Schon Prä-Diabetiker sind Hochrisikopatienten
Ein Typ 2-Diabetes entwickelt sich nicht schlagartig von heute auf morgen und auch die mit der Erkrankung verbundenen Schäden am Gefäßsystem treten nicht erst auf, wenn der Diabetes manifest ist. Bei der Ausbildung der Stoffwechselstörung handelt es sich vielmehr um ein kontinuierliches Geschehen und es gibt eine lange Latenzphase, in der die Patienten üblicherweise nicht durch eine diabetische Stoffwechselstörung auffallen. Sie haben eine Glukosetoleranzstörung, was sich anhand eines spezielles Testes, dem oralen Glukosetoleranztest bestimmen lässt, ohne dass jedoch zwingend die Nüchternblutzuckerwerte ansteigen. Dennoch sind solche Patienten auf dem Weg, einen Diabetes zu entwickeln und als Prä-Diabetiker anzusehen, wie bei der Tagung der Hochdruckliga in Dresden dargelegt wurde.
Der Patientengruppe sollte, so hieß es dort, verstärktes Augenmerk gewidmet werden. Denn deutlich bevor der Typ 2-Diabetes erkennbar wird, bilden sich bereits Gefäßschäden aus, und die Patienten tragen ein massiv erhöhtes kardiovaskuläres Risiko. „Auch Prä-Diabetiker sind Hochrisikopatienten“, erklärte dazu Professor Dr. Christoph Hasslacher aus Heidelberg: Denn sie laufen nicht nur Gefahr, einen Typ 2-Diabetes zu entwickeln sondern haben auch ein zwei bis dreifach erhöhtes Risiko für eine Hypertonie und ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre und zerebrovaskuläre Komplikationen. Die Gefahr für einen Herzinfarkt und für einen Schlaganfall ist nach Hasslacher gegenüber Stoffwechselgesunden bereits zu diesem Zeitpunkt um fast das Dreifache erhöht.
Folgeschäden noch ehe der Diabetes erkennbar ist
Vor diesem Hintergrund bei den Folge- und Begleiterkrankungen noch von Spätschäden des Typ 2-Diabetes zu sprechen, ist nach den Worten des Mediziners völlig verfehlt. Die Gefäßschädigung setzt vielmehr schon ein, ehe noch der Diabetes auftritt. Diese Beobachtung erklärt auch, warum beim manifesten Diabetiker Begleiterkrankungen eher die Regel als die Ausnahme sind. So ist nach Hasslacher die KHK-Gefahr um das 3,3fache gesteigert, die Gefahr einer arteriellen Verschlusskrankheit um das 3,1fache und diejenige einer zerebralen Durchblutungsstörung um das 2,3fache. Nierenerkrankungen treten 4,6mal häufiger und Augenerkrankungen 3,1 mal häufiger auf als bei Nicht-Diabetikern.
Diabetes – eine Herz-Kreislaufkrankheit
Der Diabetes muss nach seiner Ansicht somit auch als eine Herz-Kreislauferkrankung betrachtet werden, die ihren Anfang nimmt, bevor die diabetische Stoffwechsellage klar fassbar wird. Dass es sich hierbei um ein relevantes Problem handelt, das weite Bereiche der Bevölkerung betrifft, zeigen nach Hasslacher am ehesten Zahlen. Demnach ist die Prävalenz des Prä-Diabetes in den vergangenen Jahren sprunghaft angestiegen. Lag sie in den 80er Jahren noch bei 2,9 Prozent, so reagierten in den 90ern schon sechs Prozent der Bevölkerung im oralen Glukosetoleranztest positiv. Neueren Erhebungen zufolge sind inzwischen rund 16 Prozent der Bevöl- kerung als Prä-Diabetiker anzusehen. In der Mehrzahl der Fälle findet sich zugleich eine Hypertonie, „die Patienten weisen insgesamt ein atherogenes Risikoprofil auf“, so Hasslacher.
Nicht zuletzt deshalb müssen sie auch wie Hochrisikopatienten behandelt werden, forderte in Dresden Dr. Joachim Schrader aus Cloppenburg. Solange entsprechende Studien beim Prä-Diabetes noch fehlen, sollte man sich nach Schrader an den Richtlinien für die Hypertoniebehandlung beim Typ 2-Diabetes orientieren. Konkret bedeutet das, dass bei Patienten mit oraler Glukosetoleranzstörung der Blutdruck ebenso konsequent zu senken ist wie bei einem Diabetiker, also unter den Wert von 135/85 mmHg oder besser sogar noch unter einen Wert von 130/80 mmHg, wenn der Patient dies toleriert. Dies gilt in besonderem Maße, wenn die Betroffenen bereits Zeichen einer Nierenschädigung aufweisen.
Pulsdruck ist Prädiktor des Mortalitätsrisikos
Doch auch bei Hypertonikern, die keine Glukosetoleranzstörung haben, also nicht konkret als Prä-Diabetiker anzusehen sind, muss eine strikte Blutdrucksenkung erfolgen. Deren Ziel ist es in erster Linie, Endorganschäden durch den hohen Druck im Gefäßsystem abzuwenden. Besonders hoch ist diese Gefahr, wenn der systolische Blutdruck hoch, der diastolische Druckwert gleichzeitig jedoch vergleichsweise niedrig ist. Die Differenz wird auch als Pulsdruck oder Pulse Pressure bezeichnet. „Die Höhe des Pulsdrucks aber ist ein direktes Maß für die kardiovaskuläre Gefährdung des Hypertonikers“, betonte Privatdozent Dr. Friedhelm Späh aus Krefeld in Dresden.
Denn ein hoher Pulsdruck forciert nach den Worten des Mediziners mechanische Schädigungen am Endothel, die ihrerseits die Entwicklung atherosklerotischer Gefäßveränderungen begünstigen. Es kommt zum Umbau der Gefäßwand, die Gefäße werden steifer, ihre Elastizität nimmt ab. Damit aber läuft die Pulswelle schneller, der Pulsdruck steigt weiter an und treibt die mechanischen Endothelschäden noch weiter voran. „Es bildet sich ein klassischer Teufelskreis, den es durch die Therapie zu durchbrechen gilt“, mahnte der Mediziner in Dresden.
Der Pulse Pressure ist nach seinen Worten ein guter Prädiktor der kardiovaskulären Mortalität und es muss deshalb alles daran gesetzt werden, ihn durch eine effektive antihypertensive Therapie zu senken. Besonders gut gelingt das offenbar mit der Gruppe der Kalziumantagonisten, welche den Pulse Pressure im Mittel um 34 Prozent mindern. Die Reduktion ist bei Diuretika mit durchschnittlich 14 Prozent etwas geringer. Betablocker senken den Pulsdruck nach Späh um 26 Prozent und ACE-Hemmer um 30 Prozent.
Christine VetterMerkenicher Str. 22450735 Köln
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Risiko für Begleiterkrankungenbei Diabetes
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(bezogen auf Personen ohne Diabetes)
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■ Koronare Herzkrankheit
3,3fach
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■ Arterielle Verschluss-
krankheit
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3,1fach
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■ Zerebrale Durchblutungs-
störungen
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2,3fach
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■ Nierenerkrankungen
4,6fach
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■ Augenerkrankungen
3,1fach
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