Deutscher Zahnärztetag

Zukunft braucht Vergangenheit

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Es war ein glanzvolles und würdevolles Ereignis: Die Bundeszahnärztekammer krönte mit einem feierlichen Festakt zu ihrem 50-jährigen Bestehen den Deutschen Zahnärztetag in Berlin. Festredner Dr. Wolfgang Schäuble würdigte den Wert der Freien Berufe. BZÄK-Präsident Dr. Dr. Jürgen Weitkamp unterstrich das Wesen der Freiberuflichkeit und entwarf Visionen für die Zukunft. DGZMK-Präsident Prof. Dr. Heiner Weber hob den Schulterschluss zwischen Wissenschaft und Standespolitik hervor.

Mit dem Jubiläums-Festakt auf dem Deutschen Zahnärztetag hat die Bundeszahnärztekammer sowohl nach innen in die Zahnärzteschaft hinein wie auch nach außen in die Öffentlichkeit einen bedeutsamen Meilenstein gesetzt“, erklärte der Präsident der Bundeszahnärztekammer, Dr. Dr. Jürgen Weitkamp. „Die 50-Jahr- Feier steht am Schnittpunkt zwischen Vergangenheit und Zukunft. Die nach vorne gerichteten Visionen des Berufsstandes beruhen auf Kontinuität und den Erfahrungen der Vergangenheit.“

Unter neuer Struktur

Rund 650 geladene Teilnehmer kamen am 12. November zum Konzerthaus am Gendarmenmarkt, darunter hochkarätige Repräsentanten aus der Gesundheits- und Standespolitik sowie der Wissenschaft. Mit dem Festakt zum 50-jährigen Jubiläum des Verbandes hat die Bundeszahnärztekammer standespolitische Geschichte geschrieben. Der Deutsche Zahnärztetag wurde aus diesem Anlass das erste Mal unter neuer Struktur durchgeführt. Zum Auftakt fand am 11. November die Bundesversammlung statt (siehe nachfolgenden Bericht), vervollständigt wurde der Zahnärztetag nach Abschluss des Festakts durch ein wissenschaftliches Symposium unter Einbindung der Deutschen Gesellschaft für Zahn- Mund- und Kieferheilkunde.

„Die Geburtsstunde der Bundeszahnärztekammer ist aufs engste mit der Freiberuflichkeit unserer Profession verbunden“, sagte Dr. Dr. Weitkamp. Wie ein roter Faden zog sich dann auch der Gedanke der Freiberuflichkeit (siehe Leitartikel in diesem Heft) durch die Begrüßungsrede des Präsidenten. Er skizzierte einen historischen Abriss des Verbandes von den ersten Vereinsgründungen des akademischen zahnärztlichen Berufsstandes im 19. Jahrhundert bis heute. Meilensteine waren die ersten Kammergründungen in Baden und Preußen, der mühselige Aufbau freiberuflicher Strukturen nach 1945 und die endgültige Beseitigung des Dualismus von Dentisten und Zahnärzten nach Einführung des Zahnheilkundegesetzes. Über die Gründung des Bundesverbandes Deutscher Zahnärzte im Jahre 1953 (BDZ) führte der Weg – nach einigen zeitweiligen Zerwürfnissen – unter Einbindung der neu entstandenen Zahnärztekammern der neuen Bundesländer bis zur heutigen modernen Bundeszahnärztekammer.

„Die deutsche Zahnärzteschaft stellt als Berufsstand, der der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde verpflichtet ist, einen gewichtigen gesellschaftlichen Faktor dar“, sagte Dr. Dr. Weitkamp. Die Aufgabe der BZÄK bestehe darin, die freiberuflichen Wesenszüge zu bewahren und weiterzuentwickeln, so der Präsident. Jedoch würden mit jeder Gesetzesänderung – so auch der aktuellen – Reglementierungs- und Bürokratisierungsattacken auf die freiberuflichen Grundsätze geführt. Der Zahnarzt werde deshalb sogar schon als „Amtswalter eines öffentlich-rechtlichen Systems“ bezeichnet. Diese Zangenbewegung mache es umso erforderlicher, den Konsens freiberuflichen Bewusstseins im Berufsstand zu bewahren.

Hier erwarte man von Seiten der europäischen Entwicklung und den Grundsätzen der Wettbewerbsfreiheit eine Aufweichung öffentlich-rechtlicher Bindungen. Weitkamp: „Wir sehen im vereinigten Europa eine Chance für alle. Deshalb betreibt die Bundeszahnärztekammer auch eine intensive und sehr effektive Europaarbeit, unterstützt durch eine eigene professionelle Vertretung in Brüssel.“

Der Blick sei in die Zukunft gerichtet. Wichtig sei die Homogenität des Berufsstandes. „Unter Bewahrung der für uns klassischen Weiterbildungsgebiete sehen wir den Hauszahnarzt als Generalisten – Implantologie und Parodontologie gehören in jede Praxis – mit ein bis zwei Bereichen, in denen er sich spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat, der die gesamte Familie vom Säugling bis zum hohen Lebensalter betreut.“ Prophylaxe müsse als Teil einer umfassenden Prävention Grundpfeiler des Berufsstandes sein.

Vehement kritisierte der Präsident das bürokratische Sachleistungssystem, Budgetierungen, das überbordende System von Prüfungen, Kontrollen sowie die Zwangsfortbildung. „Dem Zahnarzt stehen heute Fortbildungsmöglichkeiten in einer Vielfalt zur Verfügung, die ihresgleichen sucht und die sowohl strukturierte wie unstrukturierte Angebote erhält. Entscheiden muss sich letztlich der Zahnarzt in seiner freiberuflichen Eigenverantwortung selbst. Eine Zwangsfortbildung, wie sie uns aufgedrückt werden soll, brauchen wir jedenfalls nicht, und unsere ärztliche Verantwortung verbietet es uns auch, für die Versorgung unserer sozialversicherten Patienten eine eigene Fortbildung zu betreiben.“

Der BZÄK-Präsident brach eine Lanze für die Kammerlandschaft. „Stärken und bewahren müssen wir die Strukturen unserer Selbstverwaltung in den Kammern“, erklärte er. „Die Selbstverwaltung auch mit Pflichtmitgliedschaft ist keineswegs veraltet, sondern gelebte Deregulierung, Staatsentlastung und Subsidiarität.“

Kontinuität, die Bewahrung von Visionen, die einige und sachbezogene Arbeit auf Bundes- und Landesebene – dies alles gehöre zu den Aufgaben der Zukunft. Seine Vision für den Berufsstand: „Ein Verbleiben in der bestehenden GKV ist keine Perspektive für unsere Patienten und für uns, wenn wir es ernst meinen mit hochstehende Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde.“ Und die Zukunftsvision für den Verband: „Die Bundeszahnärztekammer darf nie in verkrusteten Strukturen und in unkritischem Festhalten am Althergebrachten verharren, sondern muss stets zukunftsgerichtet für unseren Berufsstand einstehen.“

Der Wert der Freien Berufe

Höhepunkt der Veranstaltung war der Festvortrag des stellvertretenden CDU/ CSU-Fraktionsvorsitzenden Dr. Wolfgang Schäuble. Er würdigte die Rolle der Freien Berufe als Beispiel für die in der heutigen Gesellschaft dringend benötigten Eigenschaften wie Eigenverantwortung, Kreativität und Engagement. Diese könnten durch Überreglementierung gelähmt werden und damit Wachstum erdrosseln. „Dass ein zu hoher Staatsanteil an der Verwendung des Bruttoinlandsprodukts und ein Übermaß an Bürokratie und Reglementierung die wirtschaftliche Dynamik lähmen, ist weiterhin unbestritten, dass Umlagesysteme ohne spürbare Eigenbeteiligung sparsame Mittelverwendung nicht fördern, weitgehend auch.“ Schäuble weiter: „Wenn sozialer Austausch nicht im Zweifel auf freie Entscheidung und Vertrauen gründet, sondern wenn alles und jedes kontrolliert und notfalls erzwungen werden muss, dann gehen Freiheit, Vielfalt und Toleranz vor die Hunde. Und damit es dazu nicht kommt, brauchen wir Werte, die auf der Grundlage von Einsicht und freier Entscheidung Orientierung vermitteln.“

Schäuble sieht den Ausweg aus dem Dilemma zwischen zu viel und zu wenig Regeln in Subsidiarität, in kleineren Einheiten, in Länderzuständigkeiten und Kommunen: „Autonomie, Selbstverantwortung, Vermittlung von Orientierung für freiwillige Einhaltung von Regeln und Grenzen, das sind nun auch die Prinzipien, die das Berufsrecht der freien Berufe prägen.“ Im Zuge von national überbordender Bürokratie, aber auch durch die Deregulierungsbestrebungen von Seiten der EU seien die Freien Berufe der Gefahr ausgesetzt, über mehr Wettbewerbsfreiheit und Auflockerung des Werbeverbots ihre bisherige Bedeutung zu verlieren.

Seine Aussage zur aktuellen Gewerbesteuerdiskussion: „Und zugegeben ist natürlich schon, dass so, wie Rechte und Pflichten zusammengehören, berufsständische Regelungen auch etwas mit Privilegien zu tun haben können. Bei der Gewerbesteuer sind die freien Berufe folgerichtig ins Visier des Finanzministers geraten. Aber die Gewerbesteuer gehört eben nicht revitalisiert, sondern sie gehört abgeschafft und ersetzt durch ein Hebesatzrecht der Kommunen auf Einkommensund Körperschaftssteuer.“

Doch auch Ethos und die Moralität beruflichen Handelns müssen nach Auffassung Schäubles gefördert werden, und zwar so, dass Selbstbewusstsein und Verantwortung durch berufsrechtliche Regeln gestärkt werden: „Berufliche Erfüllung und Anerkennung haben auch motivierende Kraft. Den Wettbewerb zwischen freien Berufen nicht als Preiswettbewerb, sondern als Wettbewerb in der beruflichen Leistung zu organisieren, könnte auch weiterhin eine attraktive Alternative zur Hypertrophie von Markt und Wettbewerb im Zeitalter der Globalisierung sein.“

Schäuble betonte, dass das Berufsrecht der freien Berufe auf der Erkenntnis des Staates entstanden sei, dass dieser nicht in alle Lebensbereiche hineinregulieren könne. Nähe, Tradition und Familiengesellschaften stünden nicht nur für Kontinuität, sondern sorgten auch dafür, dass diese Werte nachhaltig über die gegenwärtigen Generationen hinaus gefördert würden: „Vielleicht ist also Tradition gar nicht nur altmodisch, sondern vor allem zukunftsstiftend.“

Schulterschluss mit der Wissenschaft

Die Zukunftsgerichtetheit der Bundeszahnärztekammer unterstrich auch der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK), Prof. Dr. Heiner Weber. „Die Gründung der BZÄK auf Basis des föderalen Systems war notwendig, jetzt dringender denn je“, sagte er mit Blick auf die aktuellen politischen Entwicklungen. Er unterstrich die Doppelrolle, die die Bundeszahnärztekammer nach innen und außen führt. Innenpolitisch sorge sie für den Zusammenhalt der Kammern und das gemeinsame Bild, mit dem sie nach außen hin agiere. Außenpolitisch trete sie mit der Politik und den Kostenträgern ins Gespräch, um für die Probleme des Berufsstandes zu werben.

Die enge und erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Wissenschaft habe sich gerade in der jüngsten Vergangenheit noch intensiviert. Weber hob dazu exemplarisch verschiedene Aktivitäten hervor, wie die gemeinsame Entwicklung einer neuen Approbationsordnung, den Ausschuss Qualitätssicherung oder den Produktesicherheitsrat. Im Beirat Fortbildung habe man sich intensiv mit dem Thema Zwangsfortbildung auseinandergesetzt und die Abwehr von Zwängen verfochten. Weber: „Die Freiwilligkeit muss die Basis der Fortbildung sein.“

Der DGZMK-Präsident wies auf die weiteren Pläne hin, den Deutschen Zahnärztetag auch künftig in Zusammenarbeit mit der BZÄK auszurichten. „Das setzt ein deutliches Zeichen für die Politik und Wissenschaft.“

Lob für die Bundeszahnärztekammer kam auch von europäischer Seite. Der Präsident des Zahnärztlichen Verbindungsausschusses zur EU (ZÄV), Dr. Wolfgang Doneus, dankte der BZÄK für ihren Einsatz im ZÄV, in dem sie sich seit seiner Gründung federführend engagierte. Gerade in der aktuellen Frage um die neue EU-Richtlinie zur Anerkennung der Berufsqualifikationen habe ihr „starker und klarer Auftritt“ sehr geholfen.

Der glanzvolle Festcharakter im Konzerthaus, dem Schinkelschen Schauspielhaus am Gendarmenmarkt, wurde musikalisch unterstrichen durch Klänge der Brass Akademie Berlin, die für eine feierliche Stimmung unter den Gästen sorgte.

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