Internet-Auktionsportale für Zahnersatz – Testbericht der Stiftung Warentest

Die Qualität wurde nicht getestet

In Juni-Heft der Stiftung Warentest (6/2006) erschien ein Test-Bericht über Internet-Auktionsportale für Zahnersatz, der auf der Titelseite des Heftes schon recht reißerisch mit „Zahnersatz-Internetauktionen – Den billigsten Zahnarzt finden“ angekündigt war. Der Autor, der Hochschullehrer für den Bereich Zahnärztliche Prothetik, Propädeutik und Werkstoffkunde an der Kieler Universität ist und seinen Studenten vermitteln will, dass Qualität in der Regel ihren Preis hat, fasst hierzu seine Gedanken zusammen.

Dieser sogenannte Test der Stiftung Warentest ist ein trauriges Beispiel dafür, dass eine Ankündigung nicht das hält, was sie verspricht. Denn er erfüllt auch nicht annähernd die Kriterien eines Qualitätstestes: Qualität wurde nicht getestet. Ein unkritischer Leser wird hier aber leicht getäuscht, da er ja bei Stiftung Warentest die Testung von Qualität erwartet. Warum aber spielte Qualität bei diesem Test keinerlei Rolle?

Unter medizinischen Gesichtspunkten steht und fällt die Qualität einer zahnärztlich-prothetischen Therapie mit der qualifizierten Behandlungsplanung, die eine adäquate Befunderhebung und Diagnostik voraussetzt. Dass einige wenige Zahnärzte Heil- und Kostenpläne im Internet unterbieten und sich damit auf die Planung eines unbekannten Kollegen verlassen, spricht nicht für, sondern eher gegen sie.

Nicht belegt

Wenn die Stiftung Warentest in dem Beitrag behauptet, es handele sich bei den angebotenen Versorgungen um „vergleichbare zahnprothetische Versorgungen des gehobenen Niveaus“, so ist dies durch nichts belegt. Genauso gut könnte die Stiftung demnächst über Warenprodukte ohne Testung urteilen „vergleichbare Waschmaschinen auf gehobenem Niveau, denn sie alle waschen Wäsche“, oder „vergleichbare Autos auf gehobenem Niveau, denn sie alle haben vier und nicht drei Räder“. Mit Qualitätstestung, wie man es bisher von Stiftung Warentest gewohnt war, hätte das aber nichts mehr zu tun.

Stiftung Warentest schreibt, dass sich die „Kostensenkungen überwiegend bei den Material- und Laborpreisen erreicht“ wurden und deutet an, dass hier im Ausland hergestellter Zahnersatz eine Rolle spielte. Wissenschaftlich wurden Qualitätsunterschiede zwischen in- und ausländischem Zahnersatz nur unzureichend untersucht, aber die in der Schweiz publizierten Daten zu Zahnersatz aus Ungarn zeigten, dass dieser erschreckend häufig nicht die angestrebten Qualitätskriterien erfüllte. [Siehe dazu: Joss A, Christensen MM, Jakob S, Oberholzer G, Lang NP: Qualität von zahnärztlich-prothetischen Versorgungen im Vergleich – Schweiz/Ausland, speziell Ungarn. Acta Med Dent Helv 1999;4:77-85]. Langfristige Folgekosten minderer Versorgungsqualität sind zu erwarten, aber natürlich schwer abschätzbar.

Offene Fragen

Den Autor drängt aber auch die Frage, wer eigentlich diese schätzungsweise 600 Zahnärzte sind, das heißt, etwa ein Prozent der deutschen Zahnärzte, die ihre Kollegen mit Niedrigpreis-Zahnersatz unterbieten. Haben diese nicht genügend eigene Patienten, die sich aufgrund positiver Empfehlungen aus der eigenen Patientenklientel rekrutieren? Woran könnte dies liegen? Hätte Stiftung Warentest hier nicht die Qualifikation dieser Zahnärzte zum Beispiel anhand von Examensnoten, Berufserfahrung, nachweisbaren fachlichen Qualifikationen oder nachgewiesenen Fortbildungen oder Ähnlichem zumindest ansatzweise evaluieren können?

Die Qualität von Zahnersatz zeigt sich in der Regel erst nach vielen Jahren: Gute Kronen und Brücken halten im Schnitt 20 bis 25 Jahre. Was hilft da die Aussage von Stiftung Warentest, die „Patienten waren meist zufrieden“? Die Frage ist doch, werden sie es auch nach vielen Jahren noch sein?

Stiftung Warentest hat gemäß dem Motto „Geiz ist geil“ getestet – zahnmedizinische Versorgungsqualität spielte keine Rolle. Ob Patienten bei diesem ein Prozent der Zahnärzte im Schnitt bei den eher Besseren oder eben doch bei den eher Schlechteren landen, das wäre aber in der Tat eine Untersuchung wert. Aus Patientensicht wäre mir ein unausgelasteter Zahnarzt, der seine Patienten quasi mit Preisdumping (Zahnersatz aus Niedriglohn-Ländern – wer beklagt sich über Arbeitslosigkeit in Deutschland?) im Internet einzufangen versucht, doch eher verdächtig.

Prof. Dr. Matthias KernChristian-Albrechts-Universität zu KielUniversitätsklinikum Schleswig-Holstein – Campus KielKlinik für Zahnärztliche Prothetik, Propädeutikund WerkstoffkundeArnold-Heller-Str. 1624105 Kiel

Teilweise wurde dieser Beitrag im August-Heft der Stiftung Warentest in Form eines (stark gekürzten) Leserbriefes abgedruckt. Der Test aus dem Juni-Heft der Stiftung Warentest ist abrufbar unter:http://www.stiftung-warentest.de/online/gesundheit_kosmetik/test/1379671/1379671/1380113.html.Kosten: 2 Euro.

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