Leitartikel

Die Reform: viel Lärm um nichts

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

macht die Gesundheitspolitik in Berlin Urlaub? Kein Sommertheater – nicht mal der Füller fürs obligate Sommerloch? Von der Politik, von den Partnern der großen Koalition ist tatsächlich bis zum Ende der Legislaturperiode nichts mehr zu erwarten. Nachbesserungswünsche des einen gehen nur durch die Erfüllung neuer Begehrlichkeiten des anderen. Zudem stehen wichtige Landtagswahlen an. Und da gilt: Wenig riskieren heißt wenig verlieren.

Die unmittelbar an der Reform Beteiligten ziehen jetzt erste Halbjahresbilanzen. Und es scheint, dass diesmal wir Zahnärzte nicht allein als die bekannten Besserwisser und Kritiker dastehen. Was dieser Tage als Zwischenbilanz der Bigpoints Vertragsarztrechts-Änderungsgesetz (VÄndG) und WSG bekannt wird, haben nahezu alle vorhergesagt. Schaut man genauer, was die Bundesregierung mit dieser BMG-hausgestrickten Reform erreicht hat, so schlägt auf der Haben-Seite wenig zu Buche – politisch nicht, und in Zahlen ohnehin nicht.

Die Rückkehr der Nichtversicherten bleibt weit hinter den geschürten Erwartungen zurück. Mag sein, dass die zögernde Haltung aller Beteiligten – auch mancher Versicherer – doch noch der Einsicht weicht, dass die Nutzung des Angebots volkswirtschaftlich nicht nur negativ gesehen werden muss und sozialmedizinisch ja durchaus wünschenswert ist.

Auch in unserem zahnärztlichen Bereich sind die Strukturen noch nicht einmal im Ansatz so erschüttert worden, wie sich das mancher Politstratege erhofft hatte. Zu offensichtlich beißen sich die hehren Marktöffnungsziele mit den verbliebenen Budgetzwängen. Mit limitierter Liberalität lässt sich kein Wettbewerb einleiten. Immerhin zeichnet sich ab, dass die Erleichterung, Zahnärzte anstellen zu können, angenommen wird. Das überrascht nicht, war angesichts der früher starren Situation ohnehin angestrebt worden.

Anders scheint bisher die Lage im Feld der „Kettenpraxen“ und „ÜbAG’s“: Vielleicht ist die Zeit für die an den Horizont gemalten Molochs noch nicht reif, vielleicht bestätigt sich auch, dass der Zahnarzt wirklich sein Bewusstsein als klassischer Freiberufler bewahrt hat und ganz bewusst pflegt. Das erste Praxisketten-Gerassel von McZahn hat ja auch bewiesen, dass eben nicht alles Gold ist, was mit niedrigen Preisen glänzt.

Ebenso schnell wurde an anderer Stelle der Elan gebremst: Die Möglichkeit, zahnmedizinische Versorgungszentren zu schaffen, wird von den Gerichten anders gesehen. Baden-Württembergs Landessozialgericht hat unsere Auffassung bestätigt, dass ein MVZ fachübergreifend sein muss, folglich im zahnmedizinischen Sektor nicht zum Tragen kommt und daher einen Antrag auf sofortigen Vollzug abgewiesen.

Unterm Strich bleibt wenig Vorzeigbares. Außer Spesen nichts gewesen? Was wird aus dem verkündeten neuen Wettbewerb? Die Kassen haben bereits verdeutlicht, dass die Gestaltungsfreiheit, die die Versicherten bisher nur zögerlich annehmen – wir Deutschen sind nur langsam von der „neuen Freiheit“ zu überzeugen –, an den Schwierigkeiten des Systems nichts ändern wird. Nach Meinung der GKV-Oberen wird sich manch derzeitige „Errungenschaft“ noch als Hindernis erweisen. So schraubt sich das System Stück für Stück weiter in den Boden. Und wer glaubte, mit dem neuen Spitzenverband der Krankenkassen eine breite Schneise in die Kassenlobby geschlagen zu haben, muss sich die Augen reiben: Die alten Spitzenverbände leben munter auf; das BMG hat sie sogar als Beratungsorgan anerkannt und damit reanimiert.

Für die Zahnärzteschaft gilt es jetzt, passende Antworten auf die anstehenden Aufgaben, wie die Einführung eines Basistarifs oder auch eine wettbewerbsgerechte Vorbereitung für den Bereich der Selektivverträge, zu finden. Hier hat das BMG die für uns strategisch folgenreichen Hebel angesetzt, denen nur wohldurchdachte, kräftige Gegenmaßnahmen standhalten können.

An der Grundaussage zum Gesetzeswerk ändert das – jenseits strategischer Notwendigkeiten – wenig. Für die Rettung des Gesundheitswesens gilt gleichwohl: viel Lärm um nichts.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Dr. Jürgen FedderwitzVorsitzender der KZBV

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