3. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Ästhetische Zahnheilkunde

Zahnmedizinischer Fortschritt – aus Patientensicht bewertet

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Die gut besuchte 3. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Ästhetische Zahnheilkunde (DGÄZ) am ersten Novemberwochenende 2007 am Tegernsee hatte wieder viele Themen rund um die Ästhetik im Visier.

Ästhetik „Rot und Weiß“ – auch rund um das Implantat – ist nicht immer das, was der Zahnarzt für einen Behandlungserfolg hält, und Fortschritte in Therapie-Verfahren sind keineswegs immer ausschließlich medizinisch begründet: Manchmal sind es auch „Moden“, die zu geändertem Vorgehen führen, weil sich neue Ansprüche der Patienten entwickeln. Ein Beispiel für solche „Moden“ lieferte Dr. Rino Burckhardt, Zürich, in seinem Beitrag. Als die Mode den Männern im vergangenen Jahrhundert ein „Bart ab“ diktierte, stieg der Bedarf nach ästhetischer Rezessionsabdeckung, denn mit den Bärten verschwand auch der „Vorhang“, der unschöne Situationen zuvor gnädig verdeckt hatte.

Großes Erwachen nach der Rasur

Ob das damals bereits regelrechte „Rezessionsabdeckung“ war, was in den zahnärztlichen Praxen geleistet werden konnte, mag man mit Blick auf die heutigen Techniken möglicherweise bezweifeln, aber das ästhetische Ziel war dasselbe: Neben der medizinischen Versorgung der freiliegenden Bereiche sollte auch das Aussehen gewinnen. Der Beitrag von Dr. Burckhardt zeigte nebenbei auch, dass der Wunsch nach ästhetischem Ergebnis keineswegs eine neue „Mode“ ist. Viele Innovationen in der Zahnheilkunde kamen und kommen über solches Patienteninteresse zustande, das damit auch eine innovative Schubkraft auf die Zahnheilkunde ausübt. Dies wurde in fast allen Beiträgen erkennbar – allerdings kommt der Ästhetik, wie die DGÄZ ständig ermahnt, grundsätzlich der Platz hinter der Funktion zu. Dr. Diether Reusch, Präsident der DGÄZ: „Wenn die Funktion perfekt ist, kommt die Ästhetik oft ganz von allein.“

Erfolg aus Patientensicht

Was ein Behandlungserfolg ist oder nicht, beurteile heute auch der Patient, meinte Dr. Burckhardt. Vor allem jüngere Patienten mit kostspieliger Implantatversorgung sähen manches Ergebnis anders: „Seien wir ehrlich, das sieht doch oft eher nach einem Geschwür aus, was wir Zahnärzte als funktional erfolgreiche Rezessionsabdeckung bezeichnen.“ Eine Rezession entstehe oft dann, wenn das Bindegewebe direkt auf der Wurzel liege und die Wurzel mit der Mundflora in Verbindung gekommen sei. Aufgrund des unterschiedlichen Durchblutungsverhaltens plädierte er bei Gewebetransplantaten für ortstypisches Gewebe, das sowohl schneller als auch besser einheile, und für eine Fixierung mit ganz feinen Fäden unter Einsatz der Lupenbrille. Sowohl die Zahnärzte als auch die Patienten müssten allerdings akzeptieren, dass auch bei den besten Voraussetzungen eine 100-Prozent-Deckung nicht erreicht werden kann. Dennoch sei heute die Erfolgsquote ausgesprochen hoch, insbesondere, wenn mit minimalinvasiven Techniken, wie der Tunneltechnik, gearbeitet werde. Bei einem Erfolgsvergleich habe sich gezeigt, dass die Rezessionsabdeckung an natürlichen Zähnen besser gelingt als bei Implantaten, der Faserverlauf des Gewebes sei unterschiedlich.

Auch in der Implantologie gebe es deutlich auseinanderdriftende Vorstellungen von Patienten und Zahnärzten, was wirklicher Fortschritt sei, meinte Dr. Otto Zuhr, München: „Für uns Zahnärzte heißt das modernere Technik, verbesserte Umsetzung am Patienten, neue wissenschaftliche Erkenntnisse für die Praxis und die Zusammenarbeit mit der Zahntechnik.“ Für Patienten dagegen sei Fortschritt „ein Implantat, das nicht so teuer ist, lange hält und ohne größeren chirurgischen Aufwand eingesetzt wird.“ Patienten liebten Ein-Schritt- Verfahren, dagegen seien gerade in der Front, wo es besonders auf ein ästhetisches Ergebnis ankomme, mehrere Schrittfolgen häufig unvermeidbar: „Hier hilft nur die ausführliche Diskussion mit dem Patienten – und gelegentlich auch die eigene Erkenntnis, dass ein glücklicher Patient oft wichtiger ist als ein aus unserer Sicht tolles Ergebnis.“ Nach einer Extraktion sei der sofortige Aufbau der Alveole notwendig und die Vorbereitung der ästhetischen Linie: „Das ist später nur schwer bis gar nicht mehr zu schaffen.“

Eine entscheidende Rolle bei der Frage des Vorgehens spiele der Patient auch bei kom plexen perioprothetischen Fällen, wie Dr. Kony Meyenburg und Dr. Marco Imoberdorf, beide Zürich, in einem Doppelvortrag darstellten. Dr. Meyenburg: „Ich frage mich, welche ästhetische Prothetik ich wählen würde, ich frage den Kollegen Imoberdorf, was er aus parodontologischer Sicht vorschlägt, und dann fragen wir den Patienten, was er will.“ Die Ziele von Zahnärzten und Patienten seien oft recht verschieden: „Wir Zahnärzte wollen Zähne und Zahnbett erhalten – für die Patienten ist das manchmal gar nicht so wichtig.“ Wenn sich für einen Pfeilerzahn eine eher ungünstige Langzeit-Prognose stelle, entscheide er sich unter Risikomanagementaspekten daher mit gutem Gewissen für die Extraktion: „Lieber einen unsicheren Zahn zuviel extrahieren als einen zuwenig, der uns dann kollabiert, wenn alles fertig ist.“ Team-Approach erweise sich gerade bei komplexen Fällen als großes Plus – man brauche allerdings „ein gutes Stück Vertrauen zu seinem Behandlungspartner...“

Team-Approach und optimierte Details

Auch Zahnärzte aus verschiedenen Fachbereichen können divergierende Erwartungen haben. Ein Beispiel lieferte Kieferorthopäde Dr. Giancarlo Baldini, Zürich: „Die Zahl Acht ist keine Indikation für eine Extraktion“, meinte er und bezeichnete die Weisheitszähne als dritte Molaren, die vielfältige Aufgaben erfüllen können und daher nicht prophylaktisch entfernt werden sollten. Das große Potential der modernen Kieferorthopädie als Partnerdisziplin in der Erwachsenenbehandlung, gerade bei ästhetischen Aufgaben, werde oft übersehen: „Man kann einen Zahn extrahieren – man könnte ihn aber auch intrudieren oder elongieren.“ Elongation beispielsweise könne bei der Extraktion eines frakturierten Zahnes hilfreich sein oder Knochen nach sich ziehen, der für eine nachfolgende Implantation gebraucht werde.

Andererseits gebe es oft auch zuviel „Innovation“, meinte Dr. Meyenberg in seinem Vortrag zu Implantatdesign: „Jeden Tag ein neues System – ein Hype mit der Gefahr der generellen Desillusionierung...“ Anhand einer Computersimulation zeigte er, wie sich Weichgewebe allein durch die Korrektur des Implantat-Abstandes veränderte: „Wir müssen uns also kritisch fragen, ob allein der Abstand der zentrale Aspekt ist oder die Auswahl des Systems.“ Auch die Frage, ob man das Implantat höher oder tiefer setzt, sei oft entscheidender für das Ergebnis als die Frage, welches System man nutzt. Dr. Ronald Jung, Zürich, widmete sich dem Timing bei der Alveolenversorgung: „Eine präimplantologische Weichgewebsprophylaxe bringt letztlich Zeitersparnis und schafft gute Voraussetzungen.“ Ein optimales Zeitmanagement beuge Gewebsverlust vor – vier Wochen nach Extraktion gehe vertikale Höhe im bukkalen Bereich verloren, acht Wochen nach Extraktion auch im horizontalen Bereich. ZTM Hans-Peter Spielmann, Zürich, plädierte für individualisierte anatomische Distanzhülsen, besonders in der Front, auch wenn diese die Versorgung verteuerten: „Wenn Patienten ein gutes ästhetisches Ergebnis wollen, braucht das Gewebe eine zuverlässige Stütze – das müssen wir den anspruchsvollen Patienten auch klar machen.“ Bei dicker Schleimhaut müsse es aber keine Keramikdistanzhülse sein, sie bringe dann gegenüber einer Titanhülse keinen ästhetischen Vorteil. Prof. Dr. Jürgen Becker, Düsseldorf, empfahl eine sorgsame Beobachtung der Einheilung: „Eine Periimplantis beginnt in der Regel in der dünnen vestibulären Lamelle, wandert dann um das Implantat herum und schließlich nach apikal.“ Er informierte über die Erfolge verschiedener Techniken zur Eliminierung des Biofilms, hier erwiesen sich derzeit vor allem Laser- und Pulverstrahlverfahren als überlegen. Es habe sich gezeigt, dass der Biofilm die Implantatoberflächen verändere – hier läge vermutlich der Grund für die nicht zufriedenstellende Biokompatibilität. Viel Forschung sei beim Thema Periimplantitis noch notwendig: „Hier brauchen wir eigentlich eine kausale Therapie.“

Ausführliche Vorträge – detailliert vorbereitet

Leicht hatte es Tagungsleiter Dr. Siegfried Marquardt den Referenten nicht gemacht: Für jeden Vortrag gab es einen exakt ausgearbeiteten Fragenkatalog, der bei den ausführlichen Vorträgen geradezu perfektionistisch abgearbeitet wurde. Die aufwendige Vorbereitung des Fachprogramms ist sicher mit ein Grund für den großen Erfolg der DGÄZ-Tagungen am Tegernsee, denn Fragestellungen und Expertenlösungen werden so präsentiert, wie sie den Interessen der Teilnehmer, nicht vorrangig denen der Referenten, entgegenkommen: „Das war manchmal ganz schön anstrengend, auf alles eine Antwort zu finden“, so Dr. Meyenberg. Geprüft wurde die Belastungsresistenz der Referenten auch beim traditionellen Tagungsabschluss: Unter der Überschrift „Fehlermanagement“ präsentierte ein Referententeam eine missglückte eigene Arbeit, ein zweites Team musste die auslösenden Fehler finden und eine abschließende Lösung vorschlagen. Dieser Teil der Tagung ist besonders beliebt bei den Teilnehmern, weil man vor allem durch Fehler lernt – aber auch entspannen kann, denn offenbar gelingt auch den Experten nicht immer alles.

Termin 2008

Mit Spannung erwartet wird das bevorstehende „Duell“: Bei der Frühjahrstagung der DGÄZ vom 22. bis 24. Mai 2008, erneut am Tegernsee, unter dem Motto „America meets Europe“ stehen unter anderem die Behandlungsplanung eines amerikanischen und eines deutschen Behandlerteams auf der fachlichen Bühne (Infos unter www.z-a-t.de).

Dr. Franz HaggAdelhofstraße 183684 Tegernsee

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