Leitartikel

Massive Gefahr für die Freiberuflichkeit

Sehr geehrte Frau Kollegin,

sehr geehrter Herr Kollege,

es gibt Entwicklungen im Gesundheitsmarkt, die jedem Zahnarzt schlichtweg die Zornesröte ins Gesicht treiben müssen. Dazu gehört das neue Angebot der Deutschen Krankenversicherungs AG, mit dem ersten Zahnprophylaxe-Center in Stuttgart künftig Weichen stellen zu wollen. Wie es in einer Pressemitteilung vollmundig heißt, will man sich mit einer neuen Strategie als „Unternehmen Gesundheit“ positionieren und die „gesamte Versorgung aus einer Hand“ anbieten. „goDentis“ heißt das Projekt, das nach dem Willen der DKV als Referenzobjekt für alle deutschen Ballungsräume gelten soll.

Doch wer näher hinsieht, dem wird schnell klar: Das Projekt ist nichts anderes als das rigide Instrument eines von Dirigismus geprägten Versicherungssystems. Als erste private Versicherung verlässt die DKV im zahnärztlichen Bereich ihre eigentliche Aufgabe. Sie steigt als Anbieter in den Gesundheitsmarkt ein. Damit wird eine Wettbewerbssituation geschaffen, die letztlich nur eines zum Ziel hat: die zahnärztlichen Versorgung zu zersplittern und eine einheitliche Qualität massiv in Frage zu stellen.

Die Bundeszahnärztekammer reagiert auf diese Tendenz mit völligem Unverständnis. Das Vorhaben stößt auf juristische und insbesondere ordnungs- und berufsrechtliche Bedenken. Zahnärzte, die sich für die DKV verpflichten, begeben sich in eine Abhängigkeit, die mit einem Freien Beruf nicht mehr vereinbar sind. Alle Zahnärztekammern sind deshalb von uns aufgefordert worden, die Entwicklungen der DKV in diesem Bereich kritisch unter berufsrechtlichen Aspekten zu prüfen.

Die DKV operiert gegenüber der Öffentlichkeit mit Angaben, die schlichtweg falsch sind. Dazu gehört die Darstellung über die Ausbildung zu Dentalhygienikerinnen. Nicht nur in Skandinavien, der Schweiz und den USA ist das Berufsbild der DH etabliert, längst ist dies auch in Deutschland der Fall. Wissenschaftlich unhaltbar ist auch die These, dass Zahnersatz durch Prophylaxe weitgehend überflüssig werde. Solche Aussagen führen zur Irritation von Patienten.  Hinzu kommen weitere Ungereimtheiten. So ist fraglich, wie die DKV auf Dauer die Ungleichbehandlung ihrer Versicherten rechtfertigen will. Während in Zahnarztpraxen für eine professionelle Zahnbehandlung von ihr überwiegend kein Zuschuss gewährt wird, sollen Versicherte, die ein Zahnprophylaxezentrum aufsuchen, eine finanzielle Unterstützung erhalten.

Die DKV geht, wie wir wissen, mit ihrem Konzept massiv auf Kundenfang. So wird mittels Telefonwerbung bei den Mitgliedern nachgefragt, ob sie sich statt bei niedergelassenen Zahnärzten nicht lieber im neuen Prophylaxezentrum behandeln lassen wollen. In wie weit solche Methoden als unredliche Abwerbung gelten können, sei an dieser Stelle als offene kritische und juristisch zu überprüfende Frage in den Raum gestellt.

Die Bundeszahnärztekammer reagiert auf solche Entwicklungen mit großer Besorgnis, dies auch vor dem Hintergrund, dass die DKV bisher als verlässlicher Gruppenversicherungspartner galt. Immerhin umfassen die Verträge zwischen Kammern und KZVen über rund 14 000 Zahnärzte zusätzlich ihrer Familienangehörigen in der Krankheitskostenversicherung und beim Tagegeld.

Angesichts solcher Tendenzen besteht verstärkt Grund zu Wachsamkeit. Gefahr zeigt sich nicht nur durch einen zunehmenden Dirigismus und durch staatliche Reglementierung in der GKV – und dort sind wir uns dessen bewusst. Die DKV-Pläne belegen vielmehr, dass Einkaufsmodelle sozusagen auch durch die Hintertür, nämlich im PKVBereich, drohen.

Ich warne deshalb eindringlich davor, diese Entwicklungen zu verharmlosen und sich vereinnehmen zu lassen. Denn dies rührt an den Kern unseres freiberuflichen Selbstverständnisses. Alle Kammern und jeder einzelne Kollege ist aufgefordert, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und entsprechend zu handeln.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Dr. Jürgen WeitkampPräsident der Bundeszahnärztekammer

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