Leitartikel

Mit dem Brett – vorm Kopf und an die Wand

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir waren im Recht – und wir haben Recht bekommen: Das Bundesschiedsamt folgte dem Antrag der KZBV „vollinhaltlich“ und erhöhte den ZE-Punktwert um die 0,97 Prozent, die als Grundlohnsummensteigerungsrate für dieses Jahr vom Gesundheitsministerium festgelegt wurde. Diese Rate legt den Rahmen fest, unter dem Steigerungen ohne Gefährdung der Beitragssatzstabilität möglich sind.

Zugegeben: Nicht nur für Banker sind solche Steigerungsraten „Peanuts“. Und für uns Zahnärzte sind sie angesichts der von den Sachverständigen prophezeiten zwei Prozent Preissteigerungen das, was uns zusteht. Man sollte meinen, dass auch die Kassen, die an einer funktionierenden, qualitätsorientiert arbeitenden Zahnarztpraxis im Sinne ihrer Versicherten interessiert sein müssten, diese Rate anerkennen.

Eine funktionierende (zahn-) ärztliche Versorgung in der GKV zu gewährleisten, setzt eine funktionierende Selbstverwaltung voraus. Aber man muss sie wollen. Die Krankenkassen wollen sie offensichtlich nicht! Lieber ein völlig überflüssiges, weil juristisch kristallklares Schiedsamtsverfahren. Da wird manche Szenerie zur Groteske, da hat das Absurde Konjunktur. So wie in 2003, als die Grundlohnsummensteigerungsrate mit 0,02 Prozent angegeben war. In Hessen war seinerzeit die VdAK-Budgeterhöhung von rund 16 000 Euro (0,02 Prozent von ca. 80 Millionen Euro) nur über das Schiedsamt erhältlich. Das Verfahren war teurer als die Erhöhung.

Also: Der Irrsinn hat Methode. Und dieses Verfahren wird nicht das einzige bleiben, das in den nächsten Monaten Zeit und Aufwand kosten wird. Gescheitert – und damit ebenfalls vor dem Bundesschiedsamt zu klären sind Vereinbarungen

• zum Gutachterverfahren bei der Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen,• zum Datenaustausch auf Datenträgern aufgrund der seit Januar 2004 veränderten Rechtslage,• zu Inhalt und Durchführung der Abrechnungs- und Plausibilitätsprüfungen• sowie zu den Zufälligkeitsprüfungen.

Alle Punkte wurden lange verhandelt. In weiten Bereichen wurde bereits im letzten Jahr Konsens erzielt, anschließend von den Kassen ohne nachvollziehbare Gründe aber mit grundsätzlichem Klärungsbedarf wieder in Frage gestellt.

Die Krankenkassen sind offenkundig an einvernehmlichen Regelungen in der Selbstverwaltung seit geraumer Zeit immer weniger interessiert. Rationale Erwägungen, im Sinne der Patienten durch konstruktives Handeln für reibungslosen Ablauf zu sorgen, werden mehr und mehr der Strategie geopfert, durch Verzögerung oder schlichten Boykott die Leistung der Selbstverwaltung möglichst gen Null zu fahren.

Ist das tatsächlich so raffiniert? Wenn der Ast, auf dem die maroden, aber mächtigen Kassen heute zusammen mit den Zahnärzten sitzen, keine Früchte mehr trägt, ist das BMG als Aufsichtsbehörde – so wohl die Hoffnung der Kassen – eher ambitioniert, diesen abzusägen. Zumindest die großen Kassen mutmaßen, dass das Polster des Systems sie sicher auffangen wird, ausgestattet mit mehr Kompetenzen und bar jeglicher Pflicht, mit einer vereinten Zahnärzteschaft zu verhandeln.

Wenn die Politik jeglicher Couleur die zu hohe Zahl der verschiedenen gesetzlichen Krankenkassen für die nächste „Gesundheitsreform“ thematisiert, ist doch klar, wer übrig bleibt und womöglich noch stärker wird. Wenn sie die K(Z)Ven abschaffen und damit den vermeintlich wahren Wettbewerb einleiten will, ist doch klar, wer den dann gestärkten Kassenmonopolen hilfloser denn je ausgeliefert sein wird. Da nehmen die Spitzenverbände der Krankenkassen die Politik der verbrannten Erde in der Selbstverwaltung gern in Kauf.

Hoffentlich ist den Verantwortlichen der großen Koalition rechtzeitig klar zu machen, dass Selbstverwaltung dort bleiben muss, wo sie derzeit ist: In den Händen der Leistungsträger des Gesundheitswesens. Der Gesetzgeber hat die Sorgfaltspflicht, dass dieser Krankenkassen-Irrsinn nicht zum Flächenbrand im Gesundheitswesen unserer Republik führt. Er muss die ausbremsen, die mit dem Brett vorm Kopf das System an die Wand fahren wollen.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Dr. Jürgen FedderwitzVorsitzender der KZBV

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