Übergabe der Patientenkartei bei Verkauf

Legale Wege öffnen Türen

Vielen Käufern von Zahnarztpraxen kommt es maßgeblich auf die Übernahme des Patientenstammes an. Leider unterliegt die Übergabe der Patientenkartei strengen Regeln. Ein Urteil des Bundesgerichtshofes zeigt einen Ausweg auf.

Eigentlich liegt die Übergabe der Patientenkartei im Interesse aller Beteiligten: Der Käufer der Praxis erlangt einen guten Zugang zum bisherigen Patientenstamm und wertvolle Informationen über den bisherigen Behandlungsverlauf. So kann er zum Beispiel ersehen, dass bei einem bestimmten Zahn, den er überkronen will, von seinem Vorgänger eine direkte Überkappung vorgenommen wurde, also ein erhöhtes Risiko einer Pulpitis besteht.

Ebenso liegt es im Interesse des Patienten, dass sein neuer Zahnarzt gerade diese Informationen erhält. Schließlich freut sich der ausscheidende Zahnarzt, dass seine Behandlung sachgerecht weitergeführt werden kann, er sich nicht weiter um die Verwahrung seiner Patientenkartei kümmern muss und er eine Zahlung für den Patientenstamm erhält.

Schweigepflicht

Leider hat der Bundesgerichtshof (BGH), das höchste deutsche Gericht in Zivilsachen, schon vor vielen Jahren entschieden, dass die Patientenkartei nur mit Zustimmung des Patienten weitergegeben werden darf. Die ärztliche Schweigepflicht, die übrigens strafbewehrt ist, verbiete jede Mitteilung von Befund- und Behandlungsdaten an Dritte. Dies gelte auch für Fachkollegen und auch für den Käufer der Praxis.

Ein Verstoß gegen diese Geheimhaltungspflicht macht nach Meinung des BGH den Kaufvertrag in der Regel nichtig. Dies bedeutet, dass beide Parteien vor Gericht die Rückabwicklung des Vertrages durchsetzen können. Mit anderen Worten: Der Käufer kann unter Umständen noch nach Jahren verlangen, dass der Verkäufer die Praxis Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises zurücknehmen muss.

Dies wird dem Verkäufer gar nicht recht sein – oft kann er die Praxis wegen Überschreitung der Altersgrenze für Vertragszahnärzte auch gar nicht mehr nutzen. So würde die Praxis möglicherweise längere Zeit unbesetzt bleiben. Die Patienten suchen sich dann einen anderen Zahnarzt, der so genannte ideelle Wert sinkt. Grundsätzlich kommt sogar noch ein Strafverfahren wegen Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht in Betracht.

Es ist also dringend zu empfehlen, die BGHRechtsprechung zu beachten und nicht auf angeblich wohlmeinenden Rat („mach es doch einfach“) zu vertrauen.

Der BGH hatte als Lösung dieses Problems wohl ursprünglich im Auge, dass alle Patienten vom Verkäufer angeschrieben und um ihr schriftliches Einverständnis mit der Weitergabe der Patientenkartei gebeten werden. Nur bei denjenigen, die diese Erklärung abgeben, sollte dann die Weitergabe erfolgen.

Verschlossene Karten

Es liegt auf der Hand, dass ein solches Verfahren erhebliche Nachteile hat: Zum einen ist es sehr aufwändig, zum anderen werden wohl viele Patienten nicht reagieren. Außerdem könnte ein solches Vorgehen für Unruhe sorgen und deshalb wenig werbewirksam sein.

Deshalb wird seit Jahren ein anderes Verfahren empfohlen, das so genannte Zwei-Schränke-Modell. Danach übergibt der Verkäufer den Karteischrank verschlossen und beauftragt eine seiner bisherigen Helferinnen, die ja als Angestellte des bisherigen Praxisinhabers Einsicht nehmen darf, mit der Verwaltung der Patientenkarten. Der Käufer kann erst dann Einsicht nehmen, wenn der jeweilige Patient in der Praxis erscheint, sich in die Behandlung des neuen Zahnarztes begibt und damit bekundet, dass er nunmehr damit einverstanden ist, dass dieser jetzt seine medizinischen Daten erfährt. Die Juristen nennen das ein konkludentes, also schlüssiges Einverständnis mit der Weitergabe der Patientendaten.

Nicht selten passiert es, dass Verkäufer und Käufer unwillig reagieren, wenn ihnen eine solche – juristisch korrekte – Verfahrensweise vorgeschlagen wird. Die Versuchung ist groß, die Kartei ohne weitere Umstände zu übergeben und damit die oben beschriebenen Folgen heraufzubeschwören.

Der BGH hat nun in einer neuen Entscheidung (Urteil vom 13.6.2001, Az. VIII ZR 176/00) eine andere Vorgehensweise abgesegnet. Es ging dabei um den Verkauf einer Rechtsanwaltskanzlei, sie ist aber grundsätzlich auf eine Zahnarztpraxis zu übertragen.

Die Sache lag vereinfacht gesagt so: Ein Rechtsanwalt wollte seine Kanzlei einschließlich seines Mandantenstammes verkaufen. Da für Rechtsanwälte die gleichen Restriktionen gelten wie sie oben für Zahnärzte beschrieben wurden, verfuhr er folgendermaßen: Er begründete mit dem erwerbenden Rechtsanwalt eine so genannte Außensozietät. Das bedeutet, dass Verkäufer und Käufer nach außen hin (Praxisschild, Briefbogen) wie eine Sozietät auftraten, obwohl im Innenverhältnis nur der Käufer Eigentümer war.

Diese Konstruktion hat der BGH – anders als die Vorinstanz, das Oberlandesgericht München – für zulässig, den Vertrag deshalb als wirksam und nicht als unzulässige Umgehung des oben beschriebenen Geheimschutzes für die Mandanten, erachtet. Wie ist nun der BGH zu dieser Auffassung gekommen? Er hat zwei in der Rechtsprechung seit längerem anerkannte Prinzipien kombiniert: Einmal wird es als zulässig angesehen, wenn innerhalb einer Sozietät schützenswerte Daten ausgetauscht werden. Dies wird damit begründet, dass ein Mandant – ebenso ein Patient – bei einer Sozietät mit allen Partnern einen Vertrag schließen will, um sich so die damit verbundenen Vorteile zu sichern: Mehr Sachkompetenz, längere Öffnungszeiten. Deshalb sei er auch damit einverstanden, wenn alle Partner in seine Unterlagen Einsicht nehmen. Dieses Einverständnis dehnt die Rechtsprechung sogar auf alle später hinzukommenden Partner aus.

Schützenswert

Zum anderen wird bei der Frage, ob eine solche Sozietät vorliegt, nicht nach den tatsächlichen Verhältnissen sondern nach dem äußeren Anschein gefragt. Damit erklärt der Mandant beziehungsweise Patient also sein Einverständnis damit, dass seine schützenswerten Daten allen denjenigen mitgeteilt werden, die nach dem äußeren Anschein Partner der Sozietät sind und damit in die Mandatsbearbeitung beziehungsweise Behandlung einbezogen sind.

Dabei kommt es eben nicht darauf an, ob diese tatsächlich Partner geworden sind. Wie erwähnt, ist diese Entscheidung grundsätzlich auf Zahnärzte zu übertragen. Im Einzelfall muss geprüft werden, ob die vertragszahnärztlichen Vorschriften eine zeitweise Gemeinschaftspraxis zulassen – zum Beispiel könnte das jeweilige Gebiet für Neuzulassungen gesperrt, also eine auch nur kurzfristige Erhöhung der Zahl der niedergelassenen Zahnärzte unmöglich sein. Welche Möglichkeit besteht, sollte daher mit fachkundiger Hilfe im Einzelfall geprüft werden.

Dr. med. dent. Wieland SchinnenburgZahnarzt und RechtsanwaltGüntherstr .9422087 Hamburg

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