Die Vorstellungen der Parteien im Überblick

Wahlprüfsteine

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Unter dem Leitmotiv „Für eine zukunftsorientierte Gesundheitsreform und ein freiheitliches Gesundheitswesen“ hat die Bundeszahnärztekammer mit zwölf Wahlprüfsteinen den kandidierenden Parteien „auf den Zahn gefühlt“. Abgefragt wurde die Haltung zu den wesentlichen Punkten zahnärztlichen Interesses. Bis Redaktionsschluss hatten – abgesehen von der SPD – alle kandidierenden Parteien ihre auch von den vorliegenden Wahlprogrammen getragenen Vorstellungen übermittelt. Nachfolgend die Standpunkte in Stichworten:

1. Wahlprüfstein: Zahnärztliche Freiberuflichkeit – Voraussetzung einer vertrauensvollen Arzt-Patienten-Beziehung

FDP:Einführung der Kostenerstattung; Honorierung nach festen Punktwerten sowie Rückführung staatlicher Regelungen auf einen Ordnungsrahmen, um den Erhalt der Freiberuflichkeit zu gewährleisten.

CDU:Erhalt der Diagnose- und Therapiefreiheit unter stärkerer Ausrichtung an qualitätsgesicherten, an der Freiberuflichkeit orientierten Merkmalen; Überarbeitung des Vergütungssystems, das der Rolle des Arztes als Freiberufler entsprechen soll; Beseitigung von bürokratischen Strukturen; stärkere Verantwortung des Arztes/Zahnarztes für Ausmaß und Kosten der von ihm veranlassten Leistungen.

Bündnis90/Die Grünen:Einführung des Hausarztmodells zur Erhaltung der Wahlfreiheit der Patienten bezüglich Arztwahl und Therapiealternativen (Hausarzt als Berater).

PDS:Hoher Stellenwert der Freiberuflichkeit durch hohe Qualität und Wertschätzung als Garant für die berufliche Zukunft; keine alleinige Voraussetzung für eine vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung, die – neben der Situation abhängig Beschäftigter in Kliniken und mehr – durch die Vorzüge von Ärztenetzen, Gesundheitszentren und Kooperationen entstehen kann.

2. Wahlprüfstein: Freie Arztwahl und Patientenautonomie – Wesensmerkmale eines freiheitlichen Gesundheitswesens

FDP:Freie Arztwahl ist unabdingbar.

CDU:Freie Arztwahl als unerlässliche Voraussetzung für ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient; Ablehnung des Hausarztmodells; Erhöhung der Transparenz in allen Bereichen des Gesundheitswesens, um Patienten notwendige Informationen verständlich näher zu bringen und in die Lage zu versetzen, nötige Entscheidungen treffen zu können; dazu unterstützender Einsatz neuer Kommunikationstechnologien.

Bündnis90/Die Grünen:Erhalt der Wahlfreiheit der Patienten bezüglich der Arztwahl und Therapiealternativen durch das Hausarztmodell; Realisierung von Einsparungen durch Lotsenfunktion der Hausärzte, dadurch Vermeidung von Doppelund Fehlbehandlungen; Erhalt der Wahlfreiheit bei der zahnärztlichen Prophylaxe.

PDS:Freie Arztwahl ist wesentliche Voraussetzung für das Arzt-Patienten-Verhältnis. Einkaufsmodelle gefährden die freie Arztwahl durch ökonomischen Preisdruck der Leistungsanbieter und führen zu einer Kommerzialisierung der gesundheitlichen Versorgung.

3. Wahlprüfstein: Wirtschaftliche Existenzfähigkeit der Praxen – Bedingung für patientenund qualitätsorientierte Versorgung

FDP:Feste Punktwerte als Grundvoraussetzung zur Verbesserung der Honorierung; Aufstockung der Vergütung in den Neuen Ländern auf Westniveau sowie Reduzierung der Ausgleichsmechanismen zwischen Verrechnungsstellen auf ein Minimum, um den eingesparten Betrag in der Versorgung ausgeben zu können.

CDU:Überarbeitung des Vergütungssystems, so dass es der Rolle des Arztes als Freiberufler entspricht; Beseitigung bürokratischer Strukturen; stärkere Verantwortung des Arztes/Zahnarztes für Ausmaß und Kosten der von ihm veranlassten Leistungen; keine Aussage zur Ost-West-Angleichung der Gebühren.

Bündnis90/Die Grünen:Ost-West-Angleichung der Gebühren ist abhängig von der Angleichung der Einkommensverhältnisse. Nötig ist eine Neustrukturierung der GOZ.

PDS:Regelmäßige und zeitnahe Angleichung des GOZ-Punktwertes an die Kostenentwicklung sowie für eine Gebührenangleichung in den Neuen Ländern. Dazu notwendigen Reformen dürfen dabei nicht zu Lasten der Versicherten und Patienten gehen.

4. Wahlprüfstein: Grundlegende Reformen im Gesundheitswesen – die ordnungspolitische Neuorientierung ist unausweichlich

FDP:Herausnahme versicherungsfremder Leistungen aus dem GKV-Leistungskatalog, Konzentration der GKV-Leistungen auf das medizinisch Notwendige; Stärkung der Eigenverantwortung durch Eigenbeteiligung (Boniregelungen, Beitragsrückgewähr); Abschaffung der Budgets, stattdessen Leistungsgerechte Vergütungen, die sich aus Preis- und Verhandlungslösungen ergeben; Individuelle Gestaltungsmöglichkeiten des Versicherungsschutzes durch die Versicherten selbst, Schaffung entsprechender Transparenz und Tarifgestaltungsmöglichkeiten sowie Auszahlung des Arbeitgeberbeitrages zur Erhöhung der Transparenz für den Versicherten; verstärkte Nutzung der Chancen im europäischen Raum.

CDU:Budgetierung ist keine Möglichkeit zur Lösung der Probleme im Gesundheitswesen. Reduzierung der Leistungen der GKV auf das medizinisch Notwendige; Absicherung von Leistungen, die über das medizinisch Notwendige hinausgehen, über Zusatzversicherungen; Beitragsermäßigung durch Einführung von Selbstbehalten.

Bündnis90/Die Grünen:Absicherung sozialer Risiken durch eine „Bürgerversicherung“, deren finanzielle Mittel sowohl durch Selbstständige als auch weitere Verbreiterungen der Erhebungsgrundlage aufgebracht werden sollen, dadurch Beitragssenkung in den Sozialkassen.

PDS:Ausbau des Sachleistungsprinzips und somit weitgehende Vermeidung direkter Geldbeziehungen zwischen Arzt und Patient; Ausbau der solidarischen Versicherung und eines vollwertigen Leistungskatalogs; Steuerung durch sozialstaatliche Rahmenvorgaben und Selbstverwaltungen; Beseitigung von Schwächen und Unwirtschaftlichkeiten durch Fehlanreize oder Strukturmängel wie ineffiziente Betriebsformen, die zur Orientierung an Gewinninteressen statt medizinischer Indikation führen. Medizinischer Fortschritt wird sowohl Kosten mindernde als auch Kosten steigernde Innovationen bringen; deshalb Beachtung des Problems ungesteuerter Mengenausweitungen, die ausschließlich den Einkommensinteressen der Leistungserbringer dienen; Finanzierungsschwierigkeiten des Gesundheitswesens resultierten zudem aus dem Sinken der Einkommen aus unselbstständiger Arbeit (Arbeitslosigkeit) und Umverteilungen zu Gunsten des Bundeshaushaltes (sozialpolitische Verschiebebahnhöfe); Lösungsansätze: Verbreiterung der Erhebungsgrundlage sowie Erhöhung der Bemessungsgrundlage auf Rentenniveau; keine Selbstbeteiligungen, Zuzahlungen und mehr in der GKV; keine GKVFinanzierung von Leistungsansprüchen, die individuellen Wunschvorstellungen entsprechen.

5. Wahlprüfstein: Präventionsorientierung als durchgängiges Gestaltungsprinzip des Gesundheitswesens – dem eingeleiteten Paradigmenwechsel neue Impulse geben

FDP:Einsatz der in der Zahnmedizin knappen GKV-Ressourcen zur Vermeidung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten; Prävention als bester Weg, die Lebensqualität zu verbessern und so die Kosten zu reduzieren. Im Bereich der Zahnmedizin sind die Überlegungen dabei soweit fortgeschritten, dass die Politik schnell handeln könnte.

CDU:Verbesserung und Ausbau der Prävention und Gesundheitsförderung als unerlässliche Voraussetzung für weitere Überlegungen, dazu Unterstützung durch entsprechende Investitionen (Vernetzte Konzeption Bund / Land / Kommunen); Schaffung von Möglichkeiten zur finanziellen Honorierung der Versicherten für ihre Bemühungen.

Bündnis90/Die Grünen:Einsatz für verstärkte Präventionsversorgung bei entsprechender leistungsrechtlicher Vergütung; Selbstverwaltungen sollen die bestehenden Möglichkeiten nutzen, die Bewertung der Punkte hinsichtlich präventiver Beratung und Behandlung neu auszutarieren.

PDS:Keine einseitige Zurückführung der Prävention auf medizinische Maßnahmen und das Zurückdrängen individuellen Fehlverhaltens; dagegen Zurückdrängung sozialer Ungleichheit durch politisches Handeln (Abbau der Unterprivilegierung, Verwirklichung konkreter Gesundheitsziele), Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes, um für sozial benachteiligte Gruppen spezifische Angebote zu entwickeln.

6. Wahlprüfstein: Vertragsund Wahlleistungen – der Weg zu mehr Transparenz und Patientenmündigkeit

FDP:Vorschlag eines solchen Systems ist eine gute Diskussionsplattform und wird unterstützt .

CDU:Schaffung größerer Wahlfreiheit über den Umfang des Versicherungsschutzes für den Versicherten; dabei Gewährung aller medizinisch notwendigen Leistungen durch die GKV.

Bündnis90/Die Grünen:Schaffung von mehr Transparenz mit Hilfe moderner Informationstechnik; weiterhin solidarische Finanzierung von medizinisch Notwendigem; nur Angebot von GKV-Leistungen, die auch beitragsfinanziert sind, Streichung versicherungsfremder Leistungen.

PDS:Konzept ist keine Alternative, da hierdurch der Patient auf die Beratung des Zahnarztes angewiesen sei, der ökonomischen Zwängen unterliegt und entsprechend handelt.

7. Wahlprüfstein: Befundorientierte Festzuschüsse – ein Mehr an sozialer Gerechtigkeit und Individualität

FDP:Uneingeschränktes Ja.

CDU:Grundsätzliche Zustimmung; Schutz sozial Schwacher über Härteklauseln; Gewährleistung, dass das medizinisch Notwendige erbracht wird, darüber hinausgehende Leistungen lediglich Wünschenswertes darstellen.

Bündnis90/Die Grünen:Diagnoseorientierte Fallpauschalen im Krankenhausbereich als Möglichkeit einer Neuorientierung in der GKV; nach ersten Erfahrungen und signifikanten Ergebnissen Diskussion um weitere Projekte.

PDS:Rückführung der Zuzahlungen für Patienten, um eine bedarfsgerechte Gesundheitssicherung zu gewährleisten; Festigung der sozialstaatlichen Grundlagen des Gesundheitswesens.

8. Wahlprüfstein: Qualitäts-, leistungs- und kostengerechte Vertrags- und Vergütungsstrukturen – Neugestaltung von Leistungsrecht und Gebührenordnungen

FDP:Kostenerstattung als Instrument, um Transparenz, Leistungsgerechtigkeit, Qualität und Eigenverantwortung sinnvoll miteinander zu verbinden.

CDU:Erhalt der Diagnose- und Therapiefreiheit, unter stärkerer Orientierung an qualitätsgesicherten Merkmalen als Merkmal der Freiberuflichkeit; Überarbeitung des Vergütungssystems, so dass es der Rolle des Arztes als Freiberufler entspricht; Beseitigung bürokratischer Strukturen; Stärkere Verantwortung des Arztes/Zahnarztes für Ausmaß und Kosten der von ihm veranlassten Leistungen.

Bündnis90/Die Grünen:Rückschlüsse für die weitere Gesetzgebung erst nach Vorlage der Ergebnisse von Überlegungen der Selbstverwaltungen zur Novellierung des Honorarsystems; nur rechtliche Rahmensetzung durch Politik.

PDS:Gefahr der Implementierung von Marktmechanismen in das GKV-System durch Kostenerstattung. Im zahnärztlichen Bereich wurde versäumt, eine Neubeschreibung der Leistungskataloge und eine Anpassung der Punktwerte vorzunehmen. Dadurch ist es nicht mehr möglich, dass Zahnärzte aufwändige Technologien unter der geltenden Vergütungsstruktur am Patienten einsetzen können.

9. Wahlprüfstein: Unser Gesundheitssystem „europafest“ machen – marktkonforme Strukturen statt Sachleistungsdominanz

FDP:Grenzüberschreitende Leistungsinanspruchnahme; Nutzung der Chancen, die Europa bietet; Schaffung von Voraussetzungen für einen europaweiten Wettbewerb.

CDU:Nutzung der Vorteile des europäischen Binnenmarktes für alle Bürger, ohne eine Harmonisierung der sozialen Sicherungssysteme anzustreben. Verbesserter Zugang zu Gesundheitsleistungen innerhalb Europas. Reformansätze müssen vor EU-Recht bestehen können.

Bündnis90/Die Grünen:Strukturelle GKV-Reformen ohne Herauslösung einzelner Leistungsbereiche aus dem Versicherungssystem.

PDS:Europaweite, grenzüberschreitende Kostenerstattungen sind sinnvoll. Das Sachleistungsprinzip in Deutschland ist hiervon nicht betroffen.

10. Wahlprüfstein: Freiberuflicher Wettbewerb versus Einkaufsmonopole – Individuelle Patientenentscheidung statt kollektiver Bevormundung

FDP:Keine Akzeptanz für Einkaufsmodelle; weitere Stärkung des Wettbewerbs unter den Kassen; Abschaffung der gesetzlichen Vorgabe für einheitliche und gemeinsame Verhandlungen der Krankenkassen.

CDU:Stärkung des Wettbewerbs innerhalb der GKV; Flexibilisierung des Vertragssystems.

Bündnis90/Die Grünen:Eintritt für das Hausarztmodell, dadurch Erhalt der Wahlfreiheit der Patienten bezüglich der Arztwahl und Therapiealternativen.

PDS:Sozialstaatliche Regulierung und Gestaltung des Gesundheitswesens; Ablehnung ökonomischen Wettbewerbs, begrüßt wird medizinischer Wettbewerb; negative Folgen durch Einkaufsmodelle für die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung.

11. Wahlprüfstein: Freiberufliche Selbstverwaltung – Garant für Fachkompetenz, Qualitätsbewusstsein und Patientenorientierung

FDP:Einsatz für die Akzeptanz der Selbstverwaltung im europäischen Kontext; Deregulierung, Markteingriff durch den Staat nur bei Marktversagen; Staat setzt nur den Rahmen für eine sozial verantwortliche Gesundheitspolitik.

CDU:Selbstverwaltungen sind vertrauenswürdige Partner.

Bündnis90/Die Grünen:Staat setzt im Sinne der Ordnungspolitik den rechtlichen Rahmen. Selbstverwaltungen sind verantwortlich für die Ausgestaltung verschiedener Bereiche.

PDS:System der Selbstverwaltungen ist reformbedürftig (Kritik wegen Zurückstellung öffentlich-rechtlicher Aufgaben zu Lasten Standesbeziehungsweise Einkommensinteressen), im Grundsatz aber erhaltenswert und entwicklungsfähig. Übergang zersplitterter Sicherstellungsaufträge an öffentlich-rechtliche Selbstverwaltungsgremien, in denen alle Leistungsanbieter und Kostenträger als Vertragspartner vertreten sind.

12. Wahlprüfstein: Bewahrung der Eigenständigkeit der Versorgungswerke der Freien Berufe

FDP:Bewahrung und Ausweitung der Versorgungswerke.

CDU:Keine Änderungen zum gegenwärtigen System.

Bündnis90/Die Grünen:Mittelfristig Einführung einer Bürgerversicherung unter Einbezug der Selbständigen; aber Erhalt funktionierender Systeme.

PDS:Sozialer Schutz ist nur durch große Risikogemeinschaften gewährleistet; Unterstützung für ergänzende berufsspezifische Altersversorgungen.

Die hier in Stichworten dargestellten Aussagen spiegeln den Meinungsstand der Parteien auf Bundesebene wieder und stammen von:Dipl.-Kfm. Wolfgang Lohmann,MdB, Gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU Bundestagsfraktion,Dr. Dieter Thomae,MdB, Gesundheitspolitischer Sprecher der FDP Bundestagsfraktion,Donate Hochstein,Abt. Medien- und Öffentlichkeitsarbeit des Bundesvorstandes Bündnis 90/Die Grünen undRoland Claus,MdB, Vorsitzender der PDS Bundestagsfraktion. 

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