Finanzberater auf dem Prüfstand

Viel Spreu, wenig Weizen

Finanzberater nennen sich viele. Doch fehlt ihnen oft die nötige Qualifikation, um Kunden professionell zu beraten; einige arbeiten sogar unseriös. Anleger, die ihre Finanzen ordnen wollen, schauen sich am besten nach einem kompetenten Fachmann um, statt sich mit dem erstbesten Angebot zu begnügen.

Frei nach dem Motto: „Jeden Morgen wacht irgendwo ein Dummer auf, dem ich meinen Mist andrehen kann“, arbeitet so mancher Finanzberater und lebt sehr gut davon. Selbstverständlich handeln nicht alle der geschätzten 500 000 Vertreter dieser Zunft in Deutschland nach diesem Wahlspruch. Unter ihnen gibt es viele seriöse und auch sehr hoch qualifizierte Berater, die ihre Kunden schätzen und gute Arbeit für sie leisten.

Doch Tatsache bleibt, dass es weder eine geregelte Ausbildung noch eine geschützte Bezeichnung für diesen Beruf gibt. Finanzberater darf sich eben jeder nennen, der Lust dazu hat; ein Besuch beim Gewerbeamt und eine Anmeldung gegen ein paar Euro Gebühr reichen aus. Wie hoch der Anteil der schwarzen Schafe ist, lässt sich nur ahnen. Als Größenordnung dient vielleicht eine Schätzzahl laut der Anleger zirka 20 bis 30 Milliarden Euro jedes Jahr als Verluste „vergessen“ können. Der Finanzsachverständige Dietmar Vogelsang aus Frankfurt schreibt diese Summe nicht allein Betrügereien zu. Er glaubt vielmehr, dass der größte Teil des Geldes dank schlechter Beratung den Bach runtergeht.

Mit schönen Worten vermögende Kunden davon zu überzeugen, ihr sauer verdientes Geld in schlecht rentierende Anlagen zu stecken, haben die schwarzen Schafe unter den Vertretern ihrer Zunft in speziellen Kursen gründlich gelernt. Der erste Kontakt entsteht üblicherweise per Telefon. Oft stellt der Anrufer eine provozierende Frage – zum Beispiel nach der Ungerechtigkeit des deutschen Steuersystems – auf die der potentielle Kunde naturgemäß anspringt – schon hat er Interesse geweckt. Zwischendurch erkundigt sich der gewiefte Vertreter noch nach Frau und Kindern, Beruf und Einkommen – die wichtigsten Informationen für ihn. Flugs folgt die Terminabsprache. Meist fragt er gar nicht mehr, ob der Kunde ihn überhaupt sehen will. Vielmehr stellt er ihm gleich zwei Termine zur Wahl. Und schon sitzt er in der guten Stube und lullt den Kunden auf dem heimischen Sofa in vertraulicher Atmosphäre ein.

So oder so ähnlich gehen viele der Vertreter von Finanzdienstleistern wie TFI, Deutsche Vermögensberatung (DVAG), Allgemeiner Wirtschaftsdienst (AWD) oder der OVB Vermögensberatung vor. Sie kommen mit einer ganzen Palette von Finanzprodukten. Sie reicht von Bausparverträgen über Versicherungen bis hin zu Beteiligungen an Unternehmen, Aktienfonds oder Immobilien. Auf die akademische Klientel spezialisiert hat sich MLP. Diese Vertreter fangen den angehenden Zahnarzt schon ab, wenn er die Uni verlässt, und präsentieren ihm die Pläne für einen Vermögensaufbau noch ehe er überhaupt die eigene Praxis von innen gesehen hat.

Natürlich ist es angenehm, wenn ein freundlicher Mensch jene Dinge in die Hand nimmt, zu denen der Zahnarzt weder in seinem Studium noch im Alltagsstress viel Aufmerksamkeit widmen mag. Zumal er weiß, dass sein Guthaben auf dem Girokonto keine Früchte tragen, er als Selbständiger aber zwingend für das Alter vorsorgen muss. Um diese Nöte wissen die Strukturvertriebe. Nur zu gern vermitteln sie Produkte großer Kooperationspartner, wie Versicherungen und anderen Finanzdienstleistern.

Die Vermittler arbeiten als selbstständige Handelsvertreter. Sie haften persönlich für falsche Informationen; die Gesellschaft distanziert sich in solchen Situationen. Die Vertreter, die aus allen möglichen Berufen stammen, leben von den Provisionen die bei jedem Vertag anfallen, Gehälter beziehen sie keine. Innerhalb dieser Vertriebe gibt es eine strenge hierarchische Ordnung mit sieben bis neun Karrierestufen. Der einfache Berater erhält die Provision aus dem von ihm vermittelten Vertrag. Sein nächster Vorgesetzter profitiert ebenfalls davon. Dieses System setzt sich bis in die Spitze fort. Die Zeche? Die zahlt der Kunde. Wieviel ihn dieses System gekostet hat, kann er aber erst nach Jahren feststellen.

Gewinnbringend

Auf kompetenteren Rat hofft der Anleger, der sich an seine Hausbank oder Sparkasse wendet. Aber auch hier wird er feststellen, dass die meisten Kundenberater die Interessen ihres Arbeitgebers verfolgen. Sie bringen gerne die hauseigenen Produkte an den Mann. Die bringen dem Kunden nicht unbedingt die höchsten Renditen, aber dem Institut die größten Gewinne. Inzwischen allerdings kapieren einige Banken, dass ihre aufgeklärte Kundschaft sich nicht mehr mit den simplen Produkten zufrieden gibt und sich zunehmend an die Konkurrenz wendet. Überhaupt haben vor allem die Großbanken die private Klientel wiederentdeckt und bilden ihre Angestellten besser aus für den Umgang mit den neuen Gewinnbringern.

In der Hoffnung auf objektive Beratung suchen viele Anleger so genannte freie Finanzberater auf. Die unterstehen keiner Kontrolle. Der Anleger muss sich darüber im Klaren sein, dass sie ebenfalls arbeiten, um ihren Lebensunterhalt damit zu verdienen. Das heißt: Sie kassieren in den meisten Fällen Provisionen von Versicherungen, Fondsgesellschaften oder sonstigen Finanzdienstleistern, mit denen sie fest zusammenarbeiten. Ob diese Produkte dann unbedingt die am besten geeigneten für den Kunden sind, steht auf einem anderen Blatt. Hilfreich für den Ratsuchenden ist eine Selbstauskunft des Beraters. Sie erlaubt dem Klienten einen Einblick in dessen Qualifikation.

Das Licht am Ende des Tunnels

Einige Berater sind sich dieses Dilemmas bewusst und arbeiten deshalb ausschließlich auf Honorarbasis. So können sie firmenunabhängig die geeignete Geldanlage für ihren Klienten zusammenstellen. Der zahlt für eine Dienstleistung ein vor Vertragsabschluss vereinbartes Honorar. Über die Kompetenz des Beraters sagt diese Methode nichts aus. Es bleibt eine Ungewissheit: Der Kunde verlässt sich auf dessen Wissen, weil er als Laie selbst keinen Überblick über die Fülle des Angebots hat. Ob sein Berater auf dem neuesten Stand ist, kann er nur hoffen.

Seit fünf Jahren existiert der Verband AIFP „fee only“ – Analysten für Investments und Finanzplanung „nur gegen Honorar“ – in Bad Homburg. Zu ihnen gehören auch die vereidigten Sachverständigen Elgin Gorissen-van Hoek und Dietmar Vogelsang. Viele der Mitglieder kommen aus der Steuerberatung mit einer Zusatzausbildung für die Geldanlage. Der Verband hat sich strenge Qualitätsmaßstäbe für die Kompetenz und Unabhängigkeit seiner Mitglieder auf die Fahnen geschrieben.

Versichert vom Profi

Wie bei der Geldanlage tummeln sich im Versicherungsbereich eine Menge Experten. Bei Vertretern, die nur ein Unternehmen repräsentieren, weiß der Kunde gleich, woran er ist. In diesem Fall informiert er sich am besten selbst über die günstigste Versicherung für ihn und bestellt den zuständigen Vertreter. Mehrfachagenten und Versicherungsmakler dagegen leben von den Provisionen, die der Kunde zahlt. Beide vertreten mehrere Unternehmen. Für den Kunden bedeutet dies ein größeres Angebot. Ob das günstigste dabei ist, weiß er nicht. Der Unterschied zwischen den beiden: Der Vertreter oder Agent hat ein Unternehmen im Rücken, das ihn bei einem Beratungsfehler deckt. Der Makler arbeitet unabhängig von Unternehmen und kann theoretisch das beste Angebot für seinen Kunden einholen. Laut Rechtsprechung steht er auf der Seite der Kunden. So ist er zum Beispiel verpflichtet, auf Nachteile aufmerksam zu machen – für Beratungsfehler haftet er. Zur eigenen Sicherheit fragt ihn der umsichtige Kunde vor Vertragsabschluss, ob er über eine Haftpflichtversicherung verfügt.

Auf Honorarbasis arbeiten die im Bundesverband der Versicherungsberater organisierten Experten. Sie rechnen ihre Leistungen nach der Gebührenordnung der Rechtsanwälte ab. Ihren Kunden bieten sie eine weitgehende Vertrauensbasis. Denn sie haben sich ihre juristischen und versicherungstechnischen Kenntnisse attestieren lassen und besitzen eine Zulassung durch den jeweiligen Amts- oder Landgerichtspräsidenten. Wer zum Beispiel eine Lebensplanung aufstellen will, findet unter den rund 100 unabhängigen Versicherungsberatern wahrscheinlich einen kompetenten Spezialisten. Eine Erstberatung kostet zirka 200 Euro. Der Versicherungsberater haftet zwar für seine Empfehlungen, darf aber nicht selbst vermitteln. Die Verträge mit den Gesellschaften schließt der Kunde selber ab.

So verfahren auch die Spezialisten in den Verbraucherzentralen. In allen großen Städten bieten sie Beratung in Fragen der Versicherung und auch der Geldanlage an. Besonders hervorgetan hat sich in Finanzfragen die baden-württembergische Verbraucherzentrale. In allen großen Städten des Landes gibt sie Ratschläge in Sachen Geld. Peter Grieble, Stuttgart, führt Kunden aus ganz Deutschland und aus der Schweiz in seiner Kartei. Er und seine Kollegen beraten – egal, ob es sich um Anlagesummen von 50 Euro monatlich oder mehreren Millionen Euro handelt. Sie sind an unterschiedliche Größenordnungen gewöhnt. Mit ihren Kunden leuchten sie in einem mehrstündigen Gespräch deren Situation und Wünsche aus. Erst dann überlegen sie, welche Produkte in Frage kommen und prüfen sorgfältig deren Eignung für den speziellen Fall. Im dritten Abschnitt schließlich stellen Berater und Kunde das optimale Portfolio zusammen. Darin sind entsprechend der Lebensplanung und der Risikobereitschaft des Klienten alle Versicherungen und Anlagen zusammengefasst. Die Kosten liegen einheitlich bei 120 Euro, wenn es nur um die Altersvorsorge geht. Die Beratung für die Geldanlage kostet 160 Euro, egal um welche Summen es dabei geht.

Etwas – oder je nach Komplexität des Falles auch viel – teurer ist die Beratung bei einem Certified Financial Planner (CFP). Diese Finanzberater werben mit einem weltweit anerkannten Gütesiegel. Der deutsche Verband Financial Planners (DEVFP) garantiert Neutralität, Seriosität und Qualität bei der Beratung von Privatkunden in ihren gesamten finanziellen Angelegenheiten. CFPs orientieren sich an objektiven Kriterien und unterliegen strengen Regeln. Der Verband überwacht die Vergabe des Gütesiegels und die Einhaltung der ethischen Grundsätze. Die Mitglieder unterziehen sich alle zwei Jahre einer Überprüfung. Um überhaupt in den erlauchten Kreis aufgenommen zu werden, haben die CFPs entweder ein entsprechendes Studium an einer der akkreditierten Hochschulen erfolgreich abgeschlossen oder sie haben ein so genanntes Challenge-Examen abgelegt und dazu noch weitere Kriterien wie Berufserfahrung und die Einhaltung der ethischen Regeln nachgewiesen. Egal ob in Japan, den USA oder in Deutschland, der Ausbildungsstandard ist weltweit der gleiche. Der Anforderungsstandard wird weiter ausgearbeitet. Am Ende will man eine normierte Anforderung für Finanzplaner, Vermögensberater und die Beratungsqualität erzielen. Auf deutscher Seite gehören diesem Ausschuss neben der Organisation für Normung (ISO) und dem DEVFP auch die Verbraucherschutzverbände und die Stiftung Warentest an.

Bislang dürfen sich in Deutschland nur knapp 1 000 mit dem Gütesiegel schmücken; nicht alle arbeiten auf Honorarbasis. Interessiert an Experten mit CFPQualifikation zeigen sich sowohl die großen Banken und Sparkassen sowie die kleineren privaten Institute. Sie werben gezielt CFPs an, um mit ihnen die vermögende private Klientel zu locken. In Banken angestellte CFPs denken natürlich auch an die Belange ihres Arbeitgebers. So mancher Freiberufler lebt von Provisionen. Hält er sich an die Spielregeln, stellt er gleich zu Beginn des Gesprächs mit den Kunden klar, wie er bezahlt werden möchte.

Rat suchende Anleger haben es in der Tat schwer, geeignete Berater zu finden. Von den knapp 500 000 Wettbewerbern auf dem Markt ordnen Experten höchstens 30 000 bis 40 000 als seriös ein. Aber sich nur auf Zertifikate zu verlassen, davon rät Verbraucherschützer und Anlageexperte Peter Griebner ebenfalls ab. Viel weiter bringe den Kunden ein informatives Gespräch, bevor er in medias res geht.

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