Hauptgruppen in der Regel autonom handeln kann, ist er für die beiden letzten auf die fachübergreifende Mithilfe von Spezialisten (Internisten, Allergologen, Dermatologen, Psychiater) angewiesen. Zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommen auch Bergdahl et al. [1999], auf Grund deren Studie das Schleimhautbrennen (Burning- Mouth-Syndrom) als Ausdruck einer allgemeinen Erkrankung und/oder erhöhten Belastung angesehen werden muss, und die komplexe Ätiologie eine spezielle Behandlung erfordert.   

Dass Schleimhautbrennen hoch significant ein Symptom einer orofazialen Somatisierungsstörung darstellt [Wolowski 1999],

darf dagegen eher bezweifelt werden, insbesondere, wenn die Symptome im Zusammenhang mit Zahnersatz auftreten.

Toxizität

Bei einer Material- oder Werkstoffunverträglichkeit mit subjektiven und/oder klinischen Symptomen in der Mundhöhle handelt es sich fast ausnahmslos um „lokaltoxische Reaktionen“, die unabhängig einer zusätzlichen Allergie auftreten können und zur Hauptsache von Metallen und Legierungen von festsitzendem und/oder abnehmbarem Zahnersatz verursacht werden (Abbildungen 4 bis 6). Die lokalen Reaktionen auf zahnärztliche Werkstoffe und Werkstücke – bei Frauen im Verhältnis drei zu eins häufiger gegenüber Männern – erfolgen in der Regel bereits kurz nach Eingliederung eines Werkstückes, während primär allergische oder systemisch/toxische Reaktionen erst nach Monaten oder Jahren manifest werden [Jungo et al. 1999; Wirz 2002].

Metallbedingte Erkrankungen

Metallbedingten Erkrankungen liegt immer ein korrosives Geschehen zu Grunde. Metalle und Legierungen können sich im umgebenden Medium (Elektrolytbildung) oberflächlich auflösen, wobei es zu einem Elektronen- und Ionenaustausch kommt. Dabei stellt nicht, wie oft fälschlicherweise angenommen wird, das so genannte galvanische Element beziehungsweise Zweitmetall- Element die Hauptursache für die Auflösung von metallischen Werkstoffen in der Mundhöhle dar, sondern die andere elektrochemische Korrosionsform, das Lokalelement. Letzteres kommt meist isoliert, das heißt ohne galvanischen Partner, zustande, bevorzugt dann, wenn die schützende Passivschicht chemisch oder mechanisch zerstört wird. Charakteristischerweise ist der korrosive Angriff immer lokal, so dass man auch von Lochfraß oder Spaltkorrosion spricht (Abbildung 7).  

Spaltbereiche sind in der Mundhöhle genügend vorhanden, was eine Sauerstoffbelüftung verhindert, so dass auch hochwertige Legierungen der Korrosion anheim fallen können. Spaltbereiche sind besonders geeignet, die Sauerstoffbelüftung zu reduzieren oder gänzlich zu unterbinden. Dabei entsteht ein massiver Abfall des pH-Wertes, was wiederum die elektrochemische Korrosion in Form des Lokalelementes massiv unterstützt. Schwer belüftbare Spaltsituationen, die zu starken Zerstörungen von Legierungen durch ein Lokalelement führen können, sind in der Mundhöhle ausreichend vorhanden:

• Wurzelkanal mit Metallstiften

• Gingivasulkus mit metallischen Kronenrändern

• Primär-/Sekundärteleskope

• Grenzspalte zwischen Keramik/Metall

• Grenzspalte zwischen Kunststoff/Metall

• Spalträume bei bedingt abnehmbaren, verschraubten Rekonstruktionen (insbesondere bei implantatgetragener Prothetik)

• sub- und supramarginale Spalträume zwischen Implantaten und Suprastrukturen

• poröse Lötstellen

• KO-Brackets.

Werkstoff- und milieubedingte Ursachen, die vereinzelt oder auch kombiniert zum Lokalelement führen, können wie folgt zusammengefasst werden:

• korrosionsanfälliges Metall oder Legierung

• ungebundene Haftoxide von Aufbrennlegierungen

• inhomogene Gefügestruktur aus Kaltund Warmumformung, Lunker, Einschüsse, und andere

• Oberflächenfehler, Verunreinigungen, Verletzungen der Oberfläche

• Elektrolyt (Flüssigkeiten oder Gase).

Auch Amalgamfüllungen, korrekt verarbeitet, sind passiviert und somit elektrochemisch inert und kommen auch in Verbindung mit korrosionsresistenten Legierungen in der Regel nicht als Ursache von Unverträglichkeitserscheinungen in Frage. Das galvanische Element funktioniert nicht, da im Speichel keine Elektronen fließen und somit auch kein Strom fließen kann. Strom fließt nur dann, wenn unterschiedliche Metalle mit einem künstlichen Leiter (zum Beispiel bei den fragwürdigen und irreführenden Mundstrom-Messgeräten) nach Entfernen der Passivschichten verbunden werden. Zurzeit gibt es auch keine klinisch erprobten Beschichtungsmöglichkeiten (Ti-Nitridbeschichtung, Vergoldung, Silanisierungen und andere), um unedle beziehungsweise nicht kompatible Legierungen für die Mundhöhle inert zu machen.  

Die durch Korrosionsvorgänge aus dem Metallgefüge einer Legierung herausgelösten Metallionen führen zu Wechselwirkungen mit dem lebenden Gewebe, sowie zu objektivierbaren und nicht objektivierbaren Unverträglichkeitsreaktionen. Die verschiedenen Metallionen, oft in Komplexe gebunden, verfügen über unterschiedliche lokale Toxizitätswerte. Unverträglichkeiten, Schleimhautveränderungen, Gewebeschädigungen sowohl an natürlichen Parodontien als auch am periimplantären Knochengewebe als Folge freigesetzter toxischer Metallionen sind sehr häufig anzutreffen [Wirz 1993 a; Wirz 1998; Wirz et al. 1999].  

Metallinduzierte Krankheitsbilder lassen sich wie folgt auflisten: Subjektiv:

• Mundtrockenheit

• Geschmacksirritation (Metallgeschmack)

• Schleimhautbrennen an Zungenrand und Wange mit und ohne Rötung

• Fremdkörpergefühl

• Lokale und generalisierte ausstrahlende Schmerzen im Kiefer-Gesichtsbereich

• Entzündungen im marginalen Bereich von Pfeilerzähnen und/oder Implantaten

• Beweglichkeit von Pfeilerzähnen und/oder Implantaten

Objektiv:

• Schleimhautrötungen

• Schleimhautschwellungen

• Erosionen

• Gingivitiden

• Gingiva-Hyperplasien

• Lokale Parodontitiden

• Verfärbungen an Hart- und Weichgewebe

• Lysen an Dentin und Alveolarknochen

• Zerstörungen am periimplantären Knochen

• Nekrosen an Knochen und/oder Weichgeweben.

Metallgeschmack ist immer ein sicheres Zeichen einer – wenn auch nur ganz geringen – Korrosion, wobei nicht die Qualität der Metallionen, sondern die aus dem Elektrolyten dissoziierten OH¯-Ionen Geschmack bestimmend sind. Neben der lokalen Toxizität sind noch weitere allgemeine Krankheitssymptome in Form einer systemischen Toxizität in Abhängigkeit von Qualität der toxischen Substanzen nicht auszuschließen.  

Es besteht heute kein Zweifel mehr darüber, dass inkompatible Metalle und Legierungen durch ihre aus dem Gefüge korrosiv entlassenen toxischen Metallionen (Korrosionsprodukte) auch als primäre Ursache von lokalisierten parodontalen Erkrankungen und Zerstörungen von Implantatlagern in Frage kommen [Wirz 1993 a; Wirz 1999]. Die toxischen Metallionen (Ni, Co, Cu, Be, Cd, In, Ga, V) üben in Abhängigkeit ihrer unterschiedlichen toxischen Potenz und der anfallenden Menge auf das Parodont und das periimplantäre Gewebe ähnliche Wirkungen aus wie Antigene, Enzyme und Toxine von Bakterien. Die mangelnde Korrosionsresistenz verschiedener zahnärztlicher goldreduzierter Legierungen, Palladiumbasis- und Nickelbasislegierungen, Buntmetallen und so genannten rostfreien Stählen, konnten bereits durch diverse In-vitro-Experimente und Abklärungen von klinischen Misserfolgen dargestellt werden [Reuling 1992; Wirz 1993 b; Jungo et al. 1996; Wirz et al. 1997; Wirz und Schmidli 1999].  

Physiologischer Metallgehalt im Gewebe

Zur Beurteilung, ob korrosiv freigesetzte Metall-Ionen im Organismus und besonders in Mundhöhlengeweben eine pathogene Reaktion auslösen können, muss der physiologische Metallgehalt im gesunden Menschen bekannt sein. Merian berichtete bereits 1984 über den Metallgehalt im Menschen allgemein und über denjenigen im Muskelgewebe im Besonderen. Über den physiologischen Morgenspeichel bei karriesfreien Probanden und Patienten mit verschiedenen metallischen Rekonstruktionen geben die Studien von Dillena [1992] und Wirz et al. [1992] Auskunft. Die Resultate einer Studie über die physiologische Grundbelastung der Mundschleimhaut wurden von Bolliger [1995] und Wirz et al. [1995] publiziert. Der Gehalt des gesunden Kieferknochens an Metallionen wurde 1999 von Wirz et al. abgeklärt. Die Abbildung 8 fasst die Resultate der erwähnten Grundlagenstudien in logarithmischer Darstellung zusammen.

Patientenbeispiele

Anhand von vier klinischen Patientenfällen werden Beispiele von lokaltoxischen Reaktionen auf Metall-Ionen dargestellt. Der pathologische Metallgehalt der Schleimhaut der Fälle eins bis vier ist in der Abbildung 9 logarithmisch dargestellt und im Vergleich mit der durchschnittlichen physiologischen Belastung gestellt.  

Beim Fall 1

(Abbildung 10) handelt es sich um eine VMK-Brücke, die während drei Jahren getragen worden ist. Die Brücke, aus einer Nickel-Basislegierung mit mehr als 80 Gewebe-Prozent Nickel, korrodierte am Kronenrand, im unbelüftbaren Sulcus der Gingiva und entließ dauernd lokaltoxische Nickelionen in die Umgebung und die Gingiva, wo sie auch in pathologischer Quantität (459 mg/g) nachweisbar waren.  

Fall 2

(Abbildung 11) zeigt eine entzündete Schleimhaut im Oberkiefer, verursacht durch die korrodierende Lötstelle zwischen dem Prothesengewebe (Co-Basislegierung) und der hochgoldartigen Brücke. Die metallurgische Zusammensetzung des korrodierten Lotes (neun verschiedene und zum Teil toxische Metalle) lassen sich in der entzündeten Schleimhaut in unphysiologischem Maße wieder auffinden.  

Fall 3

(Abbildung 12) gibt die veränderten Gingivaverhältnisse einer aufbrennkeramischen Oberkiefer-Frontbrücke aus einer goldreduzierten Legierung (45 Gew.-Prozent Au) wieder. Hier ist nicht die Toxizität, sondern vielmehr die Quantität der aus der Legierung korrosiv entlassenen Metall-Ionen die Ursache der pathologischen Reaktion (25 850 mg/g Au und 1413 mg/g Ag).  

Beim Beispiel Fall 4

(Abbildung 13) finden wir schwerste Entzündungen um die festsitzenden Primärkronen einer kombinationsprothetischen Konstruktion. Die Geschiebeteile, sowohl am festsitzenden als auch am abnehmbaren Teil sind mit einem kadmiumhaltigen Lot eingefügt worden. Die Lotanteile, insbesondere die toxischen, sind in pathologischer Quantität in der entzündeten Gingiva wiederzufinden (Kupfer: 11 000 mg/g, Kadmium: 22 mg).  

Diagnostische Hilfe

In jüngster Zeit werden vermehrt günstige Ferien- und Kuraufenthalte in ehemaligen Ostblockländern mit gleichzeitiger zahnärztlicher Behandlung mit und ohne Implantate sowie „hochwertigen“ Legierungen zu extrem günstigen Preisen angeboten. Zahlreiche der im Rahmen dieses modernen Dentaltourismus behandelten Patienten stellen sich bereits nach wenigen Wochen mit zum Teil schweren lokaltoxischen Reaktionen (Metallgeschmack, Schleimhautbrennen, Gingivitiden und andere) bei ihrem Zahnarzt vor, der dann eine Ursachenabklärung vornehmen sollte. In all diesen Fällen ist es möglich, mit dem so genannten Splittertest den Legierungstyp – in der Regel korrosionsanfällige Ni-Basis- oder Pd-Basislegierungen präzise zu identifizieren [Wirz et al. 1996; Wirz 2002].  

Die Beurteilung eines einzelnen Splitters im Rasterelektronenmikroskop lässt neben der Legierungsidentifikation in einzelnen Fällen bereits typische Mikroläsionen in Form von Lochfraßkorrosion erkennen. In der Folge kann diesen Patienten nur geholfen werden, in dem die unedlen kronen- und brückenprothetischen Werkstücke durch solche aus hochwertigen, biokompatiblen Materialien ersetzt werden. Am Zentrum für Zahnmedizin der Universität Basel konnten im Zeitraum von zehn Jahren über 1600 Splitteranalysen durchgeführt werden, die in 73 Prozent zu einem vollen Therapieerfolg, in 27 Prozent zu einem Teilerfolg und nur in zehn Prozent zu keinem Behandlungserfolg beitragen konnten [Petrini 2002].

Schlussfolgerungen

Die Auswahl hochwertiger Materialien und ihre korrekte Verarbeitung schützen den Patienten am wirksamsten vor werkstoffbedingten Schädigungen. Auf der genauen Beachtung der Erkenntnisse aus der modernen klinischen Werkstoffkunde und -prüfung basiert die strenge, seit Jahren durchgesetzte Lehrmeinung des Basler Zahnärztlichen Universitätszentrums. Danach dürfen in der restaurativen Zahnmedizin nur noch metallische Werkstücke (Teilprothesen, Kronen, Brücken, Gussfüllungen, Wurzelstifte, KfO-Geräte und andere) aus korrosionsbeständigen und biokompatiblen Metallen und Legierungen Anwendung finden.  

Zu diesen Werkstoffen zählen:

• hochgoldhaltige Edelmetall-Legierungen (75 Gewichts-Prozent und mehr Gold mit geringem Indiumgehalt und ohne Gallium)

• Kobal-Basislegierungen

• Titan, Tantal, Niob, Zirkon und deren Legierungen.

Mit diesen Legierungstypen sind alle zahnärztlichen Bedürfnisse abzudecken. Auf Lötungen jeglicher Art soll – wenn immer möglich – verzichtet werden, da alle Lote unedle, zum Teil toxische Legierungskomponenten enthalten und somit korrosionsanfällig sind. Blockguss, Schweißen, Lasern, Kleben und Nieten sind heute geeignete Alternativen zum Löten. Auch sämtliche Beschichtungsverfahren wie Vergolden oder Beschichtungen mit Titannitrit zur Veredelung inkompatibler Legierungen oder zur ästhetischen Verbesserung sind untauglich.  

Prof. Dr. Jakob Wirz

Zentrum für Zahnmedizin der Universität Basel

Hebelstrasse 3

CH – 4056 Basel

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.