IZZ-Presseforum an der Akademie Karlsruhe

Neues ist nicht „per se“ besser

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Einblick in das zahnärztliche Selbstverständnis aus bisher wenig bekannter Perspektive verschaffte das 9. IZZ-Presseforum am 4. Juli an der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe eingeladenen Journalisten: Qualitätsförderung, berufliche Fort- und Weiterbildung sowie der gedankliche Überbau zum komplexen Feld der integrativen Zahnheilkunde waren ein nicht leichtes, aber mit Verstand und Interesse aufgenommenes Themenspektrum für die zahlreich angereisten Vertreter der schreibenden Zunft.

Das Motiv für dieses anspruchsvolle Thema nahm Prof. Dr. Michael Heners, Direktor der Akademie Karlsruhe, gleich vorweg: „Gegenwärtig häufen sich die Versuche, in der Medizin ‘Ordnung’ zu schaffen.“ Gemeint war nicht das Ansinnen der Politik, qua Gesetz „Ärzte-TÜV“ und Zwangsfortbildung zu etablieren, sondern vor allem die innerhalb der Zahnärzteschaft in diesem Zuge mit diskutierten Maßnahmen einer konzeptionellen Qualitätsförderung. Hier solle „‘ein Markt’ reguliert werden, der keine Grenzen und keine Sättigung kennt“.

Deutschlands Zahnärzte, so Heners, steckten mitten in einem Paradigmenwechsel, der das traditionelle, technomorphe „Handwerkermodell“ hinter sich lasse. Aufgabe des Zahnarztes sei vielmehr, durch komplexe Anwendung der Zahnmedizin als Heilkunde die durch Krankheit eingeschränkte Autonomie des Patienten wiederherzustellen. Das unterscheide ihn deutlich vom Scharlatan und Handwerker. Wenn ein Zahnarzt versuche, „lediglich aus der Anwendung mechanischer Kriterien des ihm vertrauten Lehrgebäudes seine Heilkunde aufzubauen, um ‘ein guter Zahnarzt’ zu werden, erlebt er einen vollkommenen Fehlschlag“.

Mehr Praxisalltag für den Hörsaal

Schon deshalb sei der Ansatz einer integrativen Zahnheilkunde – die simultane Anwendung aller Bereiche der Zahnheilkunde auf den individuell gegebenen Behandlungsfall – „für die Gestaltung eines modernen Gesundheitssystems unverzichtbar“, erklärte Prof. Dr. Winfried Walther von der Akademie Karlsruhe. Beispiele dieses Behandlungsvorgehens wurden den Forumsteilnehmern in Form zweier Patienten-Vorstellungen erläutert. Dieses Handlungskonzept, so Walther gegenüber den Journalisten, ist Basis für die Fortbildungen der Akademie: „Fortbildung zielt auf Änderung von Handlungsroutinen.“ Neue Behandlungswege seien nicht „per se gut oder besser“, sondern müssten gegenüber existierenden Lösungen abgewogen werden. Entscheidend sei, dass der Zahnarzt durch das strukturierte interkollegiale Gespräch in den Fortbildungsprozess einbezogen werde. Die Wissenschaft, so Heners, brauche die Erfahrungen des praktizierenden Zahnarztes: „95 Prozent der Zahnheilkunde wird in den Praxen und nicht in Instituten wie dem unseren gemacht.“ Deshalb werde der aus der Praxis kommende Zahnarzt, so erläuterte Walther, durch ein Konzept „interkollegialer Professionalisierung“ aktiv eingebunden und profitiere auf diese Weise in der täglichen Praxis. Der Zahnarzt müsse „für sich die Fähigkeit entwickeln, medizinisch relevante Informationen zu erwerben, kritisch zu bewerten und daraus die richtigen theoretischen wie praktische Schlüsse für die Praxis zu ziehen“. Ein Fortbildungskonzept, so stellte einer der teilnehmenden Journalisten fest, das eher einen Schritt in die Zukunft darstelle als die von der Bundesgesundheitsministerin präferierte staatlich reglementierte Zertifizierung. Das Vorhaben der Regierung stelle „aus Sicht der Zahnärzte in dieser Form einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht der freien Berufswahl sowie der freien Berufsausübung dar, den wir entschieden zurückweisen“, betonte Baden- Württembergs Zahnärztekammerpräsident Dr. Udo Lenke. Für die Zahnärzteschaft sei systematische und dauerhafte Fortbildung zur Kompetenzerhaltung des Zahnarztes eines der wichtigsten Qualitätskriterien für die Berufsausübung und damit für die zahnärztliche Versorgung der Bevölkerung. Kompetenzerhaltung sei „unabdingbare Voraussetzung für den betriebswirtschaftlichen Erfolg des ‘Unternehmens Zahnarztpraxis’“. Letztlich, so Lenke, sei „der Patient der entscheidende Erfolgsparameter für die Zahnarztpraxis“. Bereits heute gäben die Zahnärzte im Land mehrere Millionen Euro pro Jahr für ihre Fortbildung aus. Der Staat, so Lenke, solle sich in seiner „Regelungswut“ etwas zügeln, sich mehr auf die Rahmengesetzgebung konzentrieren und die Umsetzung sowie Kontrolle für Fortbildung und Qualitätsmanagement den Ärzten und Zahnärzten überlassen.

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