RSV – das unterschätzte Virus

Teure Antikörpertherapie verhindert Todesfälle bei Frühchen

Seinen Namen kennt kaum jemand, dennoch füllt es Winter für Winter die Betten in den Kinderkliniken: Das RS-Virus – nach der englischen Fachbezeichnung Respiratory Syncytial Virus auch hier zu Lande als RSV abgekürzt – steckt besonders oft hinter den vielen winterlichen Erkältungen bei Babys und Kleinkindern. Nicht selten gibt es sogar Todesfälle, denen nun im Vorfeld begegnet werden kann.

Das Virus hat sich auch als häufigster Erreger schwerer Infekte der unteren Atemwege vorwiegend bei kleinen Kindern entpuppt. Jedes Jahr in Herbst und Winter führt es zu ausgedehnten Epidemien.

Gesunde Kinder überstehen den RSV-Infekt meist unbeschadet. Für Frühgeborene, abwehrschwache Kinder und Kinder mit Herzfehlern dagegen kann er lebensbedrohlich werden. Hier die Fakten:

Ansteckung

Die Ansteckung mit RSV erfolgt über Atemtröpfchen und durch ungewaschene Hände. Bis zum zweiten Geburtstag machen nahezu alle Kinder Bekanntschaft mit dem Keim. Eine lebenslange Immunität gibt es nicht: Erneute Infekte sind häufig, sogar zwei- bis viermal im Jahr. Daran scheiterte bisher die Entwicklung eines Impfstoffes.

Symptome

Drei bis sechs Tage nach der Ansteckung beginnt die Krankheit meist langsam als Schnupfen über zwei bis drei Tage. Fieber kann vorhanden sein, muss aber nicht auftreten. Nach einigen Tagen folgen Atembeschwerden, Schnaufen und keuchender Husten. Nach etwa vier bis sieben Tagen geht es dem Baby meist wieder besser.

Komplikationen

Steigt die Infektion bis zu den Lungenbläschen hinab – der Arzt spricht von Bronchiolitis – wird die Atmung noch mehr erschwert. Das Kind stöhnt und gibt pfeifende Geräusche („Wheezing“) von sich, beim Einatmen wird die Haut zwischen den Rippen deutlich eingezogen und die Nasenflügen weit geöffnet („Nasenflügel-Atmung“). Im zweiten Lebensjahr sind auch asthmaähnliche Symptome, Mittelohrkomplikationen und Pseudokrupp als Begleiterscheinungen häufig.

Risikogruppe

Durch RSV besonders gefährdet sind Frühgeborene, die in der Sommerperiode vor der 35. Schwangerschaftswoche auf die Welt gekommen sind. Ihr Immunsystem ist noch nicht voll funktionstüchtig, häufig haben sie auch durch die Beatmung im Inkubator eine vorgeschädigte Lunge. Gefährlich kann eine RSV-Infektion aber auch für Säuglinge und Kleinkinder mit angeborenen Herzfehlern und chronischem Lungenleiden werden, sowie für Kinder mit Immundefekten oder unter einer immunsuppressiven Therapie bei einer Krebskrankheit. Bei diesen Kindern liegt die Sterblichkeit nach Krankenhausaufnahme auch unter den heutigen intensivmedizinischen Möglichkeiten bei etwa einem Prozent.

Häufigkeit

Nach Schätzung von Professor Dr. Jürgen Seidenberg, Direktor des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin Oldenburg werden in Deutschland jährlich rund 20 000 Säuglinge und Kleinkinder mit schwerer RSV-Bronchiolitis oder Lungenentzündung ins Krankenhaus eingeliefert. Fast 30 Prozent brauchen eine intensivmedizinische Behandlung, oft mit künstlicher Beatmung.

Vorbeugung

Eine RSV-Impfung gibt es ebenso wenig wie ein spezifisch wirksames Medikament gegen das Virus. Lediglich die Symptome der Kinder lassen sich lindern, einzig zuverlässiges Medikament zur Behandlung der Atemnot ist die Gabe von Sauerstoff.

Passivimmunisierung

Allerdings existiert seit 1998 eine vorbeugende Behandlung. Zur passiven Immunprophylaxe können Kinder mit erhöhtem Risiko während der kalten Jahreszeit mit dem monoklonalen Antikörper Palivizumab geschützt werden. Der Antikörper (Handelsname „Synagis“) muss während der Erkältungssaison monatlich einmal injiziert werden. Professor Seidenberg über den Nutzen der Vorbeugung: „Diese Passivimmunisierung kann die Zahl wegen einer RSV-Erkrankung notwendiger Krankenhausaufenthalte um 40 bis 80 Prozent reduzieren. Auch die Dauer des Krankenhausaufenthaltes sowie die Tage mit Sauerstoffbedarf werden deutlich gesenkt“.

Was den gefährdeten Babys hilft, lässt die Krankenkassen ächzen: Die vier bis fünf Spritzen, die ein Risikokind in den Wintermonaten benötigt, kosten 4 500 bis 7 000 Euro! Expertengremien empfehlen deshalb eine restriktive Anwendung des schützenden Antikörpers. Mit jährlichen Kosten von 9,4 Millionen Euro liegt „Synagis“ unter den von deutschen Kinderärzten verordneten umsatzstärksten Arzneimitteln auf dem fünften Platz.

Lajos Schöne

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