Legionellen

Keimattacke aus dem Wasserhahn

Ob morgendliche Dusche oder blubbernder Whirlpool: Die feuchten Oasen der Entspannung sind für die meisten von uns ein Stück Lebensqualität. Doch warmes Wasser belebt nicht nur Körper und Geist – auch unzählige Mikroorganismen schätzen die angenehmen Temperaturen. Besonders berüchtigt und immer wieder in den Schlagzeilen sind Legionellen. Eine Infektion mit den in Wasserrohren lebenden Bakterien kann zur tödlichen Gefahr werden. Aber man kann dieses durchaus vermeiden, besonders in Haushalten und auf Reisen in „heiße“ Länder.

Schwimmbäder werden geschlossen, öffentliche Duschen gesperrt: Wenn es bei einer Routinekontrolle des Gesundheitsamtes „Legionellen-Alarm“ heißt, wird es den Betreibern der Anlagen oft mulmig. Denn das Risiko für Besucher der Sanitärbereiche, eine schwerwiegende Infektion davonzutragen, ist beachtlich.

Prominentes Beispiel ist der Triathlet Stephan Vuckovic, Silbermedaillengewinner der Olympischen Spiele von Sydney. Bei der Europameisterschaft 2001 im tschechischen Karlsbad infizierte sich der Leistungssportler mit Legionellen und sein Wettkampf endete auf der Intensivstation. Weit mehr als ein Jahr brauchte Vuckovic bis er körperlich wieder fit genug war, um an einer Meisterschaft teilnehmen zu können. Vuckovic ist kein Einzelfall. Mitte 1999 starben 22 Besucher einer niederländischen Gartenbaumesse, die sich über zwei ausgestellte Whirlpools infiziert hatten, 2003 erlagen zwei ältere Patientinnen den Erregern, mit denen sie in einem Klinikum in Frankfurt an der Oder in Kontakt gekommen waren.

Infektiöser Nebel

Auslöser für die bedrohliche Erkrankung sind stäbchenförmige Bakterien der Gattung Legionella, die sich in warmen, stehenden Wasserleitungssystemen wohlfühlen. Vor allem im Sommer vermehren sie sich bei Temperaturen zwischen 25 und 45 Grad Celsius rapide. Über feinste Wassertröpfchen gelangen sie häufig beim Duschen in die Atemwege und können eine schwere Lungenentzündung hervorrufen. Wie Experten des Robert Koch-Instituts schätzen, kommt es allein in Deutschland zu mehr als 30 000 Krankheitsfällen. Rund 1 000 Patienten versterben an einer Legionellose, die auch als Legionärskrankheit bekannt ist.

Vor 30 Jahren wurde der heimtückische Erreger Legionella pneumophila erstmalig beschrieben. Auf einem Treffen amerikanischer Veteranen erkrankten 182 Teilnehmer an einer akuten Lungenentzündung, 29 von ihnen verstarben wenig später. Eine aufwendige Untersuchung ergab, dass sich die Betroffenen über die Klimaanlage eines Hotels mit dem bislang unbekannten Erreger angesteckt hatten. Rückblickend konnten auch mehrere Epidemien bis ins Jahr 1947 der Gattung Legionella zugeschrieben werden. Neben der Legionärskrankheit verursachen die Erreger auch das „Pontiac“- Fieber, das weniger gefährlich ist und mit grippeähnlichen Symptomen wie hohem Fieber, Muskelschmerzen und Husten einhergeht.

Männer bevorzugt

Der Ablauf der Erkrankung hängt vom Zustand des Infizierten ab: Ganz unbemerkt werden Legionellen mit Aerosolen tief eingeatmet und treffen in den Lungenalveolen auf Makrophagen. In diesen Fresszellen des Immunsystems wachsen und teilen sich die Bakterien. Je nach Vorbelastung des Betroffenen treten nach zwei bis zehn Tagen die Anzeichen der Krankheit auf. Besonders schlimme Folgen hat die Ansteckung für chronisch Lungenkranke oder immunsupprimierte Menschen wie Organtransplantatträger. Statistiken zeigen aber auch, dass Raucher und ältere Personen der Bakterienattacke wenig entgegenzusetzen haben und schwer erkranken. Warum die Legionellose doppelt so viele Männer wie Frauen ereilt, bleibt bislang noch ein Mysterium.

Beim Verdacht auf eine Ansteckung lassen sich die gefährlichen Keime mit einem einfachen Urintest bereits innerhalb von 15 Minuten nachweisen. Eine mehrwöchige Behandlung mit Antibiotika wie Erythromycin oder Rifampicin kann dann den Patienten vor einem schweren Verlauf der Krankheit schützen, die in rund 15 Prozent der Fälle mit dem Tode endet.

Legionellose als Zivilisationskrankheit

Legionellen kommen in jedem Gewässer vor und stellen in niedriger Keimzahl für den Menschen kaum ein Risiko dar.

Verhängnisvoll ist ihre teils parasitierende Lebensweise in Einzellern, meist Amöben, denn hier können sie sich drastisch vermehren und gegen widrige Außenbedingungen schützen. Temperatur- und pH-Schwankungen sowie Biozide können ihnen nur wenig anhaben. Idealer Lebensraum für die Mikroorganismen und somit potenzieller Infektionsherd sind Totleitungen oder Rohre, in denen das Wasser nur wenig fließt. Sie begünstigen an Rohrwänden und Ablagerungen die Bildung von Biofilmen, den schleimigen und schwer zu bekämpfenden Brutstätten für unzählige Mikroben. Eine Ursache der starken Verbreitung von Legionellen im Wasserversorgungssystem ist eine falsche Prognose des Wasserverbrauchs aus den 70er-Jahren. Experten sagten einen Pro-Kopf-Verbrauch von 220 Litern voraus, entsprechend groß wurden die Rohrleitungsnetze dimensioniert. Dank Wasserspartaste am Toilettenkasten, Öko-Autowaschanlagen und High-Tech-Geschirrspülern braucht der Deutsche heutzutage im Schnitt jedoch nur 127 Liter – eine Menge, die Wasserrohre zu einem ruhigen und gemütlichen Aufenthaltsort für allerlei Kleinstlebewesen macht.

Krank durchs Reisen

Doch fehlende Wasserbewegung wird vor allem in großen Gebäuden zum Problem: Hotels, Krankenhäuser, Freizeitanlagen und Schwimmbäder haben riesige Rohrsysteme, die immer wieder zu ungewollten „Störfällen“ führen. Selbst das renommierte Fünf-Sterne- Hotel Ritz Carlton in Berlin musste wenige Monate nach der Eröffnung sämtliche Zimmer wegen Legionellengefahr schließen: Eine defekte Hydraulik und bauliche Mängel hatten es den Erregern leicht gemacht.

Ständige und gründliche Kontrollen der Wasserversorgung hatten Schlimmeres verhindern können. Weniger Glück hingegen haben viele Touristen, die in südlichen Gefilden in nachlässig geführten Unterkünften Ferien machen. Jede fünfte am Robert Koch-Institut (RKI) gemeldete Legionellen- Infektion haben sich die Patienten bei einer Reise zugezogen. Spitzenreiter sind dabei die Türkei, Italien und Spanien. Doch auch der exklusive Luxus-Urlaub im hohen Norden schützt nicht vor den aggressiven Keimen: Für sieben Kreuzfahrt-Passagiere entwickelte sich im Jahr 2003 die Traumreise zum Albtraum. Auf einer Tour nach Grönland steckten sich die Kreuzfahrer mit verunreinigtem Wasser an. Einer von ihnen verstarb wenig später in einer Klinik in Magdeburg. Er hatte das Wasser nicht lange genug ablaufen lassen.

Keimwolke aus Kühlturm

Ebenso chancenlos gegen die infektiösen Wasserbewohner waren im gleichen Jahr 17 Bürger der nordfranzösischen Stadt Lens. Sie erlagen Frankreichs schwerster Legionellen- Epidemie, die insgesamt 86 Menschen erfasst hatte. Ein kontaminierter Kühlturm einer benachbarten Industrieanlage hatte die todbringenden Nebel in die Umwelt abgegeben.

Die Beispiele verdeutlichen, dass es kaum möglich ist, das Legionellenproblem vollständig aus der Welt zu schaffen. Noch kritischer wird es im Bereich der Privathaushalte, wo keine behördlichen Auflagen den Bürger zur Achtsamkeit zwingen. Niemanden wundert es also, dass die Hälfte der am RKI dokumentierten Fälle, auf Infektionen aus den heimischen vier Wänden zurückzuführen ist. In einer Untersuchung von Professor Werner Mathys vom Institut für Hygiene der Uni Münster wurde in 500 Einund Zweifamilienhäusern das Trinkwasser auf Legionellen getestet. Je nach Lage war zum Teil jeder fünfte Haushalt den gefährlichen Keimen ausgesetzt. Zentrale Warmwasserbereitung, Fernwärme oder zusammenliegende Kalt- und Warmwasserleitungen begünstigen die Bakterienbesiedlung.

Verhalten in der Praxis

Für den Zahnarzt stellt sich nun die Frage, inwieweit auch die in der Praxis benutzten Wassersysteme Quelle für eine Legionelleninfektion sein könnten. Mehrere wissenschaftliche Veröffentlichungen belegen, dass sich in mindestens jeder zehnten Praxis und in Haushalten L. pneumophila nachweisen lässt. Doch Grund zur Beunruhigung braucht dies noch lange nicht zu sein, denn erst eine starke Kontamination der Dentaleinheiten wird zu einem ernst zu nehmenden Gesundheitsrisiko. Wie Dr. Christian Lück, Leiter des Konsiliarlabors des RKI in Dresden bestätigt, scheint das Infektionsrisiko in einer Zahnarztpraxis eher niedrig zu sein: „In unseren epidemiologischen Studien forschen wir sehr genau nach, welchen potenziellen Infektionsherden der Erkrankte ausgesetzt war. In keinem der rund 500 erfassten Fälle pro Jahr ließ sich bislang der Zahnarztbesuch als Ursache ausmachen.“ Auch Michael Krone, Leiter der Abteilung Zahnärztliche Berufsausübung bei der Bundeszahnärztekammer, stuft die Ansteckungsgefahr in der Praxis sehr niedrig ein und warnt vor Panikmache.

Gegen Keime vorbeugen

Neben Legionellen finden sich in den Wasser führenden Leitungen in einer Praxis sowie im Privathaushalt auch eine ganze Reihe anderer Keime, die zum Risiko für die Gesundheit werden können. Pseudomonaden, Staphylokokken, Mykobakterien und Pilze besiedeln Wasserreservoir, Kunststoffschläuche und Handstücke an der Behandlungseinheit. Daher empfiehlt die Bundeszahnärztekammer allen Zahnmedizinern, Dentaleinheiten zu Beginn des Behandlungstages etwa zwei Minuten und nach jedem Patienten 20 Sekunden zu spülen. Im Rahmen-Hygieneplan der BZÄK und des Deutschen Arbeitskreises für Hygiene in der Zahnarztpraxis finden sich weitere Hinweise und Verhaltensregeln, die das Infektionsrisiko für Patienten und Personal minimieren (www.bzaek.de). Um Gewissheit über die Wasserqualität am Behandlungsplatz zu bekommen, schlägt das RKI eine jährliche Routinekontrolle bei einem Fachlabor für mikrobiologische Untersuchungen vor.

Besondere Vorsicht ist geboten, wenn Patienten immunsupprimiert sind oder an Mukoviszidose leiden. In diesen Fällen sollte zur Kühlung der rotierenden Instrumente nur steriles Wasser verwendet werden. Im Zweifelsfall sollte der Zahnarzt Kontakt mit dem behandelnden Arzt aufnehmen.

Dr. rer. nat. Mario LipsDudenstraße 3410965 Berlinmariolips@web.de

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