Gesetzliche Krankenversicherung

Das Notpaket für 2003

Seit Jahresbeginn ist der erste Teil des vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziales (BMGS) direkt nach den Bundestagswahlen geschnürten Notpaketes zur Abfederung der GKV-Defizite gesetzlich abgesegnet. Während Ministerin Ulla Schmidt für das umfassendere und damit zustimmungspflichtige 12. SGB V-Änderungsgesetz auf weitere Vermittlungsversuche im Bundesrat hoffen muss, konnte das so genannte Beitragssicherungsgesetz – trotz formellen Einspruchs durch den Bundesrat – mit der Koalitionsmehrheit des Bundestages verabschiedet werden.

Ulla Schmidt hatte deutlich mehr veranschlagt, aber längst nicht alles bekommen: Die nach den Bundestagswahlen bekannt gemachten GKV-Defizite sollten durch einen schnellen Griff in die Kassen von Bürgern und Heilberuflern ausgeglichen werden. Langen wird das, was ohne die Zustimmung des nicht rot-grün bestimmten Bundesrates bis zum Jahresende durchgeboxt werden konnte, allerdings hinten und vorne nicht. Das Beitragssatzsicherungsgesetz ist, so viel ist bereits klar, nicht geeignet, die Beiträge zu sichern. Es reichte, wie sich bereits zum Jahresende andeutete, nicht einmal für eine oberflächliche Kosmetik: Die Beitragssätze steigen – und mit ihnen auch die Schwierigkeiten in der Systematik der gesetzlichen Krankenversicherung. Zahlen müssen im Moment nach wie vor in erster Linie die Heilberufe und die Versicherten.

Druck auf die Kostentube

Trotzdem bleibt es bei der Hoffnung der Ministerin: Mit der erneuten Kostendämpfungsmaßnahme verschaffe das BMGS „der gesetzlichen Krankenversicherung finanziellen Spielraum für strukturelle Reformmaßnahmen“.

Also auch in diesem Jahr noch mehr Bedenkzeit für die immer wieder avisierte „große Reform“, für weitere Kommissionen und noch mehr Diskussionen. Bis dahin wird weiterhin auf die Kostentube gedrückt. Die neuen Regelungen im Einzelnen:

Krankenkassen: Ein Stopp mit vielen Ausnahmen

• Den Krankenkassen wurde mit Wirkung vom 7. November bis zum 31. Dezember 2003 untersagt, ihre Beiträge zu erhöhen. Ausnahmen seien nur möglich, „wenn andernfalls die Leistungsfähigkeit nicht mehr gegeben wäre oder wenn Beitragssatzerhöhungen auf Grund von Faktoren aus dem Risikostrukturausgleich unvermeidbar sind“. Eine ganze Reihe von Kassen haben den gesetzlich bestehenden Handlungsrahmen genutzt, die anstehenden Beitragssatzanhebungen innerhalb der Frist oder per Ausnahmeregelung umsetzen zu können.

• Die Verwaltungsausgaben der Krankenkassen dürfen laut Beitragssicherungsgesetz im Jahr 2003 nicht höher liegen als 2002. Mitgliederzuwächse werden allerdings berücksichtigt. Auch für die neu eingeführten Disease-Management-Programme soll es Ausnahmen geben.

Nullrunde für Krankenhaus, Ärzte und Zahnärzte

• Für Ärzte, Zahnärzte und Krankenhäuser diktierte das Ministerium für das Jahr 2003 eine so genannte „Nullrunde“. Das bedeute, so rechnete das Ministerium der Öffentlichkeit vor, „für jeden Arzt durchschnittlich einen Verzicht auf rund 150 Euro Honoraranstieg pro Monat“. In der ärztlichen Versorgung und im Krankenhausbereich solle es Ausnahmen geben, um strukturelle Veränderungsprozesse durch die Nullrunde nicht zu gefährden.

Versicherungspflicht: Grenze hochgeschraubt

• „Um dem zunehmenden Wechsel vor allem günstiger Versicherungsrisiken von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung vorzubeugen und die solidarische Finanzierung der GKV zu sichern“, wurde mit Wirkung ab 1. Januar die Versicherungspflichtgrenze entsprechend der neuen Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung auf 3 825 Euro monatlich angehoben.

Mehr Rabatte für Arzneimittel

• Der Rabatt der Apotheken bei Abgabe von Arzneimitteln an die Krankenkassen wird, so das BMGS, bei hochpreisigen Arzneimitteln von bisher sechs auf bis zu zehn Prozent angehoben.

• Die pharmazeutischen Unternehmen gewähren, so das Ministerium in der Pressemitteilung zum Gesetz, „bei Abgabe von Arzneimitteln an die Krankenkassen einen Rabatt in Höhe von sechs Prozent auf den Hersteller-Abgabenpreis“. Der Rabatt gelte nur für Arzneimittel, für die es bisher keine Preis-Obergrenzen für die Erstattung durch die Krankenkassen gegeben habe (Festbeträge und obere Grenzen des unteren Preisdrittels im Rahmen der Aut-idem-Regelung). Hinzu kommt: Krankenkassen und ihre Verbände erhalten mit den neuen Regelungen auch die Möglichkeit, mit Arzneimittelherstellern zusätzliche Rabatte zu vereinbaren.

• Der pharmazeutische Großhandel gewährt seit Jahresbeginn einen Rabatt in Höhe von drei Prozent auf die Apotheken-Abgabepreise für alle rezeptpflichtigen Arzneimittel, die zu Lasten der Krankenkassen verordnungsfähig sind.

• Für hochpreisige patentgeschützte Arzneimittel, die oft nur einen geringen Zusatznutzen gegenüber bereits vorhandenen Arzneimitteln haben (so genannte Analog-Arzneimittel) werden Preis-Obergrenzen für die Erstattung durch die Krankenkassen (Festbeträge) bestimmt. Präparate, die echte therapeutische Innovationen bedeuten, seien, so das BMGS, hiervon ausgenommen.

Fünf Prozent Minus für zahntechnische Leistungen

• Die Preise für zahntechnische Leistungen wurden seit dem 1. Januar 2003 um fünf Prozent gesenkt. Die Vergütung zahntechnischer Leistungen wird für das laufende Jahr, so der Gesetzgeber, eingefroren.

Halbiertes Sterbegeld

• Das Sterbegeld für Versicherungsverhältnisse, die vor dem 1. Januar 1989 begründet wurden, wird halbiert und für Versicherte auf 525 Euro, für Familienversicherte auf 262,50 Euro festgesetzt.

Fallpauschale möglich

• Mit Wirkung ab 1. Januar 2003 tritt für Krankenhäuser das Diagnose-orientierte DRG-Fallpauschalensystem (DRG: Diagnosis Related Groups) in Kraft. Dies bedeutet, dass im Jahr 2003 die Krankenhäuser auf freiwilliger Basis mit dem Fallpauschalensystem abrechnen können. Erst im Jahr 2004 wird das Fallpauschalensystem dann für alle Krankenhäuser verbindlich.

Mit diesem System soll eine Vielzahl unterschiedlicher Diagnosen und damit Krankheitsarten zu einer überschaubaren Anzahl von Abrechnungspositionen mit vergleichbarem Aufwand zusammengefasst werden. Die Zuordnung zu einer solchen Abrechnungsposition erfolgt, so das BMGS, maßgeblich über medizinische Diagnosen-, Operationen- und Prozedurenschlüssel. Zusätzlich werden im Einzelfall weitere Kriterien herangezogen, zum Beispiel Alter, Geschlecht, Geburtsgewicht, Entlassungsstatus. Durch die Berücksichtigung von Haupt- und Nebendiagnosen könne das System „auch unterschiedlichen Schweregraden Rechnung tragen“, heißt es seitens des BMGS.

Damit könne das Leistungsspektrum von Krankenhäusern in einem überschaubaren DRG-Katalog abgebildet werden. Das Ministerium: „Der Anreiz, die Patienten unnötig lange im Krankenhaus zu behalten, wird beseitigt und durch die Verpflichtung zu Qualitätsberichten die Transparenz bedeutend erhöht.“

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.