Hämatologie

Therapiefortschritt bei Patienten mit „Eisenüberladung“

Heftarchiv Medizin
Mit einer Bluttransfusion nehmen wir etwa die Eisenmenge auf, die der Körper in drei Monaten wegen des natürlichen Verlustes ersetzen müsste. Bei Patienten, die auf ständige Transfusionen angewiesen sind, führt dies oft binnen eines Jahres zur Eisenüberladung. Diese kann lebensbedrohlich werden und ist daher therapiepflichtig. Bislang war eine parenterale Therapie Standard. Nun ist ein oral einnehmbares und verträgliches Mittel verfügbar.

Bei einer ganzen Reihe von – teilweise seltenen – Erkrankungen lässt sich das Überleben der Patienten nur durch regelmäßige Zufuhr von Erythrozyten gewährleisten. Dazu gehören Kinder, die an einer hereditären Hämochromatose (zum Beispiel Thalassämie oder Sichelzellanämie) leiden. Im höheren Alter kommen dann Patienten mit einem myelodysplastischem Syndrom (MDS) dazu. Hier ist die Blutarmut durch eine Neoplasie im Knochenmark bedingt, die sich in einigen Fällen bis zur manifesten myeloischen Leukämie verschlechtert.

Die Häufigkeit der MDS wird in Deutschland mit drei Patienten pro 100 000 Einwohner angegeben. Die Anlage zur heriditären Hämochromatose findet sich bei Menschen mit kaukasisch-nordeuropäischer Abstammung etwa gleich häufig. Es erkranken jedoch nur Kinder, die homozygot für diese Erkrankung sind. Dies ist bei 1/300 Merkmalsträgern der Fall.

Den beschriebenen Krankheitsbildern ist es eigen, dass der Organismus nicht in der Lage ist, ausreichend Erythrozyten zu bilden. Ohne Bluttransfusionen würden diese Patienten binnen ein bis zwei Jahren an einem inneren Erstickungstod sterben. Die zugeführten roten Blutzellen enthalten pro Transfusion etwa 200 mg Eisen. Das Körpereisen ist hoch reaktiv und daher physiologischerweise eng an funktionelle Proteine wie Hämoglobin oder Ferritin beziehungsweise Transferrin gebunden. Reicht deren Speicherkapazität allerdings nicht mehr aus, so findet man im Serum mehr und mehr nicht transferringebundene Eisenmoleküle (NTBI), die zu zellschädigenden oxidativen Reaktionen fähig sind und allmählich Herz, Leber oder Knochenmark definitiv zerstören können.

Von der Stammesgeschichte her ist der Mensch darauf eingestellt, das für die innere Atmung essentielle Eisen nicht nur durch die Nahrung aufzunehmen, sondern auch möglichst nur minimal zu verlieren. Das Problem einer Eisenüberladung scheint dagegen von der Evolution her nicht vorgesehen zu sein.

Diese Tatsache ist der Medizin zwar schon lange bekannt, es fehlte jedoch an Kenntnissen, wie dies Problem zu lösen sei. Erst in den letzten Jahrzehnten hat man gelernt, dass sich bestimmte chemische Verbindungen, sogenannte Chelatbildner, dazu eignen, Eisen-Ionen so zu binden, dass sie über die Leber mit den Fäzes ausgeschieden werden können. Seither werden solche Chelatbildner für Patienten mit Eisenüberladungs- Krankheiten verwendet. Das bislang als Standard verfügbare Deferoxamin hat jedoch den Nachteil, dass es bei oraler Einnahme nicht resorbiert wird. Die Patienten waren daher auf eine langsame parenterale Zufuhr angewiesen, in der Regel über Pumpsysteme an fünf bis sieben Tagen in der Woche. Die Therapie war als lebenserhaltende Maßnahme auf die gesamte Lebensdauer des Patienten ausgelegt. Die Belastung durch diese Behandlung war insbesondere bei den Kindern mit hereditären Hämochromatosen so erheblich, dass ihr Leben zur ständigen Quälerei wurde.

Kleine Schritte – große Wirkung

Wie so oft kam der Fortschritt in kleinen Schritten. Durch langjährige Forschungsarbeit konnte der Hersteller von Deferoxamin, das seit 35 Jahren auf dem Markt ist, nun eine verträgliche orale Form eines Eisen- Chelatbildners einführen, das Deferasirox. Es ist als wasserlösliche Tablette erhältlich und wird in Wasser oder Orangensaft aufgelöst einmal täglich eine halbe Stunde vor einer Mahlzeit eingenommen. Trotz des teilweise als „eklig“ empfundenen Geschmackes der zu schluckenden Medikation wird diese Form der Therapie von der Mehrzahl der Patienten wie ein unverhoffter Segen, wie eine Befreiung empfunden.

Die Kosten des neuen Medikamentes werden sich in den gleichen Grenzen halten, die vom Vorgängermedikament (inklusive der hier benötigten Pumpen und mehr) vorgegeben wurden.

T. U. Keil

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