Bundessozialgerichtsurteil zum Risikostrukturausgleich

Der Reformbedarf ist unübersehbar

Durch ein Urteil des Bundessozialgerichts steht jetzt fest: Der milliardenschwere Risikostrukturausgleich zwischen „reichen“ und „armen“ gesetzlichen Krankenkassen ist rechtmäßig und verstößt nicht gegen das Grundgesetz oder EU-Bestimmungen. Die Klagen von elf Kassen wurden abgewiesen. Das Gericht verlangt aber Nachbesserungen. Mehr Transparenz soll her. Jetzt ist der Gesetzgeber am Zuge.

Deutliche Hinweise gab das Bundessozialgericht in Kassel bei seinem Urteil zum Risikostrukturausgleich (RSA) vom 24. Januar 2003 an den Gesetzgeber (AZ: B 12 KR 16/01 R und Weitere): Akzeptanz und Transparenz des Strukturausgleichs sollen verbessert werden. Das Gericht urteilte, der Gesetzgeber sei wegen des komplexen Sachverhalts berechtigt gewesen, zunächst gröbere Regelungen zu treffen, die er aber später nachgebessert habe.

Insgesamt elf Klagen verschiedener Krankenkassen gegen den Risikostrukturausgleich hat das BSG abgewiesen. Geklagt hatten unter anderem die Techniker Krankenkasse, die Barmer Ersatzkasse sowie mehrere Betriebs- und Innungskassen, und zwar gegen das Umlageverfahren, das 1992 durch das Gesundheitsstrukturgesetz eingeführt wurde und das vom Bundesversicherungsamt jährlich errechnet wird. So sind im Jahre 2001 14,3 Milliarden Euro zwischen den Krankenkassen bewegt worden.

Zahler sind besonders die Kassen mit den „guten Risiken“, also Betriebskrankenkassen und Ersatzkassen, Nehmer in erster Linie die Ortskrankenkassen, die die „schlechten Risiken“ versichern. Gäbe es den RSA nicht, müsste die AOK wesentlich höhere Beiträge verlangen. In manchen Fällen führt der RSA sogar zu einer paradoxen Situation: Geförderte Kassen können günstigere Beitragssätze anbieten als die vermeintlich reicheren Betriebskrankenkassen. Darunter leide die Akzeptanz, so die Bundesrichter.

Die geplante Ausweitung des RSA, bei der künftig auch Programme für chronisch Kranke und die Zahl der Versicherten mit besonders hohen Arztkosten berücksichtigt werden, erscheine nach dem Richtervotum erst dann sinnvoll, wenn es dafür eine verlässliche Datengrundlage gebe und ein reibungsloser Ablauf gewährleistet sei.

Die bisher noch lückenhafte Datenbasis des Bundesversicherungsamtes veranlasste das Gericht zu einem weiteren Änderungsvorschlag: solange nicht in allen Kassen eine Vollerhebung der Ausgaben stattfindet und nur Stichproben erhoben werden, könnte eine größere Pauschalierung praktikabler sein.

Kein Wettbewerbsrecht

Als unvereinbar hielten es die Richter, unter Hinweis auf den Wettbewerb den Risikostrukturausgleich abzuschaffen. Die gesetzlichen Kassen hätten kein Recht auf Wettbewerb. Der Gesetzgeber habe den Versicherten ein Wahlrecht eingeräumt, was von den Kassen als Wettbewerb ausgelegt werde. Der RSA verstoße nicht gegen europäisches Wettbewerbsoder Beihilferecht, denn die Kassen der solidarischen Pflichtversicherung seien nicht als Unternehmen einzustufen.

Interessant sind die Einschätzungen des Bundessozialgerichtsurteils in der Presse. So kommentiert zum Beispiel die Süddeutsche Zeitung (25. Januar 2003): „Der Finanzausgleich ist aber kein Gleichmacher. Er sorgt nur dafür, dass die Kassen unter ähnlichen Bedingungen konkurrieren können. ... Anders als ein Unternehmen kann sich eine Kasse auf dem Markt kaum profilieren. Die Leistungen, die sie anbietet, schreibt ihr weit gehend die Politik vor.“ Und die Ärzte-Zeitung (27. Januar 2003) interpretiert das Urteil als „Billigung für die Vergangenheit, aber Warnung für die Zukunft“. Weiter heißt es: „Ganz nebenbei können Kassen und Politiker einen gemeinsamen Erfolg feiern: Die gesetzlichen Krankenkassen sind keine Unternehmen, das Wettbewerbsrecht ist nicht anwendbar, so das BSG.“ Und: „Das BSG hat den RSA für die Vergangenheit abgesegnet, das freut die Empfängerkassen und Ulla Schmidt. Für die Zukunft hat es mehr Gründlichkeit und Reformen angemahnt; das freut die Zahlerkassen. Dabei ist der Reformbedarf unübersehbar.“

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