Gastkommentar

Eigenwillige Beratungsstruktur

Der Bundeskanzler hatte in der Regierungserklärung angekündigt, auch die GKV nach dem Vorbild von Hartz reformieren zu wollen. Die so entstandene Rürup-Kommission ist nur eines vieler „Beratungsgremien“.

Hartwig Broll
Gesundheitspolitischer Fachjournalist in Berlin

Weder die Einsetzung der Rürup-Kommission im allgemeinen, noch die Person des Kommissionsvorsitzenden im besonderen können im Sinne der Bundesgesundheitsund Sozialministerin sein. Zu deutlich weichen die Auffassungen des Darmstädter Wirtschaftsweisen zur nachhaltigen Finanzierung der Sozialsysteme von denen Ulla Schmidts ab. Sie musste Bert Rürup zwar akzeptieren – Ober sticht Unter –, hat diesen aber zumindest kurzfristig erst einmal ausmanövriert. Für ihre eigene Gesundheitsreform sucht die Ministerin eine andere Art von Beratung, die insbesondere durch Linientreue charakterisiert sein sollte.

Es ist erstaunlich, welche Vielzahl von Kommissionen und Gremien sich mittlerweile berufen fühlen, der Ministerin intellektuelle Unterstützung bei der Bewältigung ihrer schwierigen Aufgaben anzudienen. Schon richtig altehrwürdig erscheint da der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, aber es bilden sich auch völlig neue Gruppen. So hat der DGB eine Expertenkommission gegründet – unter dem Berliner Professor Rolf Rosenbrock, der den Auffassungen der Ministerin sicherlich näher steht als Rürup. Und selbst die Arbeitsgruppe Gesundheit der SPD-Bundestagsfraktion soll so etwas wie eine Kommission gegründet haben, wohl vor allem deshalb, um in der Gesundheitspolitik überhaupt noch mitreden zu können und nicht nur die Ergebnisse von demokratisch höchst mangelhaft legitimierten Kommissionen abnicken zu müssen.

Brauchen tut die Ministerin all die Kommissionen und Experten ganz offensichtlich nicht. Gezeigt hat sich dies schon früh, als sie etwa Ende Dezember mit ausgesprochen gewerkschaftsnahen Vorschlägen zur Rentenpolitik die Rürup-Kommission nachhaltig verärgert hat. Ulla Schmidt sucht sich Beratung dort, wo sie auf hinreichende Unterstützung ihrer eigenen Auffassungen zählen kann. Dazu gehören zweifellos die Gewerkschaften, aber auch der AOK-Bundesverband – die Berufung von Franz Knieps zum Abteilungsleiter im BMGS ist so gesehen nur konsequent. Und dazu gehört natürlich Karl Lauterbach, dessen Stellung bei Ulla Schmidt fast nur noch mit der jenes sibirischen Mönchs und Wunderheilers am Hof Nikolaus II. zu vergleichen ist. Lauterbach ist überall, im Sachverständigenrat, in der Rürup-Kommission, in der DGBKommission, aber selbstverständlich auch in jenem engsten Beratergremium, das für Ulla Schmidt die Gesundheitsreform dieses Jahres vorbereitet, zusammen mit Gerd Glaeske, Peter Schwoerer – und natürlich Franz Knieps. Der Höhepunkt der Verstrickung zwischen der Ministerin und dem Kölner Professor steht aber wohl noch bevor. Nur für ihn kann jenes „Deutsche Institut für Qualität in der Medizin“ gedacht sein, das mit seinen vielfältigen Aufgaben die Steuerung der Versorgung übernehmen soll – und das als staatliche Behörde die sich bislang in Bundesausschüssen manifestierende Gemeinsame Selbstverwaltung ablösen wird. Die Errichtung dieses Instituts ist zustimmungsfrei, und so wird Karl Lauterbach mit seinem Sachverstand dem deutschen Gesundheitswesen wohl auch dann noch zur Verfügung stehen, wenn Ulla Schmidt längst schon Geschichte ist.

Sicherlich sollte man es jedem Politiker überlassen, von wem er sich beraten lässt. Das Manko in der Beratungsstruktur der Gesundheitsministerin bleibt allerdings, dass sie mit dieser niemals die Brücke zur Union wird schlagen können – und erst recht nicht die zu den Leistungserbringern. Beides wird aber erforderlich werden, will die Ministerin in ihren Bemühungen zur Stabilisierung der GKV-Finanzsituation und für eine echte Strukturreform im Gesundheitswesen tatsächlich erfolgreich sein.

Gastkommentare entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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