Die Helferin ab 50 – noch lange kein altes Eisen

Die Jugend des Alters

Wir kennen alle die Schlagzeilen unserer Tage „50 plus – jetzt ist Schluss“. „Ältere kommen nicht mehr mit“ – „Ältere sind öfter krank!“ – „Macht Platz für Jüngere“. Das zeigt deutlich, dass die Diskussion um ältere Mitarbeiter oft einseitig und plakativ geführt wird. Da ist es Zeit, objektiv Vorzüge und Nachteile altgedienter Helferinnen zu betrachten, die dieser der Zahnarztpraxis bieten.

„Älter“ – ab welchem Lebensjahr gehört man zu den Älteren? Ab 40, ab 45, ab 50 Jahren? Eine 20-Jährige wird eine 40-Jährige vielleicht schon zur Kategorie der Älteren zählen. Victor Hugo sagte einmal: „40 Jahre sind das Alter der Jugend, 50 die Jugend des Alters.“

Das Plus der Älteren

Die Berufserfahrung einer Helferin nimmt mit dem Alter zu, das ist sicherlich ihr größtes Kapital. Auch die Urteilsfähigkeit und das selbständige Denken entwickeln sich dann zur individuellen Leistungsspitze. Arbeitsmediziner haben in Untersuchungen festgestellt, dass mit vorgerücktem Alter das Unterscheidungsvermögen zwischen Wesentlichem und Unwesentlichem zunimmt. Alfred Schopenhauer formulierte diesen Vorzug Älterer weit poetischer und doch ebenso treffend: „Im Alter versteht man es, Unglücksfälle zu verhüten, in der Jugend, sie zu ertragen.“ Mit den Jahren gewinnt der Mensch an Überblick, erfasst Zusammenhänge in der Praxis noch besser.

„Wie alt ein Mensch ist, erkennt man daran, ob er zwei Stufen oder zwei Tabletten auf einmal nimmt“ sagt ein schwedisches Sprichwort. Den Älteren mehr Fehlzeiten zuzuschreiben, als den (nicht Tabletten schluckenden) Jüngeren wäre jedoch voreilig: Stress etwa wirkt sich bei älteren Mitarbeiterinnen nicht mehr auf die Fehlzeiten aus als bei anderen. Mit zunehmendem Alter wächst die Zahl derjenigen, die ihren Gesundheitszustand selbst als „gut“ und „sehr gut“ einschätzen.

Von diesen Vorzügen kann jeder Zahnarzt als Arbeitgeber profitieren. Er und seine Patienten schätzen auch die höhere emotionale Stabilität einer älteren Helferin gegenüber den stärker von äußeren Faktoren ausgelösten Stimmungsschwankungen jüngerer Kolleginnen. Patienten haben auch einen Gewöhnungseffekt zu einer langjährigen Helferin entwickelt und sind oft überrascht, wenn sie schließlich aus Altersgründen aus dem Team scheidet.

Die Wunschliste

Ältere Jahrgänge unter den Helferinnen haben allerdings auch höhere Ansprüche an ihren Arbeitsplatz in der Praxis. Davon hängen auch die positiven Eigenschaften und die Auswirkungen langer Berufserfahrung ab. Wo die Wünsche am Arbeitsplatz unerfüllt bleiben, muss der Arzt mit einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit rechnen. Und: Älteren fällt es schwerer als jüngeren, sich an veränderte Arbeitsbedingungen anzupassen.

Im rechten Licht

In einigen Punkten lässt die Leistung mit dem Lebensalter nach, zum Beispiel die Wahrnehmung der Sinnesorgane. Hören und Sehen verschlechtern sich bereits ab dem 30. Lebensjahr kontinuierlich. Die Brille kann zwar einige Defizite ausgleichen, bei bestimmten Arbeiten in der Praxis, wo es auf Genauigkeit ankommt, tut sich manche ältere Helferin jedoch schwer: Eine 50-Jährige hat bei Naharbeit etwa den 2,5fachen Lichtbedarf einer 40-Jährigen. Wichtig ist im Übrigen auch, dass der Kontrast der Gegenstände zur Arbeitsumgebung durch richtige Farbwahl verstärkt wird.

Das Gehör lässt nach, weil Ganglienzellen untergehen. Die Fähigkeit, hohe Töne wahrzunehmen (zum Beispiel die Türklingel), geht bereits mit 45 Jahren zurück. Allgemein führt die schlechtere Wahrnehmung bei älteren Menschen zu verzögerten Reaktionen und erhöhter Lärmempfindlichkeit.

Altersbedingte Veränderungen betreffen auch die Lunge, das „Sauerstoff-Aufnahmegerät“ des Menschen. Die Entwicklung der maximalen Sauerstoffaufnahme im Hinblick auf die maximale Leistungsfähigkeit endet bereits mit dem 20. Lebensjahr und nimmt danach allmählich ab. Die zurückgehende Versorgung der Muskeln mit Sauerstoff ist ein weiterer Grund für das Nachlassen körperlicher Kräfte, körperliches Training wirkt dem entgegen. Die Atmungsfähigkeit der Lunge lässt auch deshalb nach, weil Verknöcherungen den Knochen des Brustkorbs die Flexibilität nehmen.

Technik beißt nicht

Oft haben Ältere Angst vor technischen Neuerungen, besonders mit neuen Informationstechnologien; vieles ist ihnen unverständlich, ja unheimlich. Wenn jedoch geeignete jüngere Kollegen auf sie zugehen, sie fundiert informieren und mit ihnen zusammenarbeiten, verliert sich die Angst und die Sicherheit bei der Umstellung wächst. Die Fallen und Stolpersteine bei der Einarbeitung in die Praxis-EDV kennt wohl jeder Zahnarzt, der bereits auf EDV umgestellt hat, und kann sich an die Skepsis gerade der älteren Helferinnen gut erinnern! Sind die Startschwierigkeiten überwunden, gilt es, die Lernfähigkeit weiter zu aktivieren. Wichtig: Die Art der Unterweisung sollte auf die Situation Älterer Rücksicht nehmen und sie motivieren. Denn jetzt kommt es darauf an, dass sie sich den Anforderungen stellen, statt zu resignieren.

Ältere Angestellte sollen in der Zahnarztpraxis schließlich weder abgedrängt oder von Jüngeren degradiert werden. Aber es ist auch immer eine Frage der eigenen Einstellung, ob man sich alt fühlt und den Leistungsabfall fürchtet, oder ob man sich trotz fortgeschrittener Jahre noch neuen Herausforderungen stellt.

Toleranz tut gut

Zusammenarbeit zweier Generationen funktioniert am besten, wenn ältere Kolleginnen die jüngeren so nehmen, wie sie sind, und umgekehrt. Nur dann klappt die Zusammenarbeit. Begriffe wie „zu meiner Zeit“ mögen junge Leute nicht. Oder: „Wenn sie erst mal in mein Alter kommen ...“ Schnell kommt da der Gedanke auf: „Die Alten, die leben in einer ganz anderen Zeit, die reden ja immer von früher“. Ein Tipp an die nicht mehr ganz so jungen Mitarbeiterinnen hat sich in der Praxis bewährt: Wenig oder gar nicht von den alten Zeiten reden. John Knittel brachte es auf den Punkt: „Alt ist man, wenn man an der Vergangenheit mehr Freude hat als an der Zukunft!“

Leider hat manch junger Kollege – und das gilt sowohl unter Zahnärzten als auch unter den Praxismitarbeitern! – im Kopf ein negatives Bild vom Älteren, stellt mit Vorliebe fest, was der nicht (mehr) zu leisten vermag und „steckt“ das gerne anderen im Team: Der Senior sei nicht mehr lernfähig, zu langsam und zu passiv, es mangele ihm an Flexibilität. Der „Junior“ macht sich selbst zum Maßstab. Ausnahmen von diesen Urteilen werden eigens hervorgehoben, gelten gar als betonenswerte Sonderfälle: Der Senior ist trotz seines Alters noch sehr rüstig, ist noch sehr aktiv, noch sehr leistungsfähig und so weiter. Mit diesem Verhalten schadet sich der jüngere Kollege zweifach, weil er neben seiner Integrität auch die eigene Perspektive, nämlich sein „Älterwerden“, schmälert. Dabei hat schon Konrad Adenauer die Notwendigkeit des Miteinanders publik verkündet, denn „wir müssen uns mit dem Alter abfinden, es ist die einzige Art lange zu leben.“

Sich einen „ewigen Jungbrunnen“ vorzugaukeln, führt in eine Scheinwelt. Es kommt darauf an, dass der Mensch „Ja“ zu seinem Alter sagt. Im Laufe des Lebens ändern sich beim Menschen physiologische und psychische Gegebenheiten. Sie wirken sich auch auf die Arbeitsleistung aus. Die Arbeitswissenschaft befasst sich seit langem mit der Erforschung von Leistungsveränderungen beim älteren Arbeitnehmer.

Allgemeine Aussagen können leider nur auf manche Problemfelder hinweisen. Im konkreten Fall kommt es immer darauf an, wie der einzelne sich dieser Entwicklung stellt, ob er ihr begegnet, zum Beispiel durch aktives Training oder durch entsprechende Ernährung. Ob und wie sich im Laufe eines Lebens die Leistungsfähigkeit eines Menschen verändert, ist nicht schicksalhaft, sondern durchaus beeinflussbar.

Rolf LeicherOberer Rainweg 6769118 Heidelberg

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