Farbkompetenz für Zahnärzte und Zahntechniker

So wirkt die Farbe auf Sie und Ihre Patienten

Der Auftritt einer Praxis und die damit erzielte Wirkung beim Patienten hängen unmittelbar von der Wahrnehmungsfähigkeit des Einzelnen ab. Trotzdem gibt es eine Reihe von „rein physikalischen“ Gesetzmäßigkeiten, die den Wohlfühlfaktor der Menschen bestimmt, die sich in den betreffenden Räumen aufhalten. Damit ist neben dem Patienten das gesamte Team gemeint, das gut gelaunt und energievoll den gesamten Tag über seine Arbeit leisten soll. Im folgenden Beitrag werden die wichtigsten Grundlagen zur Farbe erläutert sowie diese Gesetzmäßigkeiten auf die Gestaltung einer Praxis transferiert.

In unserer kunterbunten Medienwelt sind wir umgeben von einer ständig zunehmenden Vielfalt an Farbreizen. Die wachsende Bedeutung der Farben ist getragen durch neuere Technologien, wie Farbfernsehen, Farbdruck, Internet oder Telekommunikation. In der Mode besitzen die Farben – zur richtigen Zeit im richtigen Medium präsentiert – eine geradezu globale normative Kraft. Farben spielen eine wichtige Rolle beim Verkauf von Autos, bei Kleidungsstücken, Lippenstiften, Tapeten, Blumen, Wohnungseinrichtungen, Nahrungsmitteln oder Stunden im Solarium. Deshalb ist es nur verständlich, dass sich auch in der Zahnarztpraxis und dem Dentallabor ein verstärktes Farbbewusstsein bemerken lässt. Patienten beobachten die Techniken und Ergebnisse des Zahnfarbnehmens sehr genau und entwickeln eigene Vorlieben.

Neue Trends, wie das Bleaching, gewinnen zunehmend an Bedeutung. Die Farbgebung von Zahnarztpraxis und Zahnlabor sollte heutzutage gut durchdacht sein, um einerseits den emotionalen Wohlfühlfaktor und gleichzeitig eine störungsfreie Arbeit zu gewährleisten.

Dieser Beitrag gibt eine kurze Einführung in die Physik und die Psychologie der Farben. Anhand eindrücklicher Beispiele werden Bezugspunkte zur Wahrnehmung von Farben in der Zahnarztpraxis geschaffen und die Bedeutung von Farbkompetenz bei Zahnärzten und Zahntechnikern demonstriert. Dazu zählen Hinweise zur farblichen Einrichtung der Arbeitsräume ebenso, wie das Aufzeigen von Strategien zur Verringerung der Fehlerquote bei der Zahnfarbbestimmung.

Farbe sehen – Farbe und Physik

Unser Gehirn besteht aus der phänomenalen Zahl von mindestens 100 Milliarden Nervenzellen, den so genannten Neuronen. Das sind so viele wie es Sterne in der Milchstraße gibt, oder knapp zwanzigmal so viel wie die momentane Anzahl der Erdbevölkerung! Jedes dieser Neuronen besitzt im Schnitt etwa 1 000 Verbindungen zu wieder anderen Neuronen. Addiert man die Länge aller dieser Verbindungen, so kommt man – bei einer vorsichtigen Schätzung – auf die schier unglaubliche Strecke von zehn Millionen Kilometern. Das ist ein Kabel mit der mehr als dreifachen Länge der Entfernung von der Erde zum Mond, aufgewickelt in unserem Gehirn! Und ein sehr wichtiger Teil dieses Wunderwerks in unserem Kopf ist damit beschäftigt, unsere Umgebung in Farbe zu sehen.

Um dem Geheimnis des Farbensehens auf die Spur zu kommen, begleiten wir den berühmten Physiker Isaac Newton auf einen englischen Markt im Jahre 1666. Dort kaufte er sich ein spezielles Glasstück mit drei Seiten – ein Prisma. Er begeisterte sich daran, wie das Prisma das auf der einen Seite einfallende Licht am anderen Ende in alle möglichen Farben zerlegte. Diese Farben sind übrigens genau identisch mit den Farben des Regenbogens. Über diese Erscheinung schrieb er eine Abhandlung mit dem Titel „Theorie des Lichtes und der Farben“. Darin stellte er die These auf, dass sich das weiße Sonnenlicht aus allen Farben seines Prismas zusammensetzt. Newton war der festen Überzeugung, dass es sich dabei „wahrscheinlich um die wunderbarste Entdeckung handelt, die jemals gemacht wurde“. Aber nicht einmal mit solch farbigen Worten konnte er seine zahlreichen Gegner von der Farbigkeit des Sonnenlichts überzeugen. Noch im Jahr 1790 widersprach ihm zum Beispiel Goethe (der sich zeitlebens intensiv mit den Farben beschäftigte), dass „der Gedanke über die Farbigkeit des Sonnenlichtes absurd“ sei und „sich höchstens als Kindermärchen“ eigne. Inzwischen aber zweifelt niemand mehr an der Vermutung Newtons: Weißes Sonnenlicht setzt sich tatsächlich aus dem ganzen Regenbogenspektrum verschiedener Farben zusammen!

Inzwischen weiß man auch, dass wir Menschen in der Lage sind, etwa 150 verschiedene Farbtöne voneinander zu unterscheiden. Diese Farben können von uns außerdem verschieden intensiv und verschieden hell empfunden werden. Das ergibt insgesamt etwa zehn Millionen auflösbare unterschiedliche Farbstufen!

Wie schafft es aber unser Auge, eine solch immense Menge von Farben hochaufgelöst zu erkennen? Diese Frage stellte sich auch der englische Mediziner Thomas Young (1773 –1829). Er fand heraus, dass jeder mögliche Farbton durch eine angemessene Mischung von maximal drei Grundtönen erzeugt werden kann. Young war klar, dass die Natur stets nach dem Optimum strebt und deshalb genau so viele unterschiedliche Farbsehzellen verwendet, wie erforderlich sind. Bereits 1802 stellte er die Behauptung auf, dass an jeder Stelle der Netzhaut drei lichtempfindliche Strukturen sitzen, die auf Rot, Grün und Blau reagieren.

Die drei verschiedenen Farbsehzellen – die so genannten Zäpfchen – besitzen deutlich unterschiedliche Empfindlichkeitsbereiche, die sich überlappen und das gesamte Spektrum des sichtbaren Lichts abdecken. Die unterschiedlichen Zäpfchen messen einfach, wie gut ein einfallender Lichtstrahl farblich zu ihnen passt. Registrieren sie eine gute Übereinstimmung, so erzeugen sie einen sehr hohen Reiz, ansonsten einen niedrigen. So entstehen drei verschieden starke Nervenreize, die im Sehzentrum zu einem einzigen Farbeindruck ausgewertet werden. Dazu kommt natürlich noch das reine Helligkeitssehen (siehe schwarze Kurve), das durch weitere spezialisierte Sehzellen – die so genannten Stäbchen – bewerkstelligt wird.

Neuerdings hat sich gezeigt, dass Rot-, Grün-, Blau- und Grau-Sehen sich noch in weit größerem Ausmaß – und zwar in ihrer gesamten raumzeitlichen Charakteristik – voneinander unterscheiden. Unterschiede gibt es zum Beispiel in der Empfindlichkeit, der räumlichen Verteilung auf der Netzhaut und der Weiterverarbeitungszeit. So reagiert das Stäbchensehen schon bei schwachem Licht, während das Farbensehen Tageslicht benötigt. Dadurch wird auch das Sprichwort: „Nachts sind alle Katzen grau!“ verständlich. Ein weiterer Unterschied liegt in der räumlichen Verteilung: Die roten und die grünen Zäpfchen sitzen „in der ersten Reihe“, dicht gepackt und direkt in der Sehgrube (fovea centralis), dem Ort des schärfsten Sehens. Etwas weiter außerhalb liegen die blauen Zäpfchen, gefolgt von den Stäbchen. Auch in der Reaktionszeit sind die roten und grünen Zäpfchen im Vorteil: Sie leiten die Farbreize am schnellsten weiter, wieder gefolgt von den blauen Zäpfchen und den Stäbchen. Katzen erscheinen also nach diesen Erkenntnissen nachts nicht nur grau und unscharf, sondern auch langsam!

Man nimmt an, dass der Grund für die beobachteten Unterschiede die verschiedenen Entwicklungsstufen in der Evolution des Sehens sind. Nachdem zuerst allein das Stäbchensehen ausgeprägt war, kam zunächst das Blau-Sehen und schließlich das Rotbeziehungsweise Grün-Sehen hinzu. Es lässt sich nur erahnen, was für ein komplizierter Prozess im Gehirn stattfinden muss, um diesen Wirrwarr aus eingehenden Sinnesempfindungen zu unserer normalerweise so klaren und eindeutigen Sehempfindung zu verarbeiten. Dieser übergeordnete kognitive Prozess wird als Farbwahrnehmung bezeichnet.

Farbe wahrnehmen – Farbe und Psychologie

Je mehr wir über die Physik des Sehprozesses erfahren haben, desto größer ist das Staunen über den komplexen Mechanismus, der in unserem Gehirn dabei vor sich gehen muss. Aus den Zäpfchen gelangen codierte Farbinformationen ans Gehirn, und das permanent!

Trotzdem gelingt es uns normalerweise aus dieser ungeheuren Datenflut einen klaren Farbsinneseindruck zu gewinnen. In der Evolution hat sich ein hervorragend an seine Umwelt angepasster Wahrnehmungsapparat entwickelt, der extrem pragmatisch und einfallsreich ist und auf ein immenses Vorwissen zurückgreifen kann. Dazu zählen das Wissen über verschiedene Beleuchtungsverhältnisse, wie den Stand der Sonne, den Schattenwurf, die Transluzenz, oder das Wissen über die Farbgebung wichtiger Naturelemente. Beispielsweise werden die Farben Grün und Blau immer bevorzugt als Hintergrundfarben assoziiert. Grund ist das Vorwissen über die Färbung von Himmel, Wäldern oder Wiesen, welche in der Natur normalerweise den Hintergrund darstellen. Rot und Gelb werden dagegen als Signalfarben wahrgenommen und auch so bezeichnet.

Was ist aber der eigentliche Nutzen der Farbwahrnehmung? Durch das Farbensehen werden Tarnungen leichter aufgelöst, Strukturen besser erkannt und Beutetiere schneller wahrgenommen, was natürlich einen ganz entscheidenden Vorteil in der Evolution darstellte. Dieser Wettbewerbsvorteil in der Evolution musste mit einem gehörigen Aufwand an Gehirnkapazität erkauft werden. So besitzt der Mensch etwa sechs Millionen farbige Sehzellen in jedem Auge – ganz zu schweigen von den Zellen, die der Weiterverarbeitung der Farbinformation dienen. Aufgrund dieses hohen zusätzlichen Aufwands schießt die Natur hier in gewisser Weise mit Kanonen auf Spatzen. Für das reine Enttarnen von Strukturen ist sicherlich kein so intensiv ausgeprägtes Farbensehen wie beim Menschen nötig. So ist es auch zu erklären, dass sich das Farbensehen in der Evolution bei manchen Tieren nur teilweise oder – wie bei den Hunden – gar nicht durchgesetzt hat. Die Natur wäre aber nicht die Natur, wenn Sie dieses Potential nicht noch anderweitig nutzen würde. Die restlichen farbigen Kanonenkugeln, die nicht für das Enttarnen von Spatzen und mehr benötigt werden, stehen nämlich zu unserer freien Verfügung. Aus dieser Freiheit resultiert in jedem Menschen ein leicht verschiedenes Farbempfinden. Und genau das bietet den Spielraum für die Individualität und Faszination der Farben. Deshalb ist es kein Wunder, dass der Zwiespalt zwischen Gefühl und Verstand in kaum einer Sinnesempfindung so deutlich zum Ausdruck kommt wie in der Farbwahrnehmung. So lässt sich die Wirkung von Farben manchmal viel besser mit „meine Lieblingsfarbe“ oder mit „warm“ oder „kalt“ beschreiben als mit wissenschaftlichen Kenngrößen, wie etwa „400 Nanometer“. Das hat damit zu tun, dass die Wahrnehmungswirkung von Farben manchmal ganz anders ausfallen kann, als ihre nackten physikalischen Eigenschaften vermuten lassen. Künstler hüten sich auch zumeist davor, nach naturwissenschaftlichen Erkenntnissen zu malen. Vincent van Gogh meinte beispielsweise: „Die wahren Maler sind diejenigen, welche die Dinge nicht so malen, wie sie sind, sondern so, wie sie sie fühlen.“ Dass die Dinge nicht immer so wirken wie sie sind, lässt sich bereits anhand der abgebildeten einfachen, blau abgestuften Fläche in Abb. 2 beobachten.

Fixieren Sie bitte das Kreuz für einige Zeit. Blicken Sie danach auf eine weiße Fläche, wird Ihnen ein Nachbild in bekannten Farben (schwarz-rot-gold) erscheinen. Der Grund für das Auftreten dieser Komplementärfarben ist die zeitliche Sättigung und Ermüdung von Zäpfchen bei längerer Betrachtung einer farbigen Szene. Deshalb wird die entsprechende Farbe für einige Zeit nicht mehr intensiv wahrgenommen, und beim Betrachten einer weißen Fläche erscheint die Komplementärfarbe. Für die Zahnfarbnahme bedeutet das konkret, dass die Betrachtungsdauer nicht besonders lange dauern sollte (acht bis zehn Sekunden) und folglich der erste Eindruck maßgeblich ist.

Neben dem soeben betrachteten zeitlichen Einfluss gibt es einen starken räumlichen Einfluss auf die Farbwahrnehmung. Um sich davon zu überzeugen, betrachten Sie bitte Abbildung 3 mit den einzelnen Quadraten im Vordergrund. Diese Quadrate kann man sich auch als versinnbildlichte Zähne vor verschiedenen Hintergründen vorstellen.

In der oberen Reihe sind vier identische graue Zähne vor einem von links nach rechts zunehmend helleren Hintergrund zu sehen. Sicher erscheinen Ihnen die Zähne zunehmend dunkler. In Wirklichkeit sind sie aber immer gleich hell!

In der mittleren Reihe sind rote Quadrate vor einem unterschiedlich gesättigten (intensiven) roten Hintergrund dargestellt. Die Quadrate erscheinen Ihnen sicherlich deutlich unterschiedlich mit nach rechts abnehmender Intensität. In Wirklichkeit sind sie aber alle von identischem Rot. In der unteren Zeile sind schließlich identische rote Quadrate vor unterschiedlichen Farbtönen im Hintergrund aufgetragen. Tatsächlich wirken die Quadrate links wieder deutlich roter als auf der rechten Seite. Aus dieser Beobachtung folgt: Unsere Wahrnehmung von Farbe ist relativ und abhängig vom Hintergrund. Die Wahrnehmung von Farbe (und wie gesehen ihrer drei Komponenten Helligkeit, Sättigung und Farbton) ist also viel mehr als die rein physikalische Messung der Stärke reflektierter Lichtstrahlen und hängt stark von ihrer Umgebung ab. Und das aus gutem Grund.

Wir sind seit jeher auf das Detektieren von Kanten getrimmt. Trotz manchmal fast gleicher Färbung können wir zum Beispiel den Übergang vom Meer zum Himmel auch bei diesigem Wetter noch gut erkennen, ebenso wie die Umrisse von Tieren oder Bäumen im Nebel. Das zu Grunde liegende Prinzip ist die so genannte Randkontrastverstärkung. Viele Fehlleistungen in der Zahnfarbbestimmung beruhen auf diesem für seine ursprüngliche Aufgabe in der freien Natur sehr nützlichen Prinzip.

Heutzutage halten wir uns allerdings sehr häufig außerhalb unserer natürlichen Umgebung auf. Wir befinden uns in geschlossenen Räumen mit weißem oder sogar farbigem Kunstlicht, welches sich in seiner Zusammensetzung völlig vom Sonnenlicht unterscheidet. Die Beleuchtung kommt im Gegensatz zur Sonne nicht immer von oben, sondern ist oft beliebig im Raum verteilt. Unsere Farbwahrnehmung muss sich mit ungewohnten technischen Umgebungen befassen, und es fehlen die in Millionen Jahren erlernten Anhaltspunkte. So wurde sogar festgestellt, dass die Ausprägung von Defekten in der Farbwahrnehmung deutlich mit dem Industrialisierungsgrad des Wohnortes zusammenhängt. Während zum Beispiel in Afrika oder Südamerika die Häufigkeit der Rot-Grün-Sehschwäche verschwindend gering ist, ist sie in Europa oder Nordamerika bei Männern auf bis zu acht bis zehn Prozent angestiegen. Aus diesen Gründen ist es überhaupt nicht verwunderlich, dass die eigentlich so erfolgreiche Wirkungsweise des Farbensehens heutzutage sehr verwundbar ist. In einem technischen Umfeld – in dem sich ja auch Zahnarztpraxen und Zahnlabors befinden – stößt unsere gewohnte intuitive Farbwahrnehmung an ihre Grenzen. Diese Problematik kann erst durch einen bewussten und kompetenten Umgang mit dem Thema Farben vermindert werden.

Kompetente Gestaltung von Farb-Räumen

Wartezimmer und Behandlungszimmer sind die Aushängeschilder einer jeden Zahnarztpraxis. Es gibt wahrscheinlich nicht viele Räume, deren Gestaltung mit so bewussten Augen wahrgenommen wird. Die Patienten haben Zeit und sind für das Kommende und den Augenblick sensibilisiert. Neben der rein physikalischen Funktionalität eines Raumes sollte deshalb auch die emotionale Ausstrahlung der Farben in Betracht gezogen werden. Dazu zählt sowohl die Möglichkeit, den individuellen Stil einer Praxis darzustellen, als auch die Berücksichtigung von allgemeinen demoskopischen Erfahrungswerten über Farbeinschätzungen und Wohlfühlfarben.

Einen ersten allgemeinen Hinweis auf Wohlfühlfarben geben Umfragen über die Lieblingsfarben der Deutschen. Verschiedenste Studien ergeben immer wieder ein ganz klares Votum für Blau. In einer kürzlich durchgeführten groß angelegten Umfrage [Heller 1999] betrug das Ergebnis 38 Prozent Blau, 20 Prozent Rot, zwölf Prozent Grün, acht Prozent Schwarz. Unbeliebteste Farben waren mit deutlichem Vorsprung Braun (29 Prozent), gefolgt von Orange und Violett mit je elf Prozent. Die Farbwahl sollte sich auch an der jeweiligen Erwartungshaltung der Besucher an einen Raum orientieren, ganz nach dem Motto „gebt den Menschen, was sie erwarten, dann sind sie zufrieden“.

Aber was erwarten die Patienten von den einzelnen Räumen? Zur Beantwortung dieser Frage können quantitative psychologische Umfragen sehr hilfreich sein, aber auch eigene Umfragen im Patientenkreis sind denkbar. In der schon erwähnten Untersuchung von Heller wurden die Testpersonen nach ihren Farbassoziationen zu vorgegebenen Begriffen befragt. So wurde zum Beispiel dem Begriff „Sympathie“ von 28 Prozent der Versuchspersonen die Farbe Blau zugeordnet, 17 Prozent sagten Rot, 16 Prozent Grün, neun Prozent Rosa, neun Prozent Weiß, acht Prozent Violett.

Insgesamt wurden auf diese Weise 200 Eigenschaften und Gefühlen Farben zugeordnet. Die Ergebnisse dieser Studie lassen sich für unser Ziel – eine ansprechende Farbgebung einzelner Räume – hervorragend heranziehen.

Das Wartezimmer

Eine passende Farbgebung des Wartezimmers ist eine große Chance, den Patienten gefühlsmäßig anzusprechen, ihn zu beruhigen und in eine positive Stimmung zu versetzen. Es sollte entspannend und beruhigend wirken und die Wartezeit nicht zu lange erscheinen lassen.

Die Auswahl von Eigenschaften, die ein Wartezimmer charakterisieren sollen, ist natürlich immer äußerst subjektiv und von Praxis zu Praxis unterschiedlich. Eine detaillierte Umsetzung einer passenden Farbgebung für eine Praxis kann also erst mit Hilfe einer individuellen Stilanalyse geschehen. Trotzdem soll hier das Verfahren anhand eines typischen Beispiels demonstriert werden.

Dafür werden folgende zehn typische Eigenschaften eines Wartezimmers festgelegt: beruhigende Wirkung, Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft, Hoffnung, Optimismus, Sauberkeit, Sicherheit, Sympathie, Vertrauen und Zuverlässigkeit. Aus den erwähnten Voruntersuchungen besitzt jede dieser Eigenschaften eine Farbzuordnung. Addiert man die Zuordnungswerte, so ergibt sich für das Beispiel folgende Farbgewichtung für die Erwartung an ein Wartezimmer: 20,9 Prozent Grün, 20,4 Prozent Blau, 18,0 Prozent Weiß, 5,6 Prozent Gelb, 5,2 Prozent Rot. Das heißt, für unser Beispiel sollte ein Wartezimmer vor allem in den Farben Grün, Blau, und Weiß gehalten sein. Damit sind die angegebenen Anforderungen, wie beruhigende Wirkung, Hoffnung oder Optimismus, gut abgedeckt. Zusätzlich können die Signalfarben Gelb oder Rot helfen, die Langeweile des Wartens zu vertreiben. Diese Begriffe variieren von Praxis zu Praxis aufgrund der Praxisphilosophie und Patienteneinschätzung erheblich. Je nach den gewählten wichtigsten zehn Eigenschaften können sich deutlich unterschiedliche Ergebnisse ergeben. Eine präzise individuelle Farbberatung ist also erst auf der Basis dieser Attribute möglich. Die resultierenden Farben sollten natürlich außerdem bezüglich ihrer Farbharmonien untereinander ausgewählt werden.

Behandlungszimmer

Im Behandlungszimmer steht selbstverständlich die Funktionalität im Vordergrund. Zur Erkennung von Zahnstrukturen oder zur Zahnfarbnahme sollten keine „störenden“ Farben in der Umgebung des Sichtfelds des Zahnarztes sein. Empfohlene Farben sind dabei die neutralen Farben Weiß und Grau und die natürlichen Hintergrundfarben Blau und Grün. Zu vermeiden sind Signalfarben wie Gelb, Rot oder Violett. Für eine Verwendung der Hintergrundfarben Blau und auch Grün spricht noch ein weiteres Argument: der unbunte blaugrüne Bereich beinhaltet die Komplementärfarben zu den Zahnfarben. Dadurch ergibt sich eine Randkontrastverstärkung/Betonung der Zahnfarben und dadurch eine sensiblere Wahrnehmungsmöglichkeit von Abweichungen in diesem Bereich. Trotzdem spielt auch die emotionale Farbempfindung eine Rolle. Denn im Behandlungszimmer hat der Patient normalerweise genügend Zeit, Farbstimmungen wahrzunehmen. Dazu sollen wieder zehn typische Attribute ausgewählt werden: Ehrlichkeit, Funktionalität, Genauigkeit, Konzentration, Leistung, Sicherheit Sauberkeit/Reinheit, Vertrauen, Wissenschaft, Zuverlässigkeit. Das Ergebnis für diese Kombination ist: Weiß 26,3 Prozent, Blau 19,8 Prozent, Grün 8,7 Prozent, Schwarz 6,5 Prozent, Gold 5,1 Prozent, Grau 5,1 Prozent, Silber 5,0 Prozent.

Das heißt, das Behandlungszimmer sollte bei diesem Beispiel hauptsächlich in Weiß und dann in Blau gehalten sein. Grün spielt nicht mehr die Rolle wie im Wartezimmer, kann aber neben Schwarz, Gold, Grau oder Silber als Spielelement verwendet werden. Bemerkenswerterweise deckt sich diese emotionale Einschätzung sehr gut mit den funktionalen Vorgaben. Unser Farbunterbewusstsein scheint hier eine gehörige Portion Farbbewusstsein zu haben!

Zahntechniklabor

Im Zahntechniklabor spielt die Funktionalität eine noch dominierendere Rolle als im Behandlungszimmer. Funktionelle Farben zur Zahnfarbnahme oder Zahnersatzherstellung sind natürlich wieder die neutralen unaufgeregten Farben wie Weiß, Grau, ein unbuntes Blau oder Grün. Trotzdem ist es auch für ein Zahnlabor inzwischen angemessen, die emotionale Erwartungshaltung der besuchenden Patienten, Zahnärzte und nicht zuletzt der darin arbeitenden Zahntechniker zu berücksichtigen.

Für ein Beispiel werden die zehn Eigenschaften Ehrlichkeit, Funktionalität, Genauigkeit, Konzentration, Neutralität, Sachlichkeit, Sauberkeit/Reinheit, Wahrheit, Wissenschaft und Zuverlässigkeit vorgegeben. Die Auswertung führt zu einer Farbgewichtung von: Weiß 34,9 Prozent, Blau 17,6 Prozent, Grau 10,4 Prozent, Schwarz 8,0 Prozent. Weiß spielt also in dieser Einschätzung mit weitem Abstand die dominierende Rolle, gefolgt von einem guten Anteil Blau und etwas Grau und Schwarz. Auch in diesem Beispiel ist das Ergebnis der emotionalen Erwartungshaltung in starkem Einklang mit den Anforderungen an die Funktionalität der Zahnfarbnahme!

Fazit und Tipps für die Praxiseinrichtung

Die Farbgestaltung der einzelnen Räume ist sicherlich ein Paradebeispiel für die zunehmende praktische Bedeutung moderner Farbkompetenz im Zahnumfeld. In diesem Beitrag wurden zunächst grundlegende Erkenntnisse über die Wirkungsweisen unseres Farbsehens und Farbwahrnehmens vorgestellt. Ein Hauptanliegen dieses Artikels war das Staunen und Bewusstwerden des Betrachters über sich selbst oder vielmehr sein eigenes Wahrnehmungssystem. Das geschah unter anderem anhand eindrücklicher räumlicher und zeitabhängiger Täuschungen. Daraus konnten erste Rückschlüsse auf die Mechanismen der Wahrnehmung von Zahnfarben gewonnen werden. Diese Erkenntnisse führten uns auf ein einfaches Verfahren, das sowohl eine logische, funktionelle Vorgabe als auch einen emotionalen Zugang zur Farbgebung von Räumen definiert. Damit gelang es, eine differenzierte, dem Charakter der einzelnen Zimmer Rechnung tragende Empfehlung für die Farbgestaltung der Zimmer auszusprechen. Es zeigte sich für die betrachteten Beispiele, dass die Logik und die Emotion der Farbwahrnehmung hier eine eindeutige und gleiche Sprache sprechen. Dass dies nicht immer so ist, wird in einem weiteren Artikel verdeutlicht, der sich ebenfalls in diesem Heft befindet. Dabei stehen die unterschiedlichen Strategien zur Zahnfarbnahme im Mittelpunkt – ein weiteres Paradebeispiel der zunehmenden Wichtigkeit von Zahnfarbkompetenz.

Dr. Thomas Ditzinger,Institut für Sehen und WahrnehmungGerstheckenstraße 14/174934 ReinhardshausenE-Mail:ditzinger@ifsw.de

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