KZVen diskutieren Servicegesellschaften

Eine Chance gegen die Vereinzelung

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Mit der Gesundheitsreform hat der Gesetzgeber den vertragszahnärztlichen Selbstverwaltungen die Möglichkeit zur Gründung von Servicegesellschaften geschaffen. Im hessischen Bad-Nauheim haben Vertreter der KZVen und der KZBV (31. 10. bis 2. 11. 2007) mögliche Maßnahmen und gemeinsame Grundsätze für den Umgang mit einer ganz neuen Option diskutiert.

Für Gesundheitsökonom Prof. Dr. Günter Neubauer, München, ist der Weg in ein mehr vom privaten Wettbewerb mitbestimmtes Gesundheitswesen eindeutig das, was die Bundesregierung mit der jüngsten Gesundheitsreform bezweckt: „Der Staat meint, private Organisationen seien effizienter, gehören aber ins staatliche Gefüge.“ Ein wichtiger Ansatzpunkt, so führte der Leiter des Instituts für Gesundheitsökonomik in einem Vortrag vor den Vertretern der KZVen und KZBV aus, seien die im SGB V geschaffenen neuen Wege in der Vertragsgestaltung: Künftig sollten Selektivverträge extensiver wirken, Kollektivverträge hingegen „eingeschrumpft“ werden.

Das dahinter verborgene Ziel sei das Lenken von Patientenströmen. Mithilfe von Instrumentarien aus dem Bereich der Managed Care wolle man das heute enge Verhältnis zwischen Patienten und Leistungsträgern aufbrechen. Der Vormarsch der Sozialversicherung in den PKV-Bereich hinein habe bereits begonnen. Schon heute hätten sich alle Privatversicherer darauf eingestellt, dass die Zusatzversicherungsgeschäfte zunehmen werden. Neubauers Warnung an die Selbstverwaltung der Zahnärzte: „Ohne Servicegesellschaften haben KZVen und KZBV eine strategische Option weniger.“ Sein Rat: Für die Zahnärzteschaft sei es zukunftssicherer, neben dem Standbein der Körperschaft mit staatlicher Unterstützung ein zivilrechtliches Spielbein aufzubauen – und das sogar mit staatlicher Unterstützung.“ In jedem Fall, so ergänzte Neubauer sehr bildhaft, stehe man „auf zwei Beinen fester“. Viel Zeit bleibe angesichts der Umsetzung des GKVWSG allerdings nicht.

Diesen Hinweis gab der Gesundheitsökonom nicht nur mit Blick auf die im Jahr 2009 anstehende Inkraftsetzung von Gesundheitsfonds, Morbi RSA, PKV-Basistarif, GOÄ und GOZ, sondern auch angesichts der aktuellen Entwicklungen auf dem Markt. Beachtet werden muss, dass die Konkurrenz keinesfalls schläft. Die Gefahr sei, so zeigte sich der Münchner Wissenschaftler überzeugt, dass private Managementgesellschaften, strategische Investoren im Gesundheitsbereich (zum Beispiel die PKV oder Unternehmen aus dem Bereich der Dentalindustrie), aber auch reine Kapitalinteressenten sich aus dem Kollektivvertrag etwas herausholen, ohne dass die KZVen etwas dagegen tun könnten. „Diese Investoren kennen nur Rendite, nicht Freiberuflichkeit; die spielen mit Ihnen Katz und Maus“, warnte Neubauer die berufspolitischen Vertreter der Vertragszahnärzte.

Umfeld beobachten

Noch konkreter kennzeichnete KZBV-Vorstandsmitglied Dr. Wolfgang Eßer die Gefahren, die Krankenkassen, Gesetzgeber und mittelbar Fremdinvestoren für die gegenwärtigen Strukturen im Gesundheitswesen darstellen. Der Handlungsbedarf sei offensichtlich: „Es ist wichtig, dass wir in diesem Bereich etwas machen, um zu verhindern, dass Dritte den Vertragszahnärzten das Geld aus den Budgets ziehen.“ Dabei müsse man darauf achten, künftige Entwicklungen nicht nur aus der Brille der Zahnärzteschaft zu sehen, sondern vor allem auch zu vergegenwärtigen, „was uns im Umfeld, beispielsweise seitens privater Managementgesellschaften, erwartet“.

Da die Folgen des WSG nicht mehr aus dem System zu eliminieren seien, sei es eine eigentlich selbstverständliche Aufgabe der Selbstverwaltung, sich klar zu machen, was der Gesetzgeber will, wie sich das Gesetz auf die Versorger und natürlich auch auf die Körperschaften auswirkt. Hier seien die Prämissen offensichtlich: Absicht von Versicherern und Gesetzgeber sei es, den Zahnarzt im System so zu verändern, dass er sich zu einem kündbaren professionellen Dienstleister entwickelt.

Diesem Ziel diene das Einheitssystem zum Beispiel durch die Äquilibrierung des Gebührensystems oder die sukzessive Rücknahme der gerade erst etablierten Mehrkostensysteme. Der mit dem WSG etablierte Wettbewerb diene als Steuerungsinstrument, dessen Endziel ein System aus wenigen Marktmächten und Oligopolen sei. Der daraus resultierende Zwang der Versorger, kostengünstiger zu arbeiten, werde einen enormen Kostendruck erzeugen. Gleichzeitig werde via Selektivvertragswesen die Symmetrie zwischen dem künftigen Spitzenverband Bund der GKV und der vertragszahnärztlichen Selbstverwaltung deutlich verschoben, bemerkte Analytiker Eßer.

Hier müsse sich die Zahnärzteschaft, so forderte Eßer, koordiniert aufstellen, um den schon bald agierenden Oligopolen mit entsprechender Kraft begegnen zu können. Denn letztlich seien die Krankenversicherer auf Grund der Vorgaben der Systematik jetzt mehr denn je gezwungen, bei den Leistungsausgaben zu sparen. In den eigenen Reihen sei den Krankenversicherungen, angesichts einer Kostenstruktur von rund sechs Prozent der Verwaltungspositionen, aber 94 Prozent an Leistungsausgaben, ein Sparansatz kaum möglich. Betroffen seien also letztlich wieder einmal die Leistungserbringer.

Vor diesem Hintergrund sei es klare Aufgabe der Selbstverwaltung, das Kollektivvertragssystem, so weit es geht, zu erhalten und darüber hinaus moduliert den Entwicklungen angepasst weiterzuentwickeln. Dabei müsse allerdings vorab die grundsätzliche Frage beantwortet werden, ob man in diesem sich so rapide entwickelnden Markt, in dem bereits heute über rund 4 000 integrierte Versicherungsverträge mehr als drei Millionen Versicherte abdecken, überhaupt auftreten will. Diese Frage wurde übrigens seitens des Plenums erörtert und im Sinne einer intensiveren Aufarbeitung durch die KZBV als Auftrag an die Selbstverwaltung zurückgegeben. Ziel müsse dabei sein, so ergaben die Diskussionsbeiträge, eine betriebswirtschaftliche Zersplitterung und Vereinzelung der Zahnärzte zu verhindern und in den Verhandlungen mit den Krankenkassen möglichst solche Verträge zu stützen, die sich an freiberuflichen Strukturen orientieren. Aufgabe eventueller Servicemaßnahmen müsse es zudem sein, zur Wahrung der Geschlossenheit im Berufsstand beizutragen.

Recht auf Selbstbestimmung

Entscheidend für das weitere Vorgehen, so mahnte der KZBV-Vorsitzende Dr. Jürgen Fedderwitz, sei ein geschlossenes „Miteinander“ im Handeln der zahnärztlichen Selbstverwaltung. Tragendes Element für den künftigen Erfolg müsse es sein, sich angesichts der anstehenden Herausforderungen in diesem koordinierten Handeln „zusammenzuschweißen, statt sich auseinanderdividieren zu lassen“. Fedderwitz: „Wir sind in einem sich wandelnden System, deswegen brauchen wir auch einen Wandel in den KZVen.“

Divers betrachteten die Diskutanten den notwendigen Zeitpunkt zum Handeln. Noch seien die Ausgangsvoraussetzungen in der sich entwickelnden Konkurrenzsituation für die selbstverwaltete Zahnärzteschaft günstig, so die Einschätzung von KZBV-Vorstandsmitglied Wolfgang Eßer. Dennoch mahnte das KZBV-Vorstandsmitglied, wie übrigens auch der Gesundheitsökonom Neubauer – und mit ihnen der die Veranstaltung moderierende Jurist Prof. Dr. Herbert Genzel –, zu einer Vorbereitung entsprechender Maßnahmen. Genzel: „Angesichts offener Fragen ist eine Ausarbeitungsphase angesagt.“ In absehbarer Zeit sei aber, so der ehemalige Vorsitzende des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen, eine Lösungsfindung unverzichtbar.

Erforderlich sei, so erläuterte Eßer seine Vorstellungen zum Umgang mit den Herausforderungen, die der Gesetzgeber mit der Reform gestellt hat, die Entwicklung eines Migrationsmodells, das die Zahnärzteschaft befähigt, das Selektivvertragssystem rechtzeitig anzugehen. Schließlich gehe es auch darum, das Selbstbestimmungsrecht des zahnärztlichen Berufsstandes zu erhalten. Maßgabe dabei sei es, Verträge einzugehen, auf die alle Zahnärzte Zugriff haben, die Zusatzleistungen ermöglichen und einen Benefit für die Beteiligten schaffen. Als Ideal schwebt Eßer vor, das gegenwärtige System und dessen Vorteile weitgehend in einen freien Markt zu spiegeln. Die KZBV wird sich, so lautete das Resümee der Veranstaltung in Bad Nauheim, weiter intensiv mit der Thematik befassen und konkrete Vorschläge für eine Umsetzung präsentieren.

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