Warken will Kompetenzen von Apotheken ausweiten
Im Vorfeld der Kabinettssitzung hatten Ärzteverbände in einem gemeinsamen Brief gewarnt, die Übertragung ärztlicher Kompetenzen auf Apotheken gefährde die Patientensicherheit, und das Kabinett vehement aufgefordert, von den Plänen abzurücken.
Ein Dorn im Auge sind der Ärzteschaft sowohl die geplante Abgabe von Medikamenten ohne ärztliche Verordnung als auch die Ausweitung der Impfbefugnisse in Apotheken.
Doch Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hielt an den Vorhaben fest. „Apotheken sind eine tragende Säule des Gesundheitssystems. Unser klares politisches Ziel ist es, die Apotheken zu stärken, indem wir sie von Bürokratie befreien und ihre wirtschaftliche Situation verbessern“, sagte sie am Mittwoch vor Journalisten in Berlin.
„Apotheken sollen eine größere Rolle in der Gesundheitsversorgung spielen."
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU)
Außerdem sollen die Aufgaben der Apotheken in der Gesundheitsversorgung erweitert und die dort vorhandenen Kompetenzen in Zukunft noch deutlich breiter genutzt werden, etwa zur Prävention von Krankheiten. „Apotheken sollen eine größere Rolle in der Gesundheitsversorgung spielen“, bekräftigte die Ministerin.
Apotheker sollen alle Totimpfstoffe verimpfen dürfen
Apotheker sollen künftig nicht nur gegen Grippe und Covid-19, sondern mit allen Totimpfstoffen impfen dürfen, beispielsweise gegen Tetanus und FSME. Ausgenommen sind Impfungen mit Lebendimpfstoffen.
Darüber hinaus sollen Apotheken und zugelassene Pflegeeinrichtungen Schnelltests gegen bestimmte Erreger – zum Beispiel Adeno-, Influenza-, Noro-, RS- und Rotaviren – anbieten können. Um die Prävention bei Volkskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Störungen oder Diabetes zu stärken, soll es neue pharmazeutische Dienstleistungen geben.
Abgabe von Arzneimitteln ohne Rezept soll nicht die Regel werden
Dem Entwurf zufolge sollen Apotheken bestimmte verschreibungspflichtigen Arzneimittel künftig auch ohne eine ärztliche oder zahnärztliche Verschreibung abgeben können. Dies soll zum einen bei bestimmten akuten, unkomplizierten Erkrankungen möglich sein, zum anderen unter bestimmten Bedingungen bei der Anschlussversorgung bei chronischen Erkrankungen.
Dies könne zum Beispiel der Fall sein, wenn ein chronisch Kranker dringend ein Medikament benötigt, aber keine Verordnung hat – etwa an Wochenenden oder Feiertagen, wenn die Praxen geschlossen sind, erläuterte Warken. Die Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Apotheken ohne Rezept solle aber nicht die Regel werden, sondern nur in bestimmten Fällen in Notsituationen möglich sein, schränkte sie ein.
Bei welchen Erkrankungen die Abgabe von Arzneimitteln ohne Rezept künftig möglich sein soll, müsse noch festgelegt werden. Warken will dabei das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sowie die Ärzte- und Apothekerschaft einbeziehen.
Antibiotika sind ausgenommen
„Mir ist wichtig, dass ein klarer Rahmen vorgegeben wird und dass Apotheken und Ärzte im Boot sind und gemeinsam eine Lösung erarbeiten“, erläuterte Warken.
Die Abgabe von Antibiotika soll nicht erlaubt werden, bei diesem Punkt habe das Bundesgesundheitsministerium (BMG) im Vergleich zum Referentenentwurf bereits nachgesteuert. Auch die Abgabe von Arzneimitteln mit hohem Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial soll ausgenommen sein. Wenn zwischen Ärzten und Apothekern bei diesem Thema keine Einigung erzielt werden könne, werde sich das BMG nicht einmischen, sagte die Ministerin auf Nachfrage.
Der Gesetzentwurf sieht weiter vor, dass Arztpraxen im Rahmen eines Heimversorgungsvertrags Rezepte und E-Rezepte direkt an heimversorgende Apotheken übermitteln dürfen.
Zuschüsse für Apotheken auf dem Land
Um insbesondere Apothekenstandorte in ländlichen Gebieten zu stärken, soll ein neuer Zuschuss für Teilnotdienste eingeführt werden. Zudem soll in abgelegenen Orten mit deutlich eingeschränkter Arzneimittelversorgung die Gründung von Zweigapotheken erleichtert werden.
Weiterhin sieht der Entwurf vor, dass erfahrene pharmazeutisch-technische Assistentinnen und pharmazeutisch-technische Assistenten (PTA) künftig in bestimmten Ausnahmen maximal 20 Tage, davon höchstens zehn Tage am Stück, die Apothekenleitung vertreten dürfen.
Dies soll aber nur mit behördlicher Genehmigung im Rahmen einer praktischen Erprobung möglich sein, um den Betrieb von Apotheken in ländlichen Regionen aufrechtzuerhalten. Nach massiver Kritik der Apothekerschaft hatte das BMG diese Regelung noch angepasst.
Über höhere Honorare wird 2026 verhandelt
„Mir ist bewusst, dass die Apothekerschaft auf eine Erhöhung des Fixums wartet“, sagte Warken. Dieses Thema solle im kommenden Jahr auf die Tagesordnung kommen, versprach sie.
Die im Koalitionsvertrag angekündigte Erhöhung des Fixums von derzeit 8,35 Euro auf 9,50 Euro würde rund eine Milliarde Euro kosten. „Dafür gibt es derzeit keinen Spielraum“, sagte die Ministerin. Das Anliegen der Apotheker sei aber berechtigt, fügte sie hinzu.
Die Apothekenvergütung und weitere Themen sollen in einer ergänzenden Verordnung geregelt werden, die das BMG parallel zum Gesetz auf den Weg bringen will. Vorgesehen ist unter anderem, handelsübliche Skonti wieder einzuführen. Zudem sollen ABDA und GKV-Spitzenverband jährlich über eine Anpassung des Honorars verhandeln.
Die ABDA zeigte sich enttäuscht über die Apothekenreform und kündigte Widerstand an. Die Reform stärke die Apotheken nicht, sondern gefährde sogar die Arzneimittelversorgung in Deutschland. Die Bundesvereinigung kritisierte die ausbleibende Honorarerhöhung, zudem sieht sie die Reform als einen Angriff auf das inhabergeführte Apothekenwesen. „Die vom Bundesgesundheitsministerium geplanten strukturellen Veränderungen greifen die Grundsäulen des sicheren Apothekensystems fundamental an", heißt es in einer Mitteilung. Die Apothekerschaft appelliere nun an Bundestag und Bundesrat, die zahlreichen Mängel des vorliegenden Reformpakets im Gesetzgebungsverfahren zu beseitigen, teilte die ABDA mit.








