Gesundheitsreform

Die Suche nach dem dritten Weg

Der Fahrplan zur Reform steht: Bis zur politischen Sommerpause will man die Eckpunkte vorlegen, sagt Kanzlerin Angela Merkel. Noch sind sich Union und SPD allerdings uneins, wohin die Reise gehen soll. Klar ist nur, dass es auf einen Mix zwischen Bürgerkasse und Prämienmodell hinausläuft. Findet die Koalition den dritten Weg?

Nicht nur eine hohe Versorgungsqualität will die Regierung garantieren, sondern darüber hinaus die Teilhabe aller Menschen am medizinischen Fortschritt. Ein weiteres Vorhaben: Finanzielle Mittel zielgerichtet einsetzen und weiterhin solidarisch aufbringen. Last but not least soll mit der Reform verbrieft werden, dass in Zukunft alle Bürger in diesem Land versichert sind. Insgesamt sollen die Versicherten mehr Wahlmöglichkeiten erhalten – durch ein patientenfreundlicheres System. Absolut notwendig sei dabei, dass man die GKV auf solide, verlässliche finanzielle Füße stellt.

Geteilte Meinungen

Große Ziele. Aber wird es gelingen, das Gesundheitswesen grundsätzlich umzukrempeln? Und eine „Reform aus einem Guss“ vorzulegen, wie Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und Unionsfraktionsvize Wolfgang Zöller vollmundig es immer wieder ankündigen?

Gewohnt kontra reagiert die PDS. Der Leistungskatalog werde weiter ausgedünnt – der Versicherte weiter zur Kasse gebeten: „Der Patient ist der Dumme“. Auch die Grünen sind verstimmt. Sind Union und SPD nicht bereit, die Bürgerkasse als „beste Lösung“ einzuführen, benennt die grüne Partei gleichwohl neun „Mindestanforderungen für eine gerechte und solidarische Reform“. Verlangt wird dort unter anderem eine Beitragspflicht auf alle Einkunftsarten und für bislang mitversicherte Ehegatten von Gutverdienern und Kinderlosen. Um einen Wettbewerb um die beste Versorgung, nicht um die gesündesten Versicherten anzukurbeln, wollen die Grünen außerdem den morbiditätsorientierten RSA umsetzen. Ausgesprochen positiv bewertet hingegen die AOK die Politikpläne: „Die Koalition setzt auf Qualität und bezieht den fachlichen Sachverstand ein. Das begrüßt die AOK“. Die Regierung komme aber nicht daran vorbei, die Finanzkraft der GKV zu stärken, betont AOK-Chef Dr. Hans Jürgen Ahrens. Nur dann sei weiter verbürgt, Patienten unabhängig vom Salär eine gute, am medizinisch Notwendigen orientierte Behandlung zukommen zu lassen. Ahrens macht sich zudem dafür stark, dass privat Versicherte, die in die gesetzlichen Kassen zurückkehren, künftig ihre Altersrückstellungen miteinbringen. In Sachen Wettbewerb müsse man auch bei den Ärzten verstärkt auf die Maximen Wirtschaftlichkeit und Qualität achten, bei den Kassen dagegen mehr Vertragsfreiheit einführen.

Die Leistungserbringer stellen indes klar: Gesundheit und Qualität sind nicht zum Nulltarif zu haben. Prävention und die Teilhabe am medizinischen Fortschritt sind ein Muss – aber sie kosten.

Verhaltener Optimismus

Verhalten optimistisch gibt sich derweil die PKV: Sie befürwortet zunächst einmal den Willen der Koalition, „Qualität vor Schnelligkeit“ zu setzen. Ein zukunftsfähiges, solidarisches System könne es freilich nur mit einer starken PKV geben. Die Koalition sei hier stärker als ihre Vorgänger in der Pflicht, die Kranken- und Pflegekassen durch mehr Kapitaldeckung demografiefest und damit nachhaltig zu machen.

„Es reicht nicht, einfach nur mehr Geld ins System zu pumpen, indem neue Geldquellen erschlossen werden“, kritisiert demgegenüber FDP-Gesundheitsexperte Daniel Bahr. „Eine Mehrbelastung der Bürger ist nur dann gerechtfertigt, wenn das Krankenversicherungssystem dadurch zukunftsfest gemacht wird.“ Drei Forderungen müsse die Politik erfüllen, soll die Reform gelingen: mehr Vorsorge für die Alten, mehr Freiheit für die Versicherten, mehr Kapitaldeckung im System.

Noch wirken die Pläne von Union und SPD eher ungereimt und vage – doch die Regierung steht unter Druck. Es wird sich zeigen, ob es ihr gelingt, einen soliden Überbau zu skizzieren. Und wie dieser aussieht. Eher auf Basis Prämie, wie der Vorstoß von Unionfraktionschef Volker Kauder mit der Idee eines Gesundheitsfonds. Oder auf Basis Bürgerversicherung, wie Matthias Platzeck es in seinen Thesen für ein neues SPDGrundsatzprogramm vorschwebt: Nach skandinavischem Vorbild ein erneuertes und positives Verständnis von sozialer Gerechtigkeit zu schaffen. Den Knackpunkt der stockenden Verhandlungen verdeutlichten kürzlich die Grünen: „Wer nicht weiter weiß, gründet einen Arbeitskreis!“ ck

Unter www.zm-online.de wird aktuell über den Reformprozess berichtet.

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