Deutsche Akademie für Interdisziplinäre Schmerztherapie e.V.

Schmerztherapie in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde

Heftarchiv Zahnmedizin
Die spezielle Schmerztherapie führt in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde in Deutschland leider noch ein Schattendasein. Schmerztherapeutische Maßnahmen erschöpfen sich beim Zahnarzt in der Regel in der alltäglichen Lokalanästhesie bei verschiedenen zahnärztlichen Eingriffen und in der Gabe von Acetylsalicylsäure-, Ibuprofen- oder Paracetamolpräparaten. Die Verordnung von Opioidpräparaten, selbst solchen, die nicht auf der Liste der Betäubungsmittel stehen (zum Beispiel Tramadol), erfolgt äußerst selten.

Dies liegt sicherlich nicht zuletzt an den zum Teil spärlichen Kenntnissen, die während der universitären Ausbildung in den Pharmakologievorlesungen vermittelt werden und die fast jeder Zahnmedizinstudent als reine Pflichtveranstaltung mit zu diesem Zeitpunkt geringem Bezug zur Realität betrachtet, aber auch an der oft zwar begründeten aber vagen Angst vor möglichen Nebenwirkungen. Andere umfassendere schmerztherapeutische Maßnahmen werden an den meisten Hochschulen ohnehin nicht vermittelt. Wer von uns Zahnärzten hatte schon das Glück, während seines Studiums in die Künste der Therapeutischen Lokalanästhesie eingewiesen zur werden oder gar die Gelegenheit, bei chronifizierten atypischen Gesichtschmerzen unter fachgerechter Anleitung selbst einmal eine Blockade am Ganglion pterygopalatinum durchzuführen? Wer kennt sich in der Gabe von Begleitmedikationen zur Minimierung von Nebenwirkungen der Analgetika oder von Koanalgetika zur Verbesserung der Hauptmedikation (zum Beispiel trizyklische Antidepressiva, Antikonvulsiva, Neuroleptika, Spamolytika und mehr) aus? Ungünstigerweise kommt noch hinzu, dass die Schmerztherapie sowohl im Bereich der Grundlagenforschung als auch in der praktischen Umsetzung, und hier besonders im pharmakologischen Bereich, einem steten und rasanten Wandel unterliegt. In der postuniversitären Ausbildung der Zahnärzte wird das Thema Schmerz nur marginal berücksichtigt.   

Die Fachgruppe der Zahnmediziner wird mit am häufigsten mit diversen akuten aber auch chronischen Schmerzzuständen in ihrem Arbeitsgebiet konfrontiert. Dies belegt bereits eine repräsentative Umfrage zur Schmerzprävalenz des Mafo-Instituts aus dem Jahre 1992 (Tabelle 1). Danach wurde bei einer Befragung unter 4 000 repräsentativen Bundesbürgern der Kopfschmerz (ohne Migräne) mit 34 Prozent als die am häufigsten erlittene Schmerzart innerhalb eines Sechsmonatszeitraums angegeben. Zahnschmerzen folgten mit sieben Prozent bereits an vierter Stelle.  

Neben den alltäglichen akut schmerzhaften Zahnproblemen, welche glücklicherweise sehr gut einer kausalen symptomatischen Therapie zugänglich sind, nehmen aber gerade in den letzten Jahren die Fälle an kaum oder schwer beherrschbaren chronischen Schmerzen stetig zu. Außer funktionell bedingten Schmerzen im Bereich des Kauapparates und Neuralgien stellen sich in den Zahnarztpraxen immer mehr Patienten mit so genannten atypischen (idiopathischen) Zahn- oder Gesichtsschmerzen vor. Gerade die letzte Gruppe ist dabei besonders heimtückisch, wird doch vom Zahnarzt in vielen Fällen vergeblich und zu lange versucht, diesen Schmerzen über symptomatische Therapiemaßnahmen beizukommen. Neben teils sinnlosen zahnärztlichen Eingriffen bis hin zur Extraktion gesunder Zähne, werden gerade diese Schmerzpatienten aus Unkenntnis zu spät einer adäquaten und ausreichenden Schmerztherapie zugeführt. Die Schmerzen chronifizieren.  

Der Schmerztherapeut

Die Deutsche Akademie für Interdisziplinäre Schmerztherapie e.V. (DAIST) hat sich deshalb unter anderem zur Aufgabe gesetzt, dieses gravierende Defizit in der zahnärztlichen Schmerztherapie zu beseitigen. Sie möchte als erste Schmerz-Gesellschaft allen Zahnärztinnen und Zahnärzten die Möglichkeit bieten, sich in aufeinander abgestimmten Seminaren zum zertifizierten Spezialisten in spezieller Schmerztherapie in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde ausbilden zu lassen. Dabei sollen zum einen die anatomischen, physiologischen und biochemischen Grundlagen der Schmerzentstehung, der Schmerzchronifizierung und der Schmerztherapie näher gebracht werden und zum anderen verschiedene, in der Zahnarztpraxis umsetzbare schmerztherapeutische Maßnahmen vorgestellt und in praktischen Seminaren umfassend geübt werden. Besonders wichtige Aspekte werden auch die spezielle Schmerzanamnese, die Befunderhebung und Diagnostik und die korrekte Dokumentation von Schmerzen in entsprechenden Schmerztagebüchern sein.  

Ganz wichtig: der Zahnarzt soll auf Grund seiner schmerztherapeutischen Ausbildung keinesfalls vorhandene schmerztherapeutische Einrichtungen ersetzen und überflüssig machen. Seine Tätigkeit soll vielmehr als Überbrückung und Unterstützung und damit als „Zuarbeit“ für vorhandene Institutionen verstanden werden. Seine Tätigkeit wird sich ohnehin ausschließlich auf Schmerzen im Bereich seines Fachgebietes beziehen können. Andererseits ergeben sich gerade hier vielfältige Notwendigkeiten zur kompetenten Schmerztherapie. Allein die schmerztherapeutische perioperative Begleittherapie wird zum Beispiel geradezu stiefmütterlich vernachlässigt und das, obwohl verhältnismäßig viele chirurgische Eingriffe in einer Zahnarztpraxis anfallen.  

Die DAIST strebt einen Ausbildungsstandard an, der sich an den bereits existierenden Richtlinien anerkannter schmerztherapeutischer Einrichtungen orientiert und zum Teil in Zusammenarbeit mit denselben durchgeführt werden wird. Dementsprechend ist derzeit eine Ausbildung von insgesamt 160 Unterrichtseinheiten(UE) à 45 Minuten vorgesehen. Davon entfallen 80 UE auf eine Grundausbildung, wie sie von vielen bereits etablierten schmerztherapeutischen Einrichtungen und Gesellschaften anerkannt ist und die von allen Facharztgruppen gleichermaßen absolviert werden muss. Zwei Seminare dieser Grundlagenausbildung wurden von der DAIST bereits in Tübingen mit großer Resonanz durchgeführt. Die restlichen 80 UE (freie Fortbildung) befassen sich mit der speziellen Schmerztherapie in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde und können in ihrer Zusammensetzung schwerpunktmäßig unterschiedlich gestaltet werden. Sie sollten allerdings mindestens 60 UE praktische Ausbildung einschließlich einer Schulung in adäquaten Notfallmaßnahmen enthalten. Bei allen Seminaren der DAIST wird künftig der Anteil der für diese Zertifizierung anrechenbaren Stunden getrennt ausgewiesen werden. Der Ausbildungsgang wird mit einer Abschlussprüfung abgeschlossen und durch ein Zertifikat „Spezielle Schmerztherapie in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde“ belegt.   

Einen großen Stellenwert wird nach Abschluss der Ausbildung die Qualitätssicherung einnehmen. Dazu werden jährliche Auffrisch-Fortbildungsmaßnahmen (mindestens zwei Wochenendseminare pro Jahr) und der regelmäßige, jährlich mindestens achtmalige Besuch von Schmerztherapeutischen Kolloquien vorgeschrieben sein. In diesen bundesweit in der Regel monatlich stattfindenden Abendfortbildungen treffen sich schmerztherapeutisch tätige Kollegen unterschiedlicher Facharztgruppen, um Patientenfälle zu diskutieren und sich über den neuesten Stand schmerztherapeutischer Maßnahmen zu informieren.

Weitere Infos unterwww.schmerz-arzt.de.

Hardy GausZahnarzt3. Vorsitzender der DAISTKirchstr. 1572479 Strassberg

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Schmerzart (Lokalisation)/Prävalenz in den letzten sechs Monaten (%)

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Schmerzfrei

32

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Kopfschmerzen (ohne Migräne)

34

\n

Schmerzen im Bewegungsapparat

29

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Erkältung/Grippe

24

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Zahnschmerzen

7

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Menstruationsschmerzen

6

\n

Migräne

4

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Ohrenschmerzen

2

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