Stipendien

Begabung ist Trumpf

Das Studium der Zahnmedizin war und ist kein Pappenstiel. Zwischen Seminarraum, Labor und Prüfungen müssen Studierende auch heute dafür sorgen, dass die Finanzen stimmen. Die in vielen Bundesländern anfallenden Studiengebühren erschweren die Situation. Glücklich schätzen darf sich, wer ein Stipendium ergattert. Bewerber mit guten Noten, die sich sozial engagieren, haben dabei die Nase vorn. Es lohnt sich, einen Blick auf die Programme zu werfen – denn oft bieten sie weit mehr als nur Geld.

Thorsten Seidel ist einer von 14 000. So viele der insgesamt zwei Millionen Hochschüler in Deutschland werden von einem der bundesweit elf Begabtenförderungswerke unterstützt. Seidel ist seit November 2001 Mitglied der größten und ältesten: der Studienstiftung des Deutschen Volkes. Der 25-Jährige studiert im zehnten Semester Zahnmedizin an der Uni Tübingen und arbeitet nebenher an seiner Promotion. Thema: „Das maligne Melanom der Kopf-Hals-Region“ – passend für einen angehenden Kiefer- und Gesichtschirurgen. „Istanbul in der Kunstgeschichte“ heißt ein weiteres seiner Themen. Überraschend – zumindest für den Zahnmediziner Seidel. Für den Stipendiaten weniger.

Spaß ohne Leistungsdruck

Den Dialog über Fächergrenzen hinweg zu fördern, ist eines der Hauptziele der 1925 gegründeten Studienstiftung. Für ihre Stipendiaten – aktuell sind 6 500 in der Förderung – organisiert sie daher pro Jahr acht bis neun interdisziplinäre Sommerakademien zu wissenschaftlichen und künstlerischen Themen. „Das ist wie Uni, aber vollkommen ohne Leistungsdruck und mit tollen Dozenten“, erzählt Thorsten Seidel. Für ihn sind die Akademien eine willkommene Abwechslung zum regulären Stundenplan. „Sie erweitern den Horizont. Wann sonst bekommt man schon die Gelegenheit, so viele Studierende aus anderen Fachbereichen kennenzulernen oder sich mit dem Leiter der Berliner Museumsinsel zu unterhalten?“

Auf die geistige Förderung legt die Studienstiftung großen Wert – mehr noch als in ihren Anfangsjahren. „Nach dem Ersten Weltkrieg war das Kriterium der Bedürftigkeit ausschlaggebend für die Aufnahme“, erklärt Cordula Avenarius von der Studienstiftung. „Seit 1948 steht aber nur noch die Hochbegabung im Vordergrund, unabhängig vom sozialen Background. Wir wollen ganz einfach fähige Leute fördern.“

Das liebe Geld

Die finanzielle Unterstützung spielt neben der ideellen aber nach wie vor eine wichtige Rolle in der Begabtenförderung. Um konzentriert studieren zu können, muss der Lebensunterhalt schließlich gesichert sein. Laut einer Studie des Deutschen Studentenwerks brauchen Hochschüler – je nach Wohnort – zwischen 1 000 und 1 500 Euro pro Monat. Das Geld kommt aus verschiedenen Quellen: Neun von zehn werden von den Eltern unterstützt, jeder dritte jobbt nebenbei, knapp ein Viertel erhält einen Zuschuss nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Stipendien schlagen mit zwei Prozent zu Buche. Bei den Begabtenförderwerken, die einen Großteil ihrer Mittel aus der Staatskasse beziehen, gelten die BAföG-Richtlinien als Maßstab für die monatlichen Zahlungen. Abhängig vom Einkommen der Eltern steuern sie bis zu 525 Euro zum Lebensunterhalt der Stipendiaten bei, Doktoranden bekommen 920 Euro. Zusätzlich gibt es für Studierende ein monatliches Büchergeld von 80 Euro. Das Geld muss, im Gegensatz zum BAföG, nicht zurückgezahlt werden. Vollstipendien sind eher selten. Die Studienstiftung etwa vergibt sie an 16 Prozent ihrer Mitglieder. Elterliche Zuschüsse und jobben sind also auch hier angesagt – klassische Jobs wie das Kellnern kommen dabei eher selten vor. „Bei der Jobwahl können die Stipendiaten wählerisch sein“, meint Cordula Avenarius. „Viele arbeiten zum Beispiel als wissenschaftliche Hilfskräfte an ihrer Uni.“

Der Weg in die Förderung

Bevor sie in eine Stiftung aufgenommen werden, durchlaufen Bewerber einen anspruchsvollen Auswahlprozess aus Einzelgesprächen, Vorträgen, Diskussionen und Tests. Bei der Studienstiftung gilt ein festes Verfahren: Nach dem Abitur werden die Jahrgangsbesten von der Schule vorgeschlagen, Studierende per Empfehlungsschreiben vom Dozenten. Hervorragende Noten sind bei allen Förderwerken ein wichtiges Kriterium. Ebenso entscheidend: Engagement außerhalb von Schule und Uni. Die Durchfallquoten sind hoch. Bei der Studienstiftung schaffen es nur ein Viertel der Abiturienten und ein Drittel der Studenten der mittleren Semester in die Förderung.

Thorsten Seidel überzeugte in allen Kategorien. Neben einer glatten Eins im Abitur konnte der sympathische Schwabe auch eine lange Liste von Aktivitäten vorweisen. In seinem Heimatort gründete er eine überparteiliche, politische Jugendgruppe, die sich nicht nur um die Anliegen der eigenen Altersgruppe kümmerte, sondern auch die aktuelle Politik in der Region kommentierte. „Wir haben unter anderem gegen Testfelder für genmanipuliertes Saatgut protestiert“, erinnert sich der Tübinger. Auch während seines Zivildienstes blieb er aktiv: „Als Zivi war ich im Rahmen eines Friedensprojektes in Palästina, um dort zwischen israelischen und palästinensischen Jugendlichen Kontakte zu knüpfen.“ Beeindruckende Projekte, die der Studienstiftung gefielen. Sehr zur Freude Seidels, der seither auf die schnelle und unbürokratische Unterstützung der Organisation zählen kann. „Wovon man vor allen Dingen profitiert, ist das unglaubliche Kontaktnetz“, erzählt der Stipendiat. „Wenn man etwa auf einem dünn besetzten Gebiet promovieren will, hilft die Stiftung einem dabei, die richtigen Ansprechpartner zu finden.“

Exoten willkommen

Ein Förderwerk, das den älteren Semestern noch nicht zur Verfügung stand, ist die Stiftung der Deutschen Wirtschaft (sdw). Die Berliner Organisation wurde 1994 vom Deutschen Arbeitgeberverband gegründet und kümmert sich um etwa 1 000 Studierende und Doktoranden. Unternehmerisches Denken und Handeln in gesellschaftlicher Verantwortung stehen ganz oben auf der Agenda der sdw. Praxisbezug und Austausch mit Unternehmen bilden zwei Schwerpunkte ihrer Arbeit. Stipendien werden aber nicht nur an angehende Wirtschaftswissenschaftler vergeben, sondern stehen allen Fachrichtungen offen. Vielen sei das scheinbar nicht bewusst, meint sdw-Pressesprecher Christian Lange: „Von Zahnmedizinern bekommen wir zum Beispiel kaum Bewerbungen. Zurzeit haben wir weniger als fünf in unserem Programm.“

Eine von ihnen ist Svetla Kosarev. Die Berlinerin studiert im sechsten Semester an der Charité und wird seit Februar 2005 von der sdw gefördert. „Als Zahnmedizinerin fühlt man sich schon ein bisschen als Exot, aber der Ideenaustausch mit den anderen Fachrichtungen ist sehr bereichernd“, findet die 22-Jährige. Die Nähe zu den Unternehmen gefällt ihr: „Als Zahnarzt muss man schließlich auch wirtschaftlich denken.“ Zudem eröffne der Kontakt berufliche Perspektiven, etwa in der Pharmaindustrie oder im Bereich Unternehmensberatung. Erste Probeläufe für ihr organisatorisches Talent konnte Kosarev dank der sdw schon starten. Zusammen mit anderen Stipendiaten hat sie ein Seminar zum Thema „Spannungsfeld Tarifkonflikt“ vorbereitet. Eigeninitiative ist bei den Förderwerken gern gesehen. Insbesondere, wenn es sie ins Ausland zieht.

Ab in die Südsee

Famulatur auf den Fidschis, Praxisjahr in Panama – Auslandsaufenthalte lassen sich heute ganz einfach ins Studium integrieren und werden von vielen Hochschülern eingeplant. Seit 1980 hat sich die Zahl deutscher Studenten im Ausland verdreifacht und liegt bei 27 Prozent. Dazu beigetragen haben nationale Initiativen wie das Bologna-Abkommen aus dem Jahr 1999, das die Mobilität europäischer Hochschüler durch eine Harmonisierung der universitären Abschlüsse fördert. Studierende versprechen sich von einem Auslandsaufenthalt vor allem etwas für ihre persönliche Entwicklung. In ein fremdes Land zu gehen, bessert eben nicht nur die Fremdsprachenkenntnisse auf, es bringt auch ein Plus an Selbstständigkeit und viele interessante Erfahrungen. Auch im Hinblick auf die akademische und berufliche Laufbahn macht ein Austausch Sinn. „Zu sehen, wie das Studium in anderen Ländern funktioniert, erweitert die eigene Qualifikation. Auch für die Bewerbung um einen Job ist das wichtig. Heute fällt man ja eher auf, wenn man keine Auslandserfahrung gesammelt hat“, weiß Cordula Avenarius. Die Begabtenförderer unterstützen reisewillige Stipendiaten daher mit Zuschüssen zu Reisekosten und – je nach Zielland – mehr Geld für das tägliche Leben.

Thorsten Seidel verbrachte seine Famulatur auf Kuba, an der zahnmedizinischen Fakultät der Universität in Pinar del Rio. Dort war er seit Jahrzehnten der erste europäische Student. Die Gunst der Stunde hat der Tübinger genutzt, um ein Austauschprogramm zwischen Heimat- und Gastuniversität auf die Beine zu stellen. „Wir müssen allerdings noch eine Menge Papierkram erledigen und Förderer für das Programm finden“, berichtet er. Svetla Kosarev steckt noch in der Planung für ihre Famulatur. Für sie heißt es: ab in die Südsee! Ganz oben auf ihrer Reiseliste stehen Samoa oder die Cook Islands. Auf die Unterstützung der sdw bei Reisekosten und Unterhalt kann sie dabei zählen.

Speziell für Zahnmediziner

Die Welt rückt näher zusammen. Selbst die entlegendsten Gegenden erreicht man heute relativ problemlos. In den vergangenen Jahrzehnten sind außerdem eine Vielzahl von Austauschorganisationen entstanden, die auf internationaler Ebene zusammenarbeiten. Von besonderer Bedeutung für angehende Zahnärzte mit oder ohne Stipendium: der Zahnmedizinische Austauschdienst (ZAD). Die 1981 gegründete studentische Initiative hilft Kommilitonen dabei, ihre Wunsch-Famulatur außerhalb Europas zu realisieren. Jährlich packen rund 110 Studenten durch Vermittlung des Vereins ihre Koffer. Der Vorteil: Über eine Kooperation des ZAD mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst erhalten Famulanten einen Reisekostenzuschuss. Besonders profitieren sie jedoch von den weit verzweigten Kontakten der Organisation. Sie arbeitet eng mit der International Association of Dental Students (IADS) und den Young Dentists Worldwide (YDW) zusammen. Von der Famulatur – die zwischen zwei und vier Monaten dauern kann – zurückgekehrt, ist das Feedback meist sehr positiv, sagt Doris Bungartz von der ZADZentrale in Bonn: „Die Studenten lernen, selbstständig und unter schwierigen Bedingungen zu arbeiten. Bei Stromausfall oder unter einem Baum auf einem Plastikstuhl, wenn es sein muss.“ Was sonst alles passieren kann, steht in den zahlreichen Erfahrungsberichten auf der ZAD-Homepage. Eine prima Quelle zum Stöbern – auch für Zahnärzte, die schon im Berufsleben stehen.

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