Interview mit BZÄK-Präsident Dr. Dr. Jürgen Weitkamp

Eingriff in die Freiberuflichkeit

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Mit Vehemenz kritisiert die Bundeszahnärztekammer das Vorgehen von Bezirksregierungen, vor allem in Nordrhein-Westfalen, kostenpflichtige Inspektionen von Zahnarztpraxen durchzuführen, um die Einhaltung von Hygienerichtlinien zu kontrollieren. Dazu führten die zm ein Interview mit den Präsidenten der Bundeszahnärztekammer, Dr. Dr. Jürgen Weitkamp.

zm:Herr Dr. Dr. Weitkamp, was ist der Kernpunkt Ihrer Kritik?

Weitkamp:Uns stört vor allem eine überzogene Bürokratie. Es geht uns nicht darum, Hygienevorschriften auf die leichte Schulter zu nehmen, sondern wir wollen den bürokratischen Aufwand für die Kollegen in diesem Zusammenhang in Grenzen halten. Deswegen haben wir uns seitens der Bundeszahnärztekammer schon früh in diese Diskussion eingeklinkt. Wenn nämlich Standards, die aus dem aseptischen Bereich der Krankenhäuser stammen, eins zu eins in unsere Praxen übertragen werden sollen, so kann ich das nur als weltfremd bezeichnen. Für uns ist eine solche Vorgehensweise inakzeptabel.

Noch eines kommt hinzu: Einerseits werden wir als Zahnärzteschaft immer wieder von Landesregierungen aufgefordert, Vorschläge zum Bürokratieabbau zu machen. Andererseits werden die Praxen mit einem Vorschriftendschungel und Dokumentationsirrsinn überrollt. Dadurch werden Gesetze und Bestimmungen willkürlich überinterpretiert.

zm:Sie sprechen von Irrsinn, können Sie ein konkretes Beispiel nennen?

Weitkamp:Das Abfüllen von Desinfektionsflüssigkeit aus Fünf-Liter-Gebinden in handliche Flaschen für das Sprechzimmer darf zum Beispiel nicht von Zahnmedizinischen Fachangestellten und auch nicht vom Zahnarzt selber ausgeführt werden. Nein, dazu ist nur der Apotheker berechtigt. Das kann ich doch nur als Wahnsinn bezeichnen!

zm:Welche Bundesländer sind betroffen und wie sieht das Vorgehen der Behörden aus?

Weitkamp:In Nordrhein-Westfalen sind die Fronten bereits sehr verhärtet. In Hessen und Baden-Württemberg hat es bisher auch schon Praxisbegehungen gegeben. Doch dort arbeiten Ministerien, Regierungspräsidien, Gesundheitsämter und Zahnärztekammern daran, gemeinsame Lösungen zu finden.

zm:Wie engagiert sich die Bundeszahnärztekammer, um die Kollegen zu unterstützen?

Weitkamp:Das Robert Koch-Institut (RKI) arbeitet an einer auf die speziellen Belange einer Zahnarztpraxis zugeschnittenen Hygienerichtlinie. Die Bundeszahnärztekammer mit ihren hinzugezogenen Experten ist hier mit eingebunden. Auf dieser Ebene ist das Klima übrigens ein anderes: Anders als bei den Praxis-Razzien ist hier ein sachliches und kompetentes Zusammenarbeiten möglich.

Es ist damit zu rechnen, dass die Richtlinie im Sommer vorliegt. Dies sollte sich auch verwirklichen lassen, wenn nicht einige Länder ihren politischen und ideologischen Einfluss geltend machen, was sich zurzeit andeutet. Denn es kann wohl nur ideologische Gründe haben, wenn man nicht einmal die neue RKI-Richtlinie abwarten will und mit einem unglaublichen Personalaufwand jetzt unsere Praxen filzt. Es gibt starke Bestrebungen, dem freien Beruf des Zahnarztes ein weiteres Stück der Gestaltung aber auch der Verantwortung wegzunehmen – und dies hier ist mal wieder ein eklatantes Beispiel dafür.

zm:Inwieweit ist auch der eigene Berufsstand in die Praxiskontrollen involviert?

Weitkamp:Zum einen gibt es diejenigen Kollegen, die meinen, die zahnärztliche Chirurgie ganz in die Hände von bestimmten Gruppierungen zu bekommen. Zum anderen gibt es solche, die aufgrund von Firmengebundenheit ein Interesse daran haben, ihre Dienstleistungen zu verkaufen. Diese können nicht unsere Ratgeber sein, ein solches Verhalten ist entschieden abzulehnen.

zm:Und was ist mit Herstellern von Medizinprodukten?

Weitkamp:Zu vermuten ist, dass es Geräteherstellern wichtig wäre, die Vorschriften so scharf wie möglich zu fassen und entsprechend zu kontrollieren. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Die Hersteller befürchten nämlich, dass bei überbordenden Erschwernissen die Zahnärzte die Sterilisation auslagern, das heißt, diese zentral überörtlich vornehmen lassen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Hersteller große Ausfälle in Kauf nehmen müssten.

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