6. Medizinrechtstag

Arzt im Spannungsfeld

Der Arzt arbeitet in einem extremen Spannungsfeld zwischen Haftungsrecht und Gesetzlicher Krankenversicherung (GKV), und bleibt doch an die Vorgaben beider „Pole“ gebunden. Dieses war eine heiß diskutierte These auf dem 6. Deutschen Medizinrechtstag. Am 23. September 2005 trafen sich in Köln Juristen, Ärzte und Wissenschaftler auf Einladung der Stiftung Gesundheit, um sich über „Die Verteidigung der Therapiefreiheit“ und zum Werberecht auszutauschen.

Die Wechselwirkung zwischen Arzthaftung und Therapiefreiheit und die Grenzen der Anwendbarkeit umriss Wolfgang Frahm, Richter am Oberlandesgericht Schleswig, Kiel, jetzt auf dem 6. Medizinrechtstag in Köln. Er wies auf die Freiheit der Behandlungswahl hin. Grundsätzlich untersage das Strafgesetzbuch nur Schwangerschaftsabbrüche (ausgenommen gemäß Paragraf 218) oder nicht medizinisch indizierte Kaiserschnitte. Eine Patientenverfügung zum Beispiel aber binde den Arzt laut eines Urteils des 12. Zivilsenats, der die Entscheidungshoheit des Patienten bekräftigt habe. Über diese dürfe ein Arzt sich zum Beispiel bei der Organentnahme überhaupt nicht hinwegsetzen. Für die Richter sei es in Streitfällen maßgeblich, ob der betreffende Arzt sich bei der Behandlung einer Krankheit an den medizinischen Standard gehalten habe: Allerdings müsse er auch darauf achten, den Patienten korrekt aufzuklären, damit der überhaupt rechtswirksam in die Behandlung einwilligen könne.

Dagegen dürften Leitlinien – über 1 000 an der Zahl allein in Deutschland – „keine unüberwindbaren Leitplanken“ für einen Arzt bei der Behandlung seiner Patienten darstellen. Ärzte dürfen Therapien individuell auf Patienten abstimmen. Die Leitlinien von ärztlichen Fachgremien basieren zwar auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und bewährten medizinischen Verfahren. Ärzten dienten sie aber lediglich als Empfehlung für die Behandlung, so Frahm. „Die konkrete medizinische Behandlung, die auch durch die Individualiät des Patienten geprägt ist, kann ein Abweichen von den Leitlinien geradezu erfordern.“ Werde dem Arzt deshalb später ein Behandlungsfehler unterstellt, bleibe die Beweislast unverändert beim Patienten; der Arzt werde jedoch zu erläutern haben, warum er einen anderen Weg eingeschlagen hatte. Die Angabe, das Budget sei erschöpft gewesen, so die einhellige Meinung der Juristen, nehme weder den behandelnden Arzt aus der Haftung noch beschneide dieser Umstand das Recht des einzelnen Patienten auf eine adäquate Behandlung, geschweige denn auf die korrekte Aufklärung über verschiedene Möglichkeiten der Besserung oder Heilung. Auf den Punkt brachte Professor Dr. jur. Christian Katzenmeier, Universität Köln, dieses eigentliche Dilemma: Wenn sich das Haftungsrecht weiterhin an dem medizinisch Machbaren – also dem Optimalen –orientiere, gleichzeitig aber das Sozialversicherungsrecht aus ökonomischen Zwängen heraus die behandelnden Ärzte durch Ausgrenzen von Leistungen gemäß den Faktoren Wirtschaftlichkeit und Notwendigkeit daran hinderte, eine Behandlung nach Goldstandard durchzuführen, so drohten beide Rechtsbereiche auseinanderzudriften. Der Arzt befinde sich dann in einem hochgradigen Spannungsfeld. Katzenmeier stellt in Frage, ob bei der Sorgfalt ein Maßstab angelegt werden könne, der die allgemeinen Grenzen im System der Krankenversicherung vernachlässige. Wenn schon eine Rationierung aufoktroyiert werde, so sollte sie auch auf hoher Ebene öffentlich eingestanden werden, fordert Katzenmeier hier dringend eine Kurskorrektur in Sachen Verantwortung.

Medizin ist keine Ware

Einen Run auf Mediziner habe die vermeintliche Liberalisierung des Werbeverbotes für Ärzte ausgelöst, wechselte Dr. Peter Müller, Stiftung Gesundheit, zu einem anderen Rechtsbereich. „Anzeigenvertreter und PRAgenturen bieten derzeit Ärzten und Zahnärzten verstärkt Werbemaßnahmen an.“ So empfehle zum Beispiel die Hamburgische Handelskammer den PR-Agenturen sogar, sich verstärkt Ärzte als Kunden zu akquirieren. „Die Änderungen der Normen vollziehen sich nur in kleinen Schritten“, stellte Müller fest.

Für Ärzte und Zahnärzte gilt weiterhin eine Vielzahl von Regeln, so neben dem Berufsrecht – das einige Punkte zur Werbung ja bereits geändert hat – das Gesetz gegen Unlauteren Wettbewerb (UWG), das Heilmittelwerbegesetz (HWG), das Teledienstegesetz (TDG). Müller empfiehlt dringend, bei der Auswahl von Marketing-Dienstleistern auf deren Kompetenz im Gesundheitswesen zu achten: „Denn rechtlich wie ethisch ist Medizin keine Ware wie Brot und Seife.“

Als Orientierungshilfe für Ärzte biete etwa das Medizinrechts-Beratungsnetz eine kostenlose juristische Erstberatung auch in Sachen Marketing. Infos hierzu finden Interessierte unter www.medizinrechts-beratungsnetz. de.

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