FDI-Kongress in Sydney: Das wissenschaftliche Programm

Der aktuelle Stand von Wissenschaft und Technik in der Zahnheilkunde

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Heftarchiv Gesellschaft
Das wissenschaftliche Programm des FDI-Kongresses in Sydney gab einen umfassenden Überblick über den aktuellen Stand der Zahnheilkunde. Der Besucher konnte sich auf sehr hohem Niveau in allen unterschiedlichen Bereichen der Zahnheilkunde informieren und fortbilden. Schwerpunkte dieses Kongresses waren die präventive Zahnheilkunde, die Implantologie und die neuen Technologien.

Schon 1973 war Sydney bereits Austragungsort des internationalen FDI-Kongresses. Nun, 30 Jahre später, präsentierte sich Sydney wieder als bestens geeignet um einen internationalen Kongress dieser Größe durchzuführen. Etwa 8 000 Teilnehmer aus allen Ländern der Welt waren angereist, um sich im Kongresszentrum am Darling Harbour über den aktuellen Stand der Zahnheilkunde in allen Bereichen zu informieren und fortzubilden.

Auch in diesem Jahr war das wissenschaftliche Programm sehr umfangreich und umfasste Themen aus allen Spezialgebieten der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. International anerkannte und geschätzte Redner waren eingeladen, um den neuesten Stand der Wissenschaft und Technik zu präsentieren.

Das Programm begann am Mittwoch, den 17. September, mit Vorkongresskursen zu Kariesprävention, minimal invasiver Kariesbehandlung, Ansätzen zur Remineralisierung von Zahnhartsubstanz und zur Identifizierung von Kariesrisikogruppen. Weiterhin wurden mehrstündige Seminare zu neuesten Therapieansätzen in der Endodontie (Julian Webber, UK) und zur zahntechnischen Anfertigung der ästhetisch anspruchsvollen Oberkiefer-Frontzähne (Klaus Müterthies, Deutschland) angeboten.

Minimal invasive Kariesbehandlung

Der Grundgedanke der minimal invasiven Kariesbehandlung gewinnt in der ganzen Welt an Bedeutung. Dieser besteht darin, möglichst wenig gesunde Zahnhartsubstanz bei der Kariesentfernung zu verlieren, um den Zahn soweit wie möglich zu erhalten und die Lebensdauer zu verlängern. Christopher Holmgren, Frankreich, gab am nächsten Tag, dem ersten offiziellen Tag des wissenschaftlichen Programms, eine sehr gute Einführung zu diesem Thema und sagte eine dramatische Veränderung in der zukünftigen Kariesbehandlung voraus. Hien Ngo, Australien, betonte die herausragende Bedeutung einer akkuraten Kariesdiagnostik für die minimal invasive Kariesbehandlung. Jo Frencken, Niederlande, und Edwina Kidd, UK, gaben in ihren Vorträgen einen Überblick über die neuen Ansätze der Kariesprävention und -therapie.

Vor einem sehr großen Auditorium sprachen auch Pierre Machtou, Frankreich, zu kontroversen Aspekten und maschineller Aufbereitung in der Endodontie und John Molinari, USA, sowie Sam Samaranayake, Hong Kong, zur Infektionskontrolle in der Zahnheilkunde. Insbesondere schwer therapierbare Infektionserkrankungen, wie Hepatitis B, C und SARS, gewinnen auch im Rahmen der zahnärztlichen Behandlung an Bedeutung.

Am Nachmittag des ersten Tages wurden die besonderen Eigenschaften der neuen adhäsiven Materialien, die auch im Rahmen der minimal invasiven Kariestherapie verwendet werden, beleuchtet. Vorträge zu neuesten Erkenntnissen bezüglich der gesteuerten Geweberegeneration (GBR) und zum Tissue engineering (Thomas Van Dyke, USA und P. Mark Bartold, Australien) rundeten das wissenschaftliche Programm des ersten Tages ab.

Neue Technologien und Implantologie

Am Folgetag wurden der aktuelle Stand und Zukunftskonzepte in der Implantologie aufgezeigt. Matts Anderson, Schweden, präsentierte das Konzept von „theeth in an hour“. Dabei werden auf der Basis von CTDatensätzen die Implantatpositionen exakt geplant und eine präzise Bohrschablone sowie die endgültige Prothese vor der eigentlichen Implantatinsertion gefertigt. Dadurch können dem Patienten in einer Sitzung sowohl die Implantate inseriert als auch die fertige Prothese eingesetzt werden. Patrick J. Henry, Australien, diskutierte in seinem Vortrag die Vor- und Nachteile der Frühbelastung von Implantaten. Am Nachmittag stellte Marco Exposito, Italien, sein systematisches Review zur Frage des besten Implantattyps vor. Seiner Aussage nach gibt es basierend auf der bisherigen Datenlage noch kein Implantat, welches hinsichtlich Form, Design und Oberfläche allen anderen Implantaten eindeutig überlegen ist. Peter Thomsen, Schweden, lenkte in seinem Vortrag die Zuhörer auf die zellbiologischen Prozesse an der Grenzfläche von Implantat und Wirtsgewebe. Er zeigte eindrucksvoll, wie Zytokine und andere Botenstoffe, die von Makrophagen und anderen mononukleären Zellen ausgeschüttet werden, die Einheilung des Implantates beeinflussen können. Seiner Meinung nach könnte die Implantatoberfläche so gestaltet werden, dass nur noch bestimmte Zellen an der Implantatoberfläche haften können, die die Implantateinheilung in gezielter Weise optimal beeinflussen.

Ein weiteres Thema dieses Tages war die zahnärztliche Behandlung mittels Lasertechnologie. Toshihide Noguchi, Japan, stellte eine Studie vor, bei der ein gepulster Nd:YAG Laser in Kombination mit lokaler Minozyklin-Applikation in der Therapie der marginalen Parodontitis eingesetzt wurden, und Laurence J. Walsh, Australien, gab mit seiner Präsentation einen Überblick über die möglichen Anwendungen des Lasers in der Zahnheilkunde. Er zeigte, wie spezifische Wellenlängen des Laser genutzt werden können, um gezielte photochemische Effekte im Gewebe auszulösen. Göran Koch, Schweden, rundete das Programm dieses Tages mit seinem Vortrag zur präventiven Zahnheilkunde ab.

Orofazialer Schmerz und Behandlung von Senioren

Der folgende Tag stand unter dem Thema des orofazialen Schmerzes. Glenn Clark, USA, gab zu Beginn des Tages einen sehr guten Überblick über die aktuellen Konzepte zur Diagnostik und Therapie des Bruxismus und der daraus resultierenden Kiefergelenkbeschwerden. Dargestellt wurden die therapeutischen Möglichkeiten mittels interokklusaler Splinte, spezieller Stimulationsmethoden, Medikamenten und Botulinumtoxin-Injektionen. Barry Sessle, Kanada, diskutierte die neurologischen Mechanismen, die den temporomandibulären Schmerzsyndromen zu Grunde liegen und Maria Kleinrok, Polen, präsentierte eine von ihr auf der Basis von MRT und Röntgenbefunden entwickelte Klassifikation bezüglich der Kondylus- und Diskusfehlposition bei Patienten mit orofazialen Schmerzbildern. Martti Helkimo, Schweden, zeigte eindrucksvoll, wie durch eine gründliche Anamnese und eine systematische Untersuchung die richtige Diagnose und eine erfolgreiche Therapie von Patienten mit Kiefergelenkschmerzen erreicht werden können.

Ein weiteres Thema des Tages war die zahnärztliche Behandlung des älteren Patienten. Der erste Teil dieses Problemkreises galt der Diagnose und dem Management der lange getragenen Prothese bei älteren Patienten. Im Vortrag von Ian Meyer, Australien, wurden konservative Behandlungsstrategien entwickelt, die zu kosteneffektiven Behandlungsergebnissen in dieser Patientengruppe führen. Douglas Berkey, USA, präsentierte in seinem Vortrag Ansätze, um bei geriatrischen Patienten das medizinische Risiko während der invasiven zahnmedizinischen Therapie zu reduzieren. Außerdem gab er Empfehlungen, wie durch präventive und restaurative Maßnahmen die Behandlungsergebnisse bei Patienten im Pflegeheim verbessert werden können. Linda Niessen, USA, betonte die Wichtigkeit der Mundgesundheit gerade für den älteren Menschen. Sie gab einen guten Überblick über die Zusammenhänge zwischen internistischen und oralen Erkrankungen.

Mundhöhlenkarzinom und die Vorstufen

Newell Johnson sprach über die herausragende Rolle des Zahnarztes in der Prävention und Früherkennung des oralen Plattenepithelkarzinoms. Er betonte, wie wichtig eine regelmäßige und sorgfältige Inspektion der Mundhöhle ist, um die Vorstufen eines Karzinoms rechtzeitig zu erkennen und den Patienten einer adäquaten Therapie zuzuführen. Die Behandlung der Patienten mit Mundhöhlenkarzinomen stellt nach wie vor ein international an Bedeutung zunehmendes Problem dar. Die Fünf-JahresÜberlebensrate für die Patienten liegt im Durchschnitt nur kapp über 50 Prozent. Die meisten der Patienten kommen erst in einem fortgeschrittenen Tumorstadium zur Therapie.

Freie Vorträge und Posterpräsentationen

In Ergänzung zu den Vorträgen und Präsentationen der eingeladenen Referenten waren sehr viele freie Vorträge zu hören und multiple Posterpräsentationen zu besichtigen. Viele dieser angemeldeten Beiträge hatten ein hohes Niveau und auch Beiträge von deutschen Arbeitsgruppen wurden präsentiert. Die Poster waren geschickt in den selben Räumen wie die Industrieausstellung platziert. Damit wurde erreicht, dass viele Poster zur Geltung kamen. Die Industrieausstellung hatte einen extrem großen Umfang und war sehr gut besucht.

Firmensymposien und Workshops

Ein sehr großes Interesse bei den Kongressteilnehmern fanden auch die von verschiedenen Firmen gesponserten Symposien zu den Themen „Patientenorientierte Prothetik”, „Neue Technologien in der Zahnaufhellung” und „Verbesserung der Patientencompliance”. Bei diesen Symosien waren ebenfalls international bekannte Redner eingeladen, um die jeweiligen Themen kompetent zu diskutieren. Dagegen fanden die Workshops zu speziellen Themen, wie Lehrkonzepte in der Zahnheilkunde, die zahnärztliche Behandlung behinderter Patienten und die Problematik von Infektionserkrankungen in der Zahnheilkunde, nur wenige Teilnehmer, obwohl die Qualität sehr gut war.

Zukünftiger FDI-Kongress

Der FDI-Kongress findet jährlich statt und wird neben dem Vorstand durch das jeweilige Land, in dem er stattfindet geprägt. Die Veranstaltung in Sydney war in jeder Hinsicht herausragend und die Reise wert. Die in der Satzung der FDI verankerten Grundziele der FDI, der maßgebende, fachkompetente, unabhängige, weltweite Sprecher der Zahnheilkunde zu sein und die Kunst, Wissenschaft und Praxis der Zahnheilkunde zu unterstützen, wurden mit diesem Kongress erfüllt. Im nächsten Jahr wird New Delhi, Indien, den FDI-Kongress ausrichten, wobei mit Spannung erwartet werden kann, welche Schwerpunkte dort gesetzt werden.

Informationen zum nächstenFDI-Jahreskongress in New Delhi, Indien,10.-13. September 2004 unter:www.fdiworldental.org oderTel.: 0033 - 450 - 405050Fax: 0033 - 450 - 405555

Univ.-Prof. Dr. Dr. Torsten E. ReichertJohannes Gutenberg - UniversitätKlinik für Mund-, Kiefer- und GesichtschirurgieAugustusplatz 255131 Mainz

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