Demonstration in Brüssel

Ärzte haben Bürokratisierung satt

Heftarchiv Gesellschaft
Belgische Ärzte haben die Nase voll von der Sparpolitik ihres Gesundheitsministers. Auch fürchten sie, zusehends in Bürokratie zu ersticken. Deshalb marschierten kürzlich an die 1 400 von ihnen durch die Straßen der Brüsseler Innenstadt, um ihrer Wut auf die Gesundheitspolitik der Regierung Ausdruck zu verleihen.

Niedergelassene, Krankenhausärzte sowie zahlreiche Zahnärzte zogen gemeinsam durch das Brüsseler Stadtzentrum, um gegen die „kurzsichtige“ Politik des sozialdemokratischen Gesundheitsministers Rudy Demotte zu demonstrierten. Ihre Kritik, die sie in Reden und auf Transparenten zum Ausdruck brachten, war eindeutig: „Was zu viel ist, ist zu viel“, „Weg mit Demotte“ und „Schluss mit der Heuchelei“.

Zur Kundgebung aufgerufen hatte die ABSyM, eine der größten belgischen Ärztevereinigungen, der sowohl Fach- als auch Allgemeinärzte angehören. Der Demonstration angeschlossen hatten sich aber auch Vertretungen der belgischen Zahnärzte aus den flämisch- und französischsprachigen Teilen der Republik.

Papierkrieg

Sie wie auch die Hausärzte und Spezialisten warfen dem Minister vor, in Praxen und Krankenhäusern einen regelrechten Papierkrieg anzuzetteln und den ärztlichen und zahnärztlichen Berufsstand durch Kontrollen seitens der Krankenkassen und Behörden zu schikanieren. Zudem missbrauche Demotte in unzumutbarer Weise die ihm von Regierung und Parlament zugestandene Vollmacht, Entscheidungen im Alleingang ohne vorherige Rücksprache mit den Betroffenen zu treffen.

„Wir lassen uns das nicht mehr länger gefallen“, erklärte Dr. Marc Moens, der Vorsitzende der ABSyM, unter dem donnernden Beifall der rund 1 400 Demonstranten. Die Kritik der Teilnehmer der Kundgebung zielte in erster Linie auf den zunehmenden Bürokratismus in Praxen und Krankenhäusern. Auf die Palme bringt die Ärzte vor allem das seit 1. Oktober gültige Verschreibungsbudget und die damit zusammenhängenden Sanktionen. Ärzten, die das Budget überschreiten, weil sie weiterhin überwiegend teure Originalpräparate statt kostengünstigere Generika verordnen, drohen nämlich empfindliche Geldbußen.

Auch schmeckt den Ärzten nicht, dass der Gesundheitsminister die noch für dieses Jahr angekündigten Honorarsteigerungen von 1,55 Prozent kurzerhand ausgesetzt hat, um das Defizit in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in den Griff zu bekommen. Im vergangenen Jahr standen die belgischen Krankenkassen mit über 510 Millionen Euro in der Kreide. Mehr als zwei Drittel davon gingen zu Lasten gestiegener Arzneimittelausgaben. Ärzten, die eigenmächtig einen Zuschlag aufs Honorar berechnen, drohte Demotte ebenfalls mit Sanktionen.

Schweigepflicht ausgehöhlt

Scharfe Kritik übten die Demonstranten zudem am Plan der Regierung, flächendeckend ein System für elektronische Patientenakten einzuführen, in die nicht nur Ärzte und Zahnärzte, sondern auch Beschäftigte der Krankenkassen und von Behörden Einblick haben sollen. „Damit wird die ärztliche Schweigepflicht ausgehöhlt“, warnte ein Redner.

Der Sozialminister räumte sein Bedauern hinsichtlich der zunehmenden Administration des ärztlichen und zahnärztlichen Berufsstandes ein und versprach, so weit wie möglich Abhilfe zu schaffen. Grundsätzlich aber will er von seinen Reformplänen nicht abrücken, um das ausufernde Budget der GKV in den kommenden Jahren im Griff zu behalten. Die Ärzte müssten wissen, dass ihrer therapeutischen Freiheit Grenzen gesetzt sind, und akzeptieren, dass sie ihre Aktivitäten einer politischen Kontrolle zu unterwerfen haben, so seine Botschaft.

Petra SpielbergRue Colonel Van Gele 98B-1040 Brüssel

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