Fondsmodell

Pool plagt PKV

Drehte sich die Reformdebatte bis gestern um die Fragen „Bürgerkasse“ oder „Prämie“, spitzt sich nun alles auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner namens Gesundheitsfonds zu. Während die einen den Pool als Königsweg feiern, sehen die anderen darin nichts als einen faulen Kompromiss. Klar ist: Wird die PKV in den Pool gedrängt, kann sie ihren Laden dichtmachen.

„In der Konsequenz geht es um die Abschaffung der privaten Krankenversicherung“, sagte der Vorsitzende des Verbandes der Privatversicherer (PKV), Reinhold Schulte, zur Absicht, die Privaten in den Fonds zu zwängen. Damit reagiert Schulte auf die Pläne der Regierung, einen Gesundheitsfonds zu installieren und die PKV dort finanziell einzubinden. Selbst in der Koalition sind diese Überlegungen umstritten. So will die SPD zwar die Einzahlerbasis der GKV verbreitern, gegen den Fonds und eine „kleine Pauschale“ wehren sich aber etliche Genosssen.

Keine Finanzlöcher stopfen

In der Unions-Spitze ist man sich zwar einig, dass die privaten Kassen nicht dazu herangezogen werden sollen, um die Finanzlöcher der maroden GKV zu stopfen – dennoch haben sich der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger und Thüringens Regierungschef Dieter Althaus (beide CDU) dafür ausgesprochen, dass auch Privatversicherte in den Fonds einzahlen. Natürlich nur, so Oettinger, wenn „die (privaten) Kassen dadurch nicht schlechter gestellt werden und ihre unternehmerische Freiheit behalten“.

Eine solche Konstruktion hält der PKV-Verband aber für nicht machbar. „Dieser Vorschlag bedeutet die Abschaffung der privaten Krankenversicherung, bedeutet ein leistungsfeindliches Einheitssystem, bedeutet Bürgerversicherung“, so Schulte. Aus unternehmerisch freien würden gesetzlich regulierte Kassen. Der von Ulla Schmidt geforderte „Solidarbeitrag“ für die GKV sei ohnehin schon doppelt und dreifach abgeleistet. Allein weil Privatversicherte für die gleiche Leistung beim Arzt deutlich tiefer in die Tasche greifen als der Kassenpatient, stützen sie das Gesundheitssystem jährlich mit 9,5 Milliarden Euro, rechnete PKV-Direktor Volker Leienbach den Politikern vor. Und diese „Fürsorge“ steigt. Allein von 2003 auf 2004 erhöhte sie sich um eine Milliarde. Das sind 11,8 Prozent mehr.

Warum aber, fragen sich viele Bürger, erhitzen sich am Fondsmodell derartig die Gemüter? Was passiert denn bitteschön, wenn die PKV ihre gesetzliche Schwester finanziell unterstützt? Zu einem Systemwechsel führt der Pool sicherlich nicht. Dafür aber zum Radikalumbau der Kassenlandschaft: Arbeitgeber und Arbeitnehmer zahlen nämlich weiter einkommensabhängige Beiträge, nur nicht mehr an ihre Versicherung, sondern in eine große Sammelbüchse, den Fonds. Um die sozialpolitischen Aufgaben zu schultern, wie etwa die kostenlose Mitversicherung der Kinder und nicht berufstätiger Gatten, könnte Vater Staat zusätzliche Steuergelder zuschießen. Im Anschluss würde jeder Kasse für jeden Versicherten aus dem Pool ein einheitlicher Obulus zugeteilt. Im Gespräch sind 170 Euro, plus Zuschläge für Alte und Kranke. Damit müssten die Kassen wirtschaften. Sie dürfen unterschiedliche Tarife anbieten und dafür auch Extra-Prämien verlangen oder Geld zurück erstatten. Ziel der Koalition ist mehr Wettbewerb unter den Kassen. Die gesetzlichen könnten damit privater werden – und die privaten womöglich gesetzlicher. Der PKV schwant jedenfalls nichts Gutes.

Anruf in Karlsruhe

Man werde Karlsruhe anrufen und verfassungsrechtlich prüfen lassen, ob die PKV gezwungen werden könne, der GKV finanziell unter die Arme zu greifen. Denn eins steht fest: Mit dem Fonds geriete das System der PKV komplett aus den Fugen. Denn PKV und GKV liegen unterschiedliche Schnittmustern zu Grunde. Jetzt soll der PKV das der GKV übergestülpt werden.

Stichwort „Kontrahierungszwang“. Die gesetzlichen Kassen sind verpflichtet, jeden zu versichern – unabhängig davon, wie es um die Gesundheit bestellt ist. Die Höhe der Beiträge ist völlig losgelöst von Vorerkrankungen und bemisst sich ausschließlich am Gehalt. Je höher der Verdienst, desto höher der Satz. Erst oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze von derzeit 3 562,50 Euro ist Schluss. Ein Wechsel zu den Privaten ist aber erst jenseits der Versicherungspflichtgrenze von 3937,50 Euro möglich.

Ganz anders aufgebaut ist das System der PKV. Hier sind Selbstständige, Freiberufler, Beamte und Gutverdiener versichert. Ist in der GKV das Salär für den Beitrag ausschlaggebend, orientiert sich die PKV nach dem Kostenrisiko der Kunden. Bevor ein Vertrag unterschrieben wird, nimmt die Kasse nämlich Alter, Geschlecht und chronische Krankheiten des Bewerbers unter die Lupe. Die Vertragsgestaltung ist dabei weitgehend frei. Das heißt, fällt der Kunde durch das Raster, lehnt die PKV ihn ab. Im Unterschied zur GKV ist die PKV bekanntlich ein privates Unternehmen. Sie darf Gewinne machen. Die GKV hingegen muss Überschüsse als Beitragssenkungen direkt an ihre Versicherten weitergeben. Während die GKV ihren Topf aus den Beiträgen Bevölkerung in Lohn und Brot füllt und deshalb in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit quasi leer ausgeht, bildet die PKV Altersrückstellungen.

Der Fonds soll trotz allem am Lohnniveau ausgerichtet werden. Genau darum lehnen ihn die Arbeitgeber ab. Der Fonds ändere nichts an der „falschen Finanzierung der Krankenkassen über Löhne und Gehälter“, so Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt. Das Modell sei vielmehr das „traurige Ergebnis einer verzweifelten Suche nach einem gemeinsamen Nenner“. Wichtigste Forderung der Unternehmer sei aber nach wie vor das Einfrieren der Arbeitgeber-Beiträge. Auch die Länder legten ihr Veto ein: Sie müssten für Beamte den hälftigen Beitrag in den Pool einzahlen und weiter die Kosten für die Beihilfe übernehmen. Dies risse ein Loch von fünf Milliarden in die Staatskasse.

PKV-Chef Schulte begrüßte vor dem Hintergrund einerseits den Willen der Union, die Existenz der PKV zu garantieren. Andererseits stellt er klar: „Der Schutz des Versichertenbestands allein hilft nicht!“ Die PKV würde mit dem Fonds von Neukunden abgeschnitten, die sie dringend bräuchte. Junge und neue PKV-Versicherte finanzieren mit ihrem Anteil die Gesundheitskosten der Alten. Rückstellungen in Höhe von 88 Milliarden Euro für rund 8,4 Millionen Privatversicherte. Ohne Neukunden ist die PKV also geliefert.

Ohne Neukunden geliefert

Würde die PKV nun genötigt, sich in den Fonds einzugliedern, und zwar zu den Konditionen der GKV, müsste sie sich zunächst für alle öffnen und jeden versichern. Damit verbunden wäre, dass sie ihre Risiko orientierten Sätze ummodelt und ebenfalls das Gehalt als Kriterium für den Beitrag festlegt. Ungeachtet dessen bliebe sie auf den Verpflichtungen sitzen und hätte weiterhin die Rückstellungen zu finanzieren – und dabei noch Gewinne einzufahren. Nach ersten Überschlagungen schätzt die PKV, dass dann die Prämie monatlich um bis zu 400 Euro steigt. PKV-Direktor Leienbach hat nun versprochen, dass sich die Privaten stärker an der Finanzierung des Gesundheitssystems beteiligen. Man sei bereit, alle freiwillig versicherten GKV-Mitglieder aufzunehmen, unabhängig von Alter oder Gesundheit. Die PKV könnte auch eine Art Basisschutz anbieten. Ein solcher Schritt könne die GKV laut Leienbach stark entlasten. Das BMG bewertete diese Ankündigung als Signal der PKV, ihre „traditionelle Wagenburg“ zu verlassen. Zu einem freiheitlichen Sozialstaat gehöre, dass jede Kasse jeden ohne Ansehen des Risikos versichern muss.

Bis Anfang Juli wollen sich die Parlamentarier auf die Grundzüge der Reform verständigen. Sollte die PKV eine Pauschale in den Pool spülen müssen, hätte eine Verfassungsklage laut Experten gute Chancen. 

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