Initiative zur Mundhygiene gestartet

Vergiss deine Zunge nicht

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Heftarchiv Zahnmedizin
Wie soll man denn seine Zunge vergessen können? Die ist doch angewachsen. Stimmt! Die Zunge sitzt fest in unserer Mundhöhle, verlieren kann man sie nicht. Aber vergessen geht eben doch. Zum Beispiel bei der Mundhygiene. Genau das zu verhindern, ist Ziel der Initiative „Vergiss deine Zunge nicht!“.

„Der Slogan klingt vielleicht skurril, aber Tatsache ist, dass die Zunge als Teil der Mundhygiene bisher ein Schattendasein führt“, sagten die Veranstalter beim Auftakt der Initiative im Deutschen Hygiene-Museum Dresden im Juli. Um das Thema stärker ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken, will die Zeitschrift „prophylaxe impuls“ zusammen mit dem Pharmaunternehmen GlaxoSmithKline (gsk) über die richtige Zungenpflege aufklären und sie fördern. Mit Öffentlichkeit ist dabei nicht nur die Zahnärzteschaft gemeint. Auch Patienten sind angesprochen. „Durch die Aktion wollen wir eine 360-Grad-Kommunikation erreichen“, erklärte Dr. Dinah Murad von gsk. „Wir wollen informierte Zahnärzte auf der einen Seite und sensibilisierte Patienten auf der anderen.“ Um der Öffentlichkeit das Thema schmackhaft zu machen, gab es am Abend der Auftaktaktion in Dresden für die Museumsbesucher freies Eis und andere „kulinarische Zungenküsse“. Zahnärzte konnten sich darüber hinaus auf einem Fachsymposium rund um die Zungenpflege informieren.

Sinnesorgan Zunge

Der Geschmackssinn dient uns als Wegweiser durch den Alltag. Über ihn erhalten wir wichtige Informationen: Süße indiziert kalorienreiche Nahrungsquellen, Bitterkeit deutet dagegen auf Giftstoffe hin. Erklärtes Ziel der Aufklärungskampagne ist es daher, die besondere Bedeutung der Zunge zu verdeutlichen. Und klar zu machen, dass man sie pflegen muss. Der Symposiumsbeitrag von Prof. Dr. Wolfgang Meyerhof vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam lieferte neue Erkenntnisse über das Geschmackserleben. Vor den 231 Teilnehmern des Symposiums erläuterte er, welche molekularen Mechanismen bei der Geschmacksempfindung ablaufen. „Die im Speichel gelösten Geschmacksstoffe regen spezialisierte Sinneszellen auf der Zunge und an anderen Stellen des Mund-Rachenraums an.“ Diese Impulse werden über verschiedene Nervenbahnen zum Großhirn weitergeleitet, wo sich der Geschmackseindruck in den Aktivitäten von Nervenzellen manifestiert, so Meyerhof. Wie Geschmacksinformationen verschlüsselt, übertragen und im Gehirn verarbeitet würden, wird momentan in der experimentellen Forschung erprobt.

Saubere, kranke Zähne

Die für das Geschmacksempfinden elementaren Papillen geben der Zunge ihr zerklüftetes Äußeres. Die raue Oberfläche mit ihren Vertiefungen dient als ideale Ökonische für Bakterien. „Die Zunge nimmt nur ein Viertel der menschlichen Mundhöhle ein, beherbergt aber etwa die Hälfte aller dort vorhandenen Keime“, erklärte Prof. Dr. Ulrich Schlagenhauf aus der Abteilung für Parodontologie der Universität Würzburg. Die alte Regel, dass ein sauberer Zahn nicht krank werde, müsse relativiert werden. Als Infektionsherd für Karies und parodontologische Krankheiten dürfe man die Zunge nicht mehr länger vernachlässigen, forderte Schlagenhauf. Studien hätten belegt, dass sich die Krankheitsaktivität bei manchen Patienten trotz sauberer Zahnoberflächen nicht ganz auf null bringen lasse. Um oralpathogene Keime dauerhaft zu reduzieren, müsse man die bakteriellen Reservoirs auf der Zunge kontinuierlich entleeren, schloss Schlagenhauf. Entweder auf mechanischem Wege oder, bei besonders schwierigen Fällen, mit antibakteriellen Chemotherapeutika.

Mit Tabus brechen

Etwa ein Drittel aller Deutschen leidet an Halitosis. Oft ohne es zu wissen. Auch hier könne die Zunge eine Rolle spielen, sagte Prof. Dr. Christoph Benz, Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie der Uni München. Die dort angesiedelten Mikroorganismen produzierten gasförmige Schwefelverbindungen, die unangenehme Gerüche hervorriefen. „Halitosis gehört zu einem der Tabuthemen unserer Gesellschaft. Sie behindert die Kommunikation, die sozialen Kontakte und ist für alle Beteiligten peinlich“, beschrieb Benz die Zwickmühle, in der man sich im Umgang mit Halitosis schnell befindet. Hinzu komme, dass meistens an den falschen Stellen nach den Ursachen für den Mundgeruch gesucht wird. Oft würden beispielsweise Magenprobleme als Grund vermutet. „In Wahrheit wird Mundgeruch aber nur in zehn Prozent aller Fälle von Magenproblemen oder anderen Krankheiten wie Tonsilitis oder Bronchitis verursacht. Wegen dieser Fehleinschätzung werden dann teuere, unnötige und unangenehme Untersuchungen vorgenommen.“ Vor diesen Belastungen kann der Zahnarzt Patienten bewahren. Am effektivsten erreiche er das, indem er mit alten Tabus bricht und die Betroffenen auf ihren Mundgeruch aufmerksam macht. „Vielleicht interessiert es die Patienten in dem Moment nicht, vielleicht sind sie auch ein wenig pikiert – in jedem Fall bleiben ihnen so aber unnütze Untersuchungen erspart“, erklärte Benz.

Ideale Motivation

Ein offenes Gespräch birgt einen weiteren Vorteil: Die Patienten wissen, wer ihnen mit ihrem Problem weiterhelfen kann. Die Bekämpfung von Halitosis ist für Benz deshalb der ideale Aufhänger für die Prophylaxemotivation. „Der Patient hat ein Bedürfnis. Er möchte seinen Mundgeruch loswerden. Der Zahnarzt kann ihm diesen Wunsch erfüllen.“ Die richtige Behandlung beinhalte neben der professionellen Zahn- auch eine gründliche Zungenreinigung. Dabei sollten auf jeden Fall Recalltermine eingeplant werden. Denn die wiederkehrenden Biofilme auf der Zunge könne – genau wie den Zahnstein – nur der Zahnarzt richtig entfernen. Für eine erfolgreiche Therapie sei die Mithilfe der Patienten entscheidend. „Sie müssen die Patienten davon überzeugen, ihre Mundhygiene zu optimieren. Außerdem sollten Betroffene viel trinken. Das regt den Speichelfluss an“, riet Benz den Kollegen.

Die anwesenden Zahnärzte und Praxisteams waren dankbar für Tipps im Umgang mit Halitosispatienten. „Von Jugendlichen, die Brackets tragen, oder von alten Menschen kommen oft Fragen zum Thema Mundgeruch. Deshalb möchte ich mich in Sachen Zungenpflege auf den neuesten Wissensstand bringen“, sagte Zahnarzt Dr. Jens Wendschuh aus Böhlen. Dr. Katharina Naumann, Kieferorthopädin aus Dresden, hatte ähnliche Gründe: „Der Aufklärungsbedarf bei den Patienten ist da. Alleine deshalb gehört das Thema Zungenhygiene in die Öffentlichkeit.“ sth

Herbst-Termine für das Symposium zurZungenpflege: München / 14.09.05,Frankfurt / 28.09.05, Essen / Oktober 2005.Infos unterwww.zungenhygiene.de.

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